Seltenster Wal der Welt: Forschende untersuchen erstmals vollständiges Exemplar

1873 tauchten erstmals Knochen eines Bahamonde-Schnabelwals auf. Seitdem konnten nur sechs Exemplare dokumentiert werden. Nun untersuchte ein Team in Neuseeland ein vollständiges Tier.

Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 27. Dez. 2024, 16:23 MEZ
Der Bahamonde-Schnabelwal wird mit einem Bagger vom Strand geborgen.

Ein Bagger war vonnöten, um den 1,3 Tonnen schweren Bahamonde-Schnabelwal am Strand nahe Dunedin zu bergen.

Foto von DOC

Im Juli 2024 kam es auf der Südinsel Neuseelands nahe Dunedin zu einem vermeintlich traurigen Ereignis. Ein toter Wal wurde im seichten Wasser der Taieri-Mündung an Land gespült. Dabei handelte es sich allerdings nicht um irgendeinen Wal, sondern um ein besonders seltenes Exemplar: einen Bahamonde-Schnabelwal. Sein Tod stellt für die Wissenschaft und die indigene Māori-Bevölkerung die einmalige Chance dar, endlich ein vollständig erhaltenes Tier genauer untersuchen zu können. Denn seit der ersten Entdeckung von Knochenteilen der Art im Jahr 1873, kam es nur zu insgesamt sechs Funden – lebende Tiere konnten noch nie beobachtet werden.

Bahamonde-Schnabelwal: Erste Untersuchung eines vollständigen Exemplars

Nun wurde der im Juli 2024 angespülte Kadaver von Mesoplodon traversii, so der wissenschaftliche Name des Bahamonde-Schnabelwals, seziert. In den letzten Monaten wurde er dafür in einer Kühlzelle aufbewahrt. Eine ganze Woche dauerte die Untersuchung des männlichen Tieres an, dessen Körper zu seinem Todeszeitpunkt rund fünf Meter maß und 1,3 Tonnen wog. An der Sektion beteiligt waren das Departement of Conservation (DOC), US-Meeresbiolog*innen und Vertreter*innen von Te Rūnanga o Ōtākou – einem Stamm der Māori-Bevölkerung. Sie ergänzten die westliche Wissenschaft mit dem indigenem Wissensschatz.

Forschende stehen vor der Sektion des Bahamonde-Schnabelwals um den Kadaver des Tieres

Vor der Sektion vermisst das Wissenschaftsteam den Bahamonde-Schnabelwal zusammen mit Vertretern von Te Rūnanga o Ōtākou – dem örtlichen Unterstamm der Māori – für die der Wal heilig ist.

Foto von Michael Hayward / DOC

Einen der überraschendsten Funde machte das Team im Maul des Wales: winzige, verkümmerte Zähne im Oberkiefer, von denen man vorher nicht gewusst hat. „Diese kleinen Zähne, die im Zahnfleisch eingebettet sind, erzählen uns etwas über ihre Evolutionsgeschichte“, sagt Anton van Helden. Der Untersuchungsleiter ist Meereswissenschaftler des DOC und Experte für Schnabelwale. „Das zu sehen ist bemerkenswert – und es ist nur eine weitere Sache, von der wir keine Ahnung hatten.“

Im Inneren des Tieres stießen sie auf ein weiteres Merkmal, das der Wissenschaft bislang gänzlich unbekannt war: Der Bahamonde-Schnabelwal besitzt ganze neun Magenkammern. „In einigen dieser Mägen fanden wir Hornschnäbel von Tintenfischen und einige Linsen aus Tintenfischaugen, ein paar parasitäre Würmer und vielleicht noch andere Teile von Organismen, bei denen wir uns nicht ganz sicher sind“, sagt van Helden. Ein Parasitologe sei beauftragt, letztere genauer zu bestimmen. Das Innere des Verdauungstraktes bietet zumindest einen kleinen Einblick in das Jagdverhalten der rätselhaften Bahamonde-Schnabelwale.

Bisher konnte die Lebensweise der seltensten Walart der Welt nicht genauer untersucht werden – weil sie in ihrem Lebensraum, den Tiefen des Pazifiks, schlicht noch nie lebendig beobachtet wurde. Bereits im Dezember 2010 wurde eine Sektion durch Unwissenheit versäumt, als eine Walmutter und ihr Kalb auf der Nordinsel Neuseelands strandeten und verendeten. Sie wurden fälschlicherweise den häufig gesichteten Camperdown-Walen (Mesoplodon grayi) zugeordnet. Aufgrund der bisherigen Fundorte von gestrandeten Exemplaren und Knochenteilen geht man von einem Verbreitungsgebiet im südlichen Pazifik aus.

BELIEBT

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    Te Rūnanga o Ōtākou-Vertreter Oliver Dawson und DOC-Meereswissenschaftsberater Anton van Helden bei der Sektion.
    Der gestrandete Bahamonde-Schnabelwal liegt am Auffindeort im Sand
    Links: Oben:

    Te Rūnanga o Ōtākou-Vertreter Oliver Dawson und DOC-Meereswissenschaftsberater Anton van Helden bei der Sektion.

    Foto von Michael Hayward / DOC
    Rechts: Unten:

    Der Bahamonde-Schnabelwal an der Flussmündung des Taieri, wo sein lebloser Körper an Land gespült wurde.

    Foto von Te Rūnanga o Ōtākou

    Die Sektion des 2024 angespülten Tieres ließ auch Rückschlüsse auf die Todesumstände zu. Laut van Helden weist der Wal Prellungen an Kopf und Hals auf, auch sein Kiefer ist gebrochen. Als Todesursache wird daher ein Schädel-Hirn-Trauma in Betracht gezogen. Wodurch es ausgelöst wurde, bleibt – wie so vieles rund um den Bahamonde-Schnabelwal – ein Rätsel.

    Untersuchung vereint Wissenschaft und Wissen der Māori

    Besonders war die Sektion des Kadavers auch aus einem weiteren Grund: Die Untersuchung leiteten sowohl Forschende des DOC als auch die Te Rūnanga o Ōtākou – ein Unterstamm innerhalb des größten indigenen Māori-Stammes der neuseeländischen Südinsel.

    Ein halb verwester Walkadaver am Meeresboden, den Oktopusse und Fische umschwärmen.

    „Dieser Tohorā (Wal) war nicht nur der erste seiner Art, der von der Wissenschaft seziert wurde, sondern es war auch das erste Mal, dass unser Hapū (Unterstamm) mit Wissenschaftlern zusammenarbeitete, um indigene und westliche Wissenssysteme zusammenzuführen“, sagt Rachel Wesley, Mitglied von Te Rūnanga o Ōtākou.

    Für die Māori sind Wale von enormer kultureller Bedeutung, da die Meeresbewohner die Weisheit des Ozeans repräsentieren. Sie sehen Wale als ihre „Verwandten“, die mit ihren Ahnen in Verbindung stehen und Werte wie Fürsorge, Mitgefühl und Verantwortung symbolisieren. Deshalb hat der Wal auch einen Namen erhalten: Ōnumia – nach dem Gebiet, in dem er an Land gespült wurde. In seiner vollen Pracht wird er zukünftig im Tūhura Otago Museum in Dunedin zu begutachten sein.

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