Hunde könnten „Frühwarnsystem“ für chemische Belastung sein

Menschen und Hunde scheinen im Haushalt die gleiche Menge an Chemikalien aufzunehmen – aber bei Hunden treten gesundheitliche Folgen deutlich früher auf.

Von Carrie Arnold
Veröffentlicht am 16. Juni 2020, 14:51 MESZ
Haushunde und Menschen haben viel gemeinsam – unter anderem leider auch etliche Krankheiten, insbesondere Krebsarten.

Haushunde und Menschen haben viel gemeinsam – unter anderem leider auch etliche Krankheiten, insbesondere Krebsarten.

Foto von Robin Siegel, Nat Geo Image Collection

Durch mehr als 10.000 Jahre der Domestikation sind Hunde dem Menschen auffallend ähnlich geworden. Das fängt bei ihrer Fähigkeit an, unsere Gesichtsausdrücke zu lesen, und reicht bis zu unseren eng verwandten Genomen. Nun offenbart eine Studie, dass Hunde und Menschen auch die gleichen toxischen Chemikalien in ihrem Körper tragen. Die Entdeckung könnte möglicherweise auch zur Vorbeugung menschlicher Erkrankungen beitragen.

Zahlreiche alltägliche Gegenstände, von Lebensmittelverpackungen bis hin zu Kosmetika, enthalten schädliche Substanzen wie Pestizide, Flammschutzmittel und Phthalate, die zur Weichmachung von Kunststoffen verwendet werden. Wer diesen drei chemischen Gruppen langfristig und chronisch ausgesetzt ist, scheint ein höheres Risiko für diverse Krankheiten zu haben, darunter mehrere Krebsarten.

Da uns Hunde sehr ähnlich sind und unseren Lebensraum mit uns teilen, führten Wissenschaftler die erste Untersuchung darüber durch, wie sich Industriechemikalien auf Menschen und im gleichen Haushalt lebende Haushunde auswirken.

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Dabei kamen spezielle Armbänder und Hundemarken aus Silikon für Hund und Herrchen zum Einsatz. Über diese relativ neue Technologie entdeckte das Team bemerkenswerte Ähnlichkeiten bei der chemischen Belastung der Hunde und ihrer Besitzer. Nachzulesen sind die Studienergebnisse in der Fachzeitschrift „Environmental Science and Technology“.

Die Ergebnisse seien ermutigend, sagt die Studienleiterin Catherine Wise, denn sie würden zeigen, dass Hunde als Frühwarnsysteme für die menschliche Gesundheit fungieren können und wertvolle Hinweise auf die schädlichen Auswirkungen dieser Chemikalienbelastung liefern.

Es dauert oft Jahrzehnte, bis chemisch bedingte Krankheiten beim Menschen sichtbar werden. Die Auswirkungen auf Haustiere können sich hingegen schon nach einigen Jahren zeigen, sagt Wise, eine Doktorandin an der North Carolina State University. Wenn Wissenschaftlerinnen zum Beispiel herausfänden, dass Phthalate bei Hunden konsequent zu Krebs führen, könnten sie entsprechende Richtlinien für einen wachsamen Umgang des Menschen mit diesen Kunststoffen erarbeiten.

Wise fügt hinzu, dass ihre Forschung aufgrund der Coronavirus-Pandemie jetzt besonders relevant sei.

„Die meisten von uns müssen nun viel mehr Zeit zu Hause verbringen, wo auch unsere Hunde sind“, erklärt sie. „Unsere gemeinsame Umgebung war noch nie so wichtig wie jetzt.“

Gleiche Belastung bei Hund und Mensch

Dass sich chemische Belastungen auch auf unsere Haustiere auswirken, überrascht nicht. Unerwartet war hingegen, wie eng diese Belastungen bei Mensch und Hund zusammenhingen und wie sie sich über die Lebensdauer eines Haustiers auswirkten, sagt der Co-Autor der Studie, Matthew Breen, ein Experte für Hundekrebs an der North Carolina State University.

„Bei Hunden treten sehr ähnliche Krebsarten auf. Würde es daher nicht Sinn machen, dass die Hunde sich in dieser Situation befinden, weil sie die gleiche Umgebung teilen?“, sagt Breen. „Ein Hund atmet dieselbe Luft und trinkt dasselbe Wasser. Und wenn wir einen Ball durch den Park werfen, rennt ein Hund über dasselbe mit Herbiziden behandelte Gras.“

BELIEBT

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    Für die Studie verschickten Breen und Wise Silikonarmbänder und Hundemarken an 30 Mensch-Hund-Paare in New Jersey und North Carolina. Sie baten die Studienteilnehmer darum, sie im Juli 2018 fünf Tage lang zu tragen. Danach schickten Teilnehmer die Produkte wieder an Wise und Breen zurück. Die Forscher weichten die Armbänder und Anhänger dann in einem chemischen Lösungsmittel ein, um die gesammelten Verbindungen zu extrahieren.

    Die Schadstoffwerte waren bei Hunden und Menschen gleich hoch. So fanden die Wissenschaftler beispielsweise eine Art polychloriertes Biphenyl (PCB) in 87 Prozent der menschlichen Armbänder und in 97 Prozent der Hundemarken. Bevor die US-Regierung ihre Verwendung 1979 verbot, wurden diese Chemikalien häufig als elektronische Kühlflüssigkeiten eingesetzt und in einer Vielzahl von industriellen Prozessen verwendet.

    Das Silikon ist deshalb so wirksam, weil es Chemikalien ähnlich wie menschliche Zellen passiv absorbiert. Dadurch erhalten die Wissenschaftler nicht nur einen Eindruck davon, mit welchen Chemikalien eine Person in Kontakt kommt, während sie das Armband trägt, sondern auch von der Menge. Früher konnten Wissenschaftler nur Chemikalien nachweisen, die sich in Blut und Urin befanden, erklärt Kim Anderson. Die Umwelttoxikologin an der Oregon State University hat die Armbandtechnologie entwickelt.

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    „Sie und ich können genau der gleichen Sache zur genau gleichen Zeit ausgesetzt sein, aber das wird sich in unserem Urin sehr unterschiedlich widerspiegeln“, sagt Anderson. Gerade das mache es schwer nachvollziehbar, welcher Menge einer Chemikalie jemand ausgesetzt war.

    Anderson betont allerdings, dass diese Art von Studien nicht beweisen können, dass eine bestimmte Verbindung ein bestimmtes Ergebnis verursacht. Sie können lediglich Korrelationen aufzeigen.

    Zusammenhänge auch bei anderen Tierarten

    Diese Forschung baut auf früheren Arbeiten an anderen Tieren auf, zu denen unter anderem Pferden und Katzen gehören. Im Jahr 2019 entdeckte Anderson einen Zusammenhang zwischen Flammschutzmitteln und feliner Hyperthyreose, einer Schilddrüsen-Erkrankung bei Katzen. Womöglich liegt das daran, dass Katzen gerne auf Polstermöbeln liegen, die oft mit Flammschutzmitteln behandelt sind.

    Anderson hat das Silikonarmband auch in Form eines Halsbands für Pferde adaptiert. Im April 2020 veröffentlichte sie eine Studie, die einen starken Zusammenhang zwischen kranken Fohlen und Chemikalien aufzeigte, die bei einer nahegelegenen Fracking-Anlage in Pennsylvania freigesetzt wurden.

    Nun, da Wise und Breen diesen Zusammenhang bei Hunden festgestellt haben, wollen sie dieselbe Methode anwenden, um zu untersuchen, wie Chemikalien mit Blasenkrebs bei Hunden zusammenhängen. Frühere Forschungen haben bereits gezeigt, dass es eine Korrelation zwischen der Belastung mit Rasenherbiziden und der Entwicklung von Blasenkrebs bei Hunden besteht.

    Vorerst sind allerdings keine Laborarbeiten möglich. Im Moment ist Wise noch zu Hause und jagt ihrem Hund Simbaa aus der Tierrettung hinterher. „Sie leistet mir Gesellschaft und schaut bei meinen Zoom-Meetings vorbei, wo sie mit unseren beiden Katzen Loki und Nebula um das Rampenlicht konkurriert.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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