Schlittenhund und Mensch: 10.000 Jahre Teamwork

Schlittenhunde haben sich an das Leben in der bitteren Kälte des Nordens angepasst – Hundehalter sollten daher auf die richtige Ernährung und Auslastung achten.

Von Jason Bittel
Veröffentlicht am 29. Juni 2020, 13:19 MESZ
Ein Team von Schlittenhunden bei einem Rennen auf dem Herbert-Gletscher in der Nähe von Juneau, Alaska. ...

Ein Team von Schlittenhunden bei einem Rennen auf dem Herbert-Gletscher in der Nähe von Juneau, Alaska. Eine überraschende Entdeckung offenbarte, dass sich diese Gruppe von Hunderassen hat sich nicht mit Wölfen gekreuzt hat.

Foto von Katie Orlinsky, Nat Geo Image Collection

Grönlandhunde sind flauschige Hunde mit nach oben gebogener Rute, die in der rauen arktischen Tundra beheimatet sind. Außerdem könnten sie die älteste Hunderasse der Welt sein – darauf deutet zumindest die erste Studie hin, die einen tiefen Einblick in die genetische Geschichte der Tiere gewährt. Der Stammbaumzweig der Schlittenhunde, der verschiedene Arten von Huskys und Malamutes umfasst, trennte sich vor etwa 9.500 Jahren von den übrigen Hunden.

Mittlerweile ist klar, dass Hunde wahrscheinlich von eurasischen Wölfen abstammen. Aber wann und wo genau diese Trandformation stattfand, ist nach wie vor ein großes Rätsel. Um die Genetik von Schlittenhunden und ihren Platz in der Geschichte besser zu verstehen, sequenzierten Wissenschaftler das Genom eines Hundes aus der sibirischen archäologischen Stätte Schochow, die etwa 9.500 Jahre alt ist.

„Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass wir eine Art Vorläufer von Haushunden finden würden“, sagt Hauptautor Mikkel-Holger Sinding, Paläogenetiker und Doktorand an der Universität Kopenhagen in Dänemark.

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Stattdessen entdeckten er und seine Kollegen, dass die heutigen Schlittenhunde und der Hund von Schochow vom gleichen genetischen Zweig des Stammbaums stammen. „Das bedeutet, dass sich alle Hunde schon früher genetisch diversifiziert haben müssen“, schlussfolgert er.

Das sei eine bedeutende Erkenntnis, sagt Sinding, denn sie liefere den „ersten definitiven Zeitpunkt für die Diversifizierung bei Hunden“. Das an sich ist bereits ein wichtiger Hinweis auf das Mysterium der Domestizierung von Hunden.

Für die Kälte gebaut

Die Analyse verglich die Gene der prähistorischen und modernen Schlittenhunde mit denen anderer Rassen. Dabei wurden auch allerlei faszinierende und einzigartige Anpassungen an das Leben in der Arktis offenbar – beispielsweise die Fähigkeit, auch fettreiche Ernährung gut zu verstoffwechseln.

„Einer der größten Unterschiede zwischen einem Braunbären und einem Eisbären ist, dass der Eisbär eine spezifische genetische Anpassung hat, um viel Speck fressen zu können. Und wir sehen bei [Schlitten-]Hunden fast genau die gleiche Anpassung“, sagt Sinding.

Diese Veränderung lässt sich logisch herleiten, da die Inuit und die Menschen der Thule-Kultur in der Arktis sich selbst und ihre Hunde seit Jahrausenden von Meeressäugern ernähren. Die Wale und Robben, auf die sie Jagd machen, enthalten besonders viel Blubber – eine isolierende Fettschicht.

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    Die Wissenschaftler verglichen die DNA des Schochow-Hundes auch mit der eines noch älteren Caniden: einem sibirischen Wolf aus dem Pleistozän, der vor etwa 33.000 Jahren lebte. Zusammen mit Genomen von modernen Wölfen und domestizierten Hunden machte das Team einen weiteren bemerkenswerten Fund: Schlittenhunde wurden im Gegensatz zu anderen Rassen in den letzten 9.500 Jahren nicht mit Wölfen gekreuzt. Diese Erkenntnis ist besonders seltsam, weil indigene Völker Paarungen zwischen Wölfen und Hunden dokumentiert haben. Die Tatsache, dass im Genom der Grönlandhunde keine Spuren der Wolfsgenetik zu finden sind, lässt vermuten, dass die Hybriden entweder nicht so überlebensfähig waren oder dass Menschen sie aus irgendwelchen Gründen bewusst nicht gezüchtet haben.

    Die Forschung offenbarte außerdem, dass in den Genomen der Schlittenhunde Mutationen enthalten sind, die mit ihrer kalten Lebenswelt zusammenhängen – beispielsweise das Laufen und Ziehen von Schlitten unter sauerstoffarmen Bedingungen.

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    „Sie sind also auch dann noch zu körperlichen Anstrengungen in der Lage, wenn sie nicht verschnaufen können“, sagt Elaine Ostrander, eine Genetikerin an den National Institutes of Health, die die Genome von Hunden untersucht, aber nicht an der Studie beteiligt war.

    Eine andere Mutation erlaubt es Schlittenhunden, ihre Körpertemperatur in hohem Maße selbst zu regulieren, sagt Ostrander. Das ist nicht nur notwendig, um in der Kälte zu überleben, sondern auch, um sich nach einer Belastungsphase abzukühlen.

    Diese Anpassung hat eine verblüffende Ähnlichkeit zum Wollhaarmammut. Das ausgestorbene Tier war ebenfalls an die Kälte angepasst und in der Lage, seine Temperatur fein zu regulieren, sagt Sinding.

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    Spannenderweise sind solche Merkmale bei heutigen Hunden immer noch vorhanden. Für Haustierhalter kann das – vor allem bei reinrassigen Tieren – eine gute Orientierungshilfe bieten.

    „Neben all den geografischen und evolutionären Zusammenhängen, die sie [in der Studie] herstellen“, sagt Ostrander, „ist der Zusammenhang zu unserer heutigen Sicht auf unsere Haustiere wirklich wichtig.“

    Auf der Grundlage der Gene der Tiere rät Sinding Schlittenhundebesitzern beispielsweise, stärkehaltige, kohlenhydratreiche Nahrung zu vermeiden. „Geben Sie ihnen Eiweiß und Fett“, sagt er. „Darauf sind sie entwicklungsgeschichtlich angepasst.“

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    Ebenso zeigt die Studie, dass sich diese Hunde auf Bewegung ausgelegt sind, und nicht, um „den ganzen Tag in einer Wohnung runzusitzen“, so Ostrander. Sie empfiehlt viel Auslauf und aufgabenbasierte Spiele.

    Darüber hinaus sollten Haustierhalter auch das Klima berücksichtigen, bevor sie sich für einen neuen Welpen entscheiden, sagt sie. Schlittenhunde überhitzen leicht und sind in heißem oder feuchtem Klima träger. Aber sobald man „sie in den Schnee lässt, sieht man, wie glücklich sie sind“, sagt sie.

    Als Nächstes möchte Sinding ergründen, was sich in der Hundeevolution zeitlich zwischen den Schlittenhunden von Schochow und den Hunden der Gegenwart abspielte.

    „Es gibt eine Lücke von 9.500 Jahren“, sagt er. „Zwischen diesen beiden Punkten liegt so viel Geschichte, und die wollen wir erforschen.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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