Deutschlands Säugetiere: Fünf Gewinner und Verlierer im Jahr 2022

Einige Säugetiere wie der Feldhamster stehen in Deutschland kurz vor der Ausrottung. Andere haben ein erstaunliches Comeback hingelegt. Bestes Beispiel: der Wolf. Darüber hinaus gibt es ein paar handfeste Überraschungen.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 28. Dez. 2022, 10:51 MEZ
Unterwasseraufnahme eines Fischotters

Er schwimmt sich frei: Seit einigen Jahren nimmt der Bestand des Fischotters in Deutschland deutlich zu.

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Von Alpenfledermaus bis Zwergwal: 107 Säugetierarten leben in Deutschland. Laut der aktuellen Roten Liste der gefährdeten Arten haben sich die Bestände von 17 Säugetieren in den letzten Jahren positiv entwickelt. Bei weiteren 39 Arten ist der Zustand auch dank gezielter Schutzmaßnahmen stabil. Fast ein Drittel (31 Prozent) der bewerteten Arten ist dagegen gefährdet. Wir stellen beispielhaft fünf Gewinner und Verlierer vor.

Fünf Gewinner: Säugetiere in Deutschland


Biber

Noch vor wenigen Jahren grenzte es fast an ein Wunder, hierzulande einen Biber in freier Wildbahn zu beobachten. Auch in weiten Teilen Europas war er so gut wie ausgerottet. Schätzungsweise 100 Millionen Tiere hatten einst die Flusslandschaften vom Süden Frankreichs bis zur Mongolei bevölkert. Doch nicht nur sein dichtes Fell wurde dem Biber zum Verhängnis. Sein Fleisch galt als Delikatesse und durfte im Mittelalter auch während der Fastenzeit gegessen werden. Die Kirche zählte den Biber zu den Fischen. Jetzt kann man Europas größtes Nagetier sogar mitten in Berlin entdecken. Etwa 40.000 Biber leben wieder in Deutschland.

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    Europas größtes Nagetier: Auch im Peenetal werden immer wieder Biber beobachtet.

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    Fischotter

    Auch der Fischotter war bereits in weiten Teilen Deutschlands verschwunden. Er braucht fischreiche, saubere Gewässer und wurde lange erbittert verfolgt. Zwar gilt der gut ein Meter lange Wassermarder immer noch als gefährdet. Doch seit einigen Jahren nimmt der Bestand deutlich zu. Dabei konnte der Fischotter auch neue Gebiete erschließen. Wie viele Fischotter es aber tatsächlich in Deutschland gibt, ist unklar. Heute ist der Autoverkehr die häufigste Todesursache, gefolgt von Todesfällen durch Fischreusen. Aber auch illegale Verfolgung spielt nach wie vor eine Rolle. Die Deutsche Wildtier Stiftung wählte den Fischotter 2021 zum Tier des Jahres.

    Der Fischotter ist Deutschlands größer Marder.

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    Goldschakal

    Deutschland hat ein neues Raubtier: Es ist größer als ein Fuchs, aber kleiner als ein Wolf. Dennoch: Mit seinem rötlich-grauen Fell und der weißlichen Schnauze ähnelt der Goldschakal seinen beiden Verwandten. Dass es künftig häufiger zu Begegnungen kommt, ist ziemlich sicher. Heimlich, still und leise ist Canis aureus aus Südosteuropa nach Deutschland eingewandert. Der erste Goldschakal wurde 1997 in Brandenburg beobachtet. Bis 2020 gab es bereits 25 Nachweise aus nahezu allen Bundesländern. Inzwischen gibt es sogar Nachwuchs – und zwar im niedersächsischen Landkreis Uelzen und im baden-württembergischen Schwarzwald-Baar-Kreis.

    Ein Wolf? Nein, ein Goldschakal.

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    Steinbock

    Alpensteinböcke gehören laut einer aktuellen Studie zu den Gewinnern des Klimawandels. Höhere Frühlingstemperaturen und die frühere Schneeschmelze sollen das Nahrungsangebot der Tiere verbessert und zu einem deutlichen Vitalitätsschub geführt haben. Das Wachstum der Hörner gilt als Indiz für die positive Entwicklung. An den Ringen im Horn lassen sich gute und schlechte Lebensbedingungen feststellen – ähnlich den menschlichen Fingernägeln, an denen man Mineralstoffdefizite ablesen kann. In den bayerischen Alpen leben derzeit etwa 800 Steinböcke in fünf Gebieten. Die Kolonien gehen auf Wiederansiedlungen zurück. Bei einer offiziellen Zählung im Jahr 2010 waren es noch 450 Tiere.

    Rund 800 Steinböcke leben heute wieder in den bayerischen Alpen.

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    Wolf

    Mehr als 150 Jahre lang war der Wolf in Deutschland ausgestorben – bis im Frühjahr 2000 im Nordosten von Sachsen erstmals wieder wildlebende Wolfswelpen das Licht der Welt erblickten. Aktuell wächst die Zahl an nachgewiesenen Wolfsterritorien jährlich um ein knappes Drittel. Derzeit sind 161 Rudel, 43 Paare und 22 Einzeltiere in Deutschland bekannt. Doch das Wachstum wird sich nicht ungebremst fortsetzen: Immerhin beansprucht ein Wolfsrudel eine Reviergröße von 200 bis 250 Quadratkilometern, was 35.000 Fußballfeldern entspricht. Irgendwann werden die potenziellen Habitate besetzt sein, prognostizieren Forschende.

    Wolfsnachwuchs in Deutschland. Aktuell gibt es 161 Rudel in Deutschland.

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    Fünf Verlierer: Säugetiere in Deutschland


    Baumschläfer

    Dieses Nagetier ist ein echtes Phantom: Wenn überhaupt kommt der nachtaktive Baumschläfer bei uns nur noch in Bayern vor. Der letzte offizielle Nachweis stammt allerdings aus dem Jahr 1988. Seitdem wurde die Art möglicherweise noch zweimal beobachtet: einmal 1993 in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen und einmal 2010 im Landkreis Rosenheim. Offenbar reagiert der Baumschläfer empfindlich auf die zunehmende Trockenheit infolge des Klimawandels und auf die gezielte Entwässerung seines Lebensraums. Er lebt in feuchten Wäldern mit dichtem Unterholz.

    Der nachtaktive Baumschläfer wurde zuletzt 2010 in Deutschland beobachtet.

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    Feldhamster

    In wenigen Jahren könnte der einst fast überall häufige Nager aus Deutschland verschwunden sein. In Nordrhein-Westfalen ist der Feldhamster bereits seit 2017 ausgestorben. Zwar leben laut Nabu noch bis zu 50.000 dem Feldhamster in Deutschland. Bis vor wenigen Jahrzehnten waren es aber noch mehrere Millionen. Auch in den übrigen Verbreitungsgebieten werden starke Bestandsabnahmen beobachtet. Wenn nichts unternommen wird, ist der Feldhamster nach Ansicht der Weltnaturschutzunion in drei Jahrzehnten komplett ausgerottet. Monokulturen, Klimawandel und Lichtverschmutzung machen ihm zu schaffen.

    Der Feldhamster könnte in wenigen Jahrzehnten komplett ausgestorben sein.

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    Feldhase

    Es steht nicht gut um den Feldhasen. Vor wenigen Jahrzehnten noch allgegenwärtig auf deutschen Wiesen und Feldern, gerät er seit den 1960er-Jahren immer stärker unter Druck. Aktuell gibt es noch bis zu drei Millionen Exemplare in Deutschland. Doch die Bestandsentwicklung gibt Anlass zur Sorge. Schon seit den 90er-Jahren führt ihn die Rote Liste als gefährdet. Die Intensivierung der Landwirtschaft mit ihren riesigen Monokulturen nimmt dem Feldhasen den Lebensraum, chemische Düngung und Pflanzenschutzmittel vernichten seine Futterpflanzen, Jungtiere fallen den Mähmaschinen zum Opfer. Laut Wildtierstiftung sterben jährlich rund 60.000 Tiere auf Deutschlands Straßen.

    Einst allgegenwärtig in Deutschland, heute auf der Roten Liste: Der Feldhase ist in seinem Bestand gefährdet.

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    Hausratte

    Wer hätte gedacht, dass dieser Nager in Deutschland vom Aussterben bedroht ist? Tatsächlich ist die Hausratte bei uns überaus selten geworden. Hierzulande gibt es zwei wildlebende Rattenarten: die Hausratte und die Wanderratte. Wenn jemand auf der Straße oder im Garten eine Ratte beobachtet, handelt es sich in den meisten Fällen um eine Wanderratte. Die wärmeliebende Hausratte ist dagegen in Deutschland kaum außerhalb von Gebäuden zu finden. Die Hauptgründe für den Bestandsrückgang: Konkurrenz durch die Wanderratte und die konsequente Verfolgung durch den Menschen. Hausratten können über 100 Krankheiten übertragen. Im Mittelalter haben sie die Pest verbreitet.

    Unbeliebter Krankheitsüberträger: Die Hausratte ist in Deutschland vom Aussterben bedroht.

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    Wildkaninchen

    Wildkaninchen sind deutlich kleiner und leichter als Feldhasen, mit denen sie häufig verwechselt werden. In einigen Städten kommen sie massenhaft in Parks und Grünanlagen vor. Deshalb dürfte viele Menschen überraschen, dass das Wildkaninchen auf der Vorwarnliste der bedrohten Arten steht. In den meisten Bundesländern ist der Bestand durch Krankheiten wie die Kaninchenpest und die Chinaseuche stark geschrumpft. Da hilft es auch kaum, dass sich Kaninchen eigentlich rasch vermehren können. Vielerorts sind sie bereits verschwunden. Ob sie bereits verwaiste Gebiete wiederbesiedeln werden, scheint zweifelhaft. Die Jagd hingegen stellt in Regionen mit stabiler Population offenbar keine Gefahr dar.

     

    Wildkaninchen leiden vermehrt unter tödlichen Tierseuchen.

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