Cesar Millan - Der Hundeflüsterer im Interview

Cesar Millan ist der Hundeflüsterer – das Original! Er kennt Hunde genau: ihre Psyche, ihre Wünsche, ihre Macken. Er ist der erfolgreichste Hundetrainer der USA und beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Hunden. NATIONAL GEOGRAPHIC traf ihn 2011.

Von Cathy Newman
bilder von Mark Thiessen

Tipps vom Experten: Cesar Millan zählt zu den bekanntesten Hundetrainern der Welt. 

Foto von National Geographic

Cesar Millan führt keine Hunde aus. Er führt Hunde. Er befiehlt – mit kerzengrader Haltung und dem Selbstvertrauen eines Gladiators, der weiß: Er ist der Größte. Der unbesiegbare Held im Kolosseum. Cesar Millan ist schon lange kein Hundetrainer mehr. Er ist Hundetherapeut. Gepuscht durch seine erfolgreiche Hundeflüsterer-Show im National Geographic Channel (in Deutschland bei Sky) entwickelte er sich vom Hundedressierer über den Hundepsychologen zu einer eigenen Marke (Cesar Millan, Inc.). Und das alles schneller als ein rennender Windhund. Millan wurde 1969 im mexikanischen Culiacán geboren und ließ sich 1990 von einem Schlepper in die USA schmuggeln. Heute betreibt er ein Zentrum für Hundepsychologie im Süden von Los Angeles. In einer schäbigen Wohngegend, auf einem mit Maschendraht umzäunten Gelände von mehr als 8000 Quadratmetern Größe, leben die rund 30 Hunde seines Rudels. Sie agieren als seine Partner und helfen ihm bei der Rehabilitation und dem Training von gefährlichen Beißern. Es sind Pitbulls darunter, Rottweiler, auch Deutsche Schäferhunde – was immer ihm anvertraut wird.

Mr. Millan, können Sie tatsächlich einem alten Hund noch neue Tricks beibringen?
Das mache ich dauernd. Jeder Hund kann umerzogen werden. Egal, ob er zehn, elf, zwölf oder 13 Jahre alt ist – Hauptsache, er ist im Kopf noch jung.

Was ist der größte Fehler, den wir mit Hunden machen?
Sie zu vermenschlichen. Wir benutzen sie für unsere eigenen emotionalen Bedürfnisse. Ein Hund weiß aber nicht, dass er in Beverly Hills wohnt oder wie viel Geld wir für ihn ausgeben. In Mexiko würde ein Hersteller von Tierfutter niemals so viel Geld machen wie in den USA. Dem Hund ist auch die Qualität der Leine egal. Ich benutze eine Kordel für 35 cent. Es liegt an uns, was aus den Hunden wird. Tiere müssen sich, ihrer Art entsprechend, Futter und Wasser erarbeiten.

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Genau wie menschliche Babys nutzen auch Hunde nonverbale Kommunikation, um zu bekommen, was sie wollen.

Was halten Sie davon, wenn ein Hund als Accessoire dient, wie eine Handtasche oder eine Sonnenbrille?
Accessoires signalisieren den Mitmenschen, wer man ist. Oder sein will. Das Mittel dazu kann ein Federschmuck sein, ein bemaltes Gesichter, ein Tattoo oder ein durch die Nase gezogener Knochen. Es ist nicht schlimm, wenn man einen Hund als Accessoire benutzt. In gewisser Weise tut das jeder Hundehalter. Aber wir sollten vermeiden, dass der Hund darunter zu leiden hat.

Warum fühlen Menschen sich zu gewissen Rassen hingezogen?
Weil sie das, was sie von anderen Menschen wollen, nicht bekommen. Also holen sie es sich von ihrem Hund.

Man legt sich einen Pitbull zu, weil ...?
... er Stärke, Macht und Männlichkeit repräsentiert – so wie ein Ferrari. Oder ein großer Geländewagen.

Und einen kleinen, lockigen Pudel?
Weil er weiblich ist und dekorativ.

Also halten wir uns selber am anderen Ende der Leine?
Wenn ich in eine Wohnung komme, sehe ich den Hund und weiß, wie der Besitzer ist. Der Hund ist sein Spiegel.

Gibt es Problem-Hunde, die Sie nicht therapieren können?
Nur solche mit angeborenen Verhaltensstörungen. Bei allen anderen ist es nur eine Frage der Zeit und des Trainings. Ein häufiges Phänomen sind Hunde, die sich Menschen gegenüber aggressiv verhalten. Sie tun es, weil sie nicht vertrauen können. Sie halten sich den Menschen vom Leibe, um nicht selber verletzt zu werden. Tiere mit seelischen Wunden können sehr gefährlich sein. Aber auch für sie gibt es Methoden der Therapie, die funktionieren. Es geht dabei vor allem darum, ihnen wieder Vertrauen beizubringen.

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    Was ist das Schlimmste bei der Hunde-Reha?
    Ganz klar: die Menschen. Die Besitzer.

    Worin liegt das Problem?
    Manche Menschen, vor allem Männer, meinen, dass sie selber nichts ändern müssen. Wenn ich das sehe, und wenn ich sehe, wie sie mit ihren Familien umgehen, mit ihrer Frau und den Kindern, dann tut mir das weh. Wer in seinem Umgang mit Hunden nichts ändern will, der will wahrscheinlich gar nichts ändern.

    Sie setzen also bei der Therapie eines Hundes beim Besitzer an? Sie lehren ihn, den Hund richtig zu führen?
    Wenn Sie einem Hund nicht sagen, was er zu tun hat, wird er Ihnen sagen, was Sie zu tun haben. Meine Kunden haben einen Harvard-Abschluss, sie leiten Firmen, sie herrschen über Menschen, aber sie sind nicht in der Lage, ihren Hund unter Kontrolle zu halten. Man fragt seinen Hund nicht, ob er Gassi gehen will. Man legt ihm die Leine an und geht los. Ein Hund ist zunächst einmal ein Tier, dann ein Hund, dann eine Rasse und dann erst sein Name.

    Wie kommt es, dass ein Fernsehmoderator, der vermutlich weiß, wie man eine Meute führt, an seinem Hund scheitert?
    Er sollte nicht fragen: Was kann ich für den Hund tun? Sondern: Was kann der Hund für mich tun? Hunde brauchen eine klare Rangordnung. Liebe allein ist der falsche Weg, einen Hund zu führen. Hunde folgen keinem Schwächling. Sie gehorchen dem Herrn. Der Mensch ist die einzige Art, die einem schwachen Führer folgt.

    Sind die Besitzer interessanter als die Hunde?
    Wenn es in meiner Fernsehshow nur um die Hunde und mich ginge, würde sie rasch langweilig werden. Die Zuschauer würden die Menschen hinter den Geschichten vermissen, die Dramen und die Komödien.

    Was ist dem Menschen am schwierigsten beizubringen?
    Er sollte nie das Verhalten bestärken, das er ändern will. Wir können gerade drei Stunden damit verbracht haben, dem Besitzer zu erzählen, warum er nicht versuchen sollte, seinen Hund zu besänftigen, wenn er zu knurren beginnt. Dann knurrt der, und der Mensch reagiert mit Zuwendung. Er hat gar nicht zugehört.

    Sie arbeiten auch mit Hunden wie der Deutschen Dogge, die sich fürchtete, über glänzende Böden zu gehen. Leiden Sie selber auch unter Phobien?
    Ich habe Angst vorm Fliegen. Aber ich fliege trotzdem.

    Als Kind beobachteten Sie das Rudelverhalten auf der Farm Ihres Großvaters. Das hat Ihren Umgang mit Hunden geprägt. Glaubten Sie schon immer, das Alphatier zu sein, oder waren Sie früher auch mal das gefühlsduselige Herrchen, das sich vom Hund beherrschen ließ, wie die meisten von uns?
    Gefühlsduselig wurde ich erst hier, in den USA. In einem Land wie Mexiko wird liebevolles Verhalten als Schwäche angesehen. Es fehlt dort das Verständnis dafür, dass es für Männer okay ist, Gefühle zu zeigen. Die Vorstellung, „seine weibliche Seite zu akzeptieren“, wird jeden Jungen, der lange Zeit hart daran gearbeitet hat, niemals weibisch oder emotional zu wirken, wie eine Ohrfeige treffen.

    Aber als Kind konnten Sie Hunden gegenüber liebevoll sein?
    Ich erinnere mich daran, einen Hund versteckt und umarmt zu haben. Das ging gerade noch, fand ich. Später sah ich dann „Lassie“ im Fernsehen, und wie der Junge den Hund herzte und küsste. Okay, dachte ich, das scheint in den USA üblich zu sein. Hier darf ich nun meine emotionale Seite leben, was ich in Mexiko nie so frei tun konnte.

    Gibt es ein Wesen, das Sie nicht therapieren können?
    Meinen Vater. Ich möchte, dass er meiner Mutter sagen kann: «Ich schätze dich sehr. Danke. Ich liebe dich.» Aber er kann es nicht, nicht in der Macho-Kultur Mexikos.

    Könnten Sie nicht mit ihm spazieren gehen und darüber reden?
    Nein. Er würde weglaufen.

    Was sagten Ihre Eltern zu Ihrer Berufswahl?
    Sie wollten, dass ich Arzt werde, Anwalt oder Architekt.

    Und wie steht Ihr Vater heute zu Ihrem Erfolg?
    Er kann immer noch nicht verstehen, warum Amerikaner mich dafür bezahlen, dass ich ihre Hunde ausführe.

    Und Ihre Mutter?
    Sie würde mich sogar lieben, wenn ich Toiletten putzte. Was ich auch getan habe, anfangs, als ich hierherkam.

    Erfüllt eines Ihrer Geschwister die Wünsche Ihrer Eltern?
    Mein Bruder studiert, um Architekt zu werden, und ich unterstütze ihn bei den Kosten seiner Ausbildung. Genauer gesagt: Die Hunde tun es.

    Welche Lektionen können wir von Hunden lernen?
    Den Moment zu leben. Ehrlichkeit, Loyalität, Integrität. Hunde würden Ihnen niemals ein Messer in den Rücken rammen oder Sie anlügen.

    Können Hunde denken und fühlen?
    Sie fühlen – auf instinktive Weise. Aber sie denken nicht, denn sonst würden sie uns verklagen: «Euer Ehren, ich wurde fünf Jahre lang nicht mehr spazieren geführt.»

    Funktionieren Ihre Tipps auch bei anderen Tieren?
    Sie funktionieren bei Tieren, die in Gruppen leben – wie Ziegen, Pferden und Schweinen.

    Verstehen Sie Katzen?
    Nein.

    Wo werden Sie Ihre Methoden, Hunde zu therapieren, noch lehren?
    Die Menschen vieler Länder kopieren amerikanische Lebensart – auch die Art, ihre Hunde falsch zu behandeln; Japaner etwa. Das ist gut, ich mag Sushi. Und nachdem ich in Japan gewesen bin, kann ich nach England gehen.

    Wenn Sie wählen dürften: Wen hätten Sie lieber in Ihrem Rudel, „Lassie“ oder „Rin Tin Tin“?
    „Rin Tin Tin“. Ein Schäferhund ist eher so wie ich selber – konkurrenzbetont, territorial und dominant.

    (NG, Ausgabe 04 / 2011, Seite(n) 32 bis 36)

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