Tod in der Bucht von Taiji: Japan macht Jagd auf Delfine
Trotz internationaler Proteste von Tierschützern wird in der japanischen Taiji-Bucht weiterhin Treibjagd auf Delfine gemacht. Inzwischen hat sie als Blutbucht traurige Berühmtheit erlangt.
Am ersten Tag der Delfinjagd in Taiji wird eine Gruppe Tümmler in die Bucht getrieben. Die Fischer bereiten ihre Netzte vor, während die Küstenwache (im Vordergrund) die Situation beobachtet.
Jahr um Jahr kommt mit dem September der Tod in die japanische Küstenstadt Taiji. Er bleibt sechs Monate, bis zum März des folgenden Jahres. Die Fischer der Stadt fahren mit ihren Booten hinaus aufs Meer, im Visier der Jäger: Tümmler, Blau-Weiße Delfine, Rundkopfdelfine und Breitschnabeldelfine.
Laut dem Dolphin Project, einem Interessenverband aus Kalifornien, werden einige der Tiere gefangen, und an Meerfreizeitparks und Delfinarien in Japan oder China verkauft – die meisten jedoch werden geschlachtet. Für die diesjährige Saison hat die japanische Regierung 1.849 Delfinen neun verschiedener Arten für den Fang oder die Tötung freigegeben. Die Quote ist extrem hoch – schon in den vergangenen Jahren blieben die Fischer mehrere hundert Delfine unter der vorgegebenen Obergrenze.
Der Aktivist Ren Yabuki von der japanischen Tierschutzorganisation Life Investigation Agency ist seit Beginn der Jagdsaison in der Bucht vor Ort. Er filmt die Jagd und veröffentlicht in Zusammenarbeit mit dem Dolphin Project über Social-Media-Kanäle die aktuellen Fangzahlen. Er ist nun schon zum sechsten Mal in Folge in Taiji.
„Es macht mich so wütend zu sehen, wie die Delfine aus dem offenen Meer in die Bucht getrieben werden“, sagt er. „Diese Tiere haben niemandem etwas getan und werden plötzlich aus ihren Familien gerissen. Sie werden vor den Augen ihrer Kinder, ihrer Geschwister, ihrer Schule eingefangen, um in irgendeinem Aquarium zu enden – oder einfach gleich getötet.“
Im Jahr 2009 konnte die Welt im Oscar-prämierten Dokumentarfilm „Die Bucht“ dabei zusehen, wie die Fischer von Taiji hunderte Delfine einkesseln und in die Bucht treiben, um sie dort zu fangen oder zu schlachten. Der Aufschrei war groß.
Mitarbeitende des Taiji-cho Whale Museums halten eine Gedenkfeier für Wale ab. Das Museum, das die Geschichte des Walfangs in der Region zeigt, kauft regelmäßig Delfine, die in der Bucht von Taiji gefangen wurden, und bietet seinen Besuchern die Möglichkeit, mit Delfinen zu schwimmen, sich Dressurshows mit den Tieren anzusehen und ihr Fleisch zu kaufen.
Die Gemeindeverwaltung von Taiji antwortete auf Nachfragen von National Geographic nicht. Sie hat sich aber in der Vergangenheit in anderen Medien zu dem Thema geäußert und die 400 Jahre alte Tradition der Delfinjagd immer wieder verteidigt. In den Augen der Kritiker hat das, was Jahr für Jahr in der Bucht vor Taiji passiert, jedoch nichts mit jahrhundertealten Traditionen zu tun: Nicht nur sind die heutigen Jagdmethoden – etwa das Einkreisen ganzer Schulen mithilfe von mehreren Motorbooten – alles andere als traditionell. Auch das Fangen von lebenden Delfinen mit dem Ziel, sie an Delfinarien zu verkaufen, sucht man in der Geschichte der Delfinjagd vergeblich.
Dazu kommen die Tötungsmethoden: Laut Augenzeugenberichten von Freiwilligen des Dolphin Projects töten die Fischer die Delfine in den meisten Fällen, indem sie sie unterhalb des Blaslochs mit langen Lanzen aufspießen und dabei das Rückenmark durchtrennen. Es kommt allerdings vor, dass diese Verletzung nicht unmittelbar tödlich ist. Es wurden Delfine beobachtet, die sich nach dem Stich noch bewegten und qualvoll verendeten. Es wird außerdem berichtet, dass Delfinkälber nach dem Tod ihrer Mutter wieder im Meer ausgesetzt werden, obwohl bekannt ist, dass sie allein nicht überleben können.
Galerie: 10 Delfin-Familienfotos
In Taiji erfreut sich Delfinfleisch nach wie vor großer Beliebtheit, doch im Rest Japans hat die Nachfrage in den vergangenen Jahren stark nachgelassen. Viele Lieferanten und weiterverarbeitende Betriebe mussten inzwischen schließen.
Der Verkauf eines lebenden Delfins ist somit für seinen Jäger inzwischen deutlich lukrativer: Ein zum Verzehr getöteter Delfin bringt um die 430 Euro, für einen lebenden Tümmler zahlt ein Delfinarium laut Recherchen der „Washington Post“ zwischen 6.800 bis 10.200 Euro.
Das Dolphin Project berichtet, dass pro Jahr im Schnitt zwischen 100 und 200 Delfine für Delfinarien gefangen werden. In Japan sind 70 Delfinarien in Betrieb – mehr als in jedem anderen Land der Welt. Laut Tim Burns, Koordinator des Dolphin Projects in Taiji, ist Japan selbst der weltweit größte Markt für die lebenden Tiere, die in Taiji gefangen werden.
Tod oder Delfinarium
Nachdem die Öffentlichkeit und der internationale Dachverband der Zoos und Aquarien, World Association of Zoos and Aquariums (WAZA), erheblichen Druck auf sie ausgeübt hatte, verbat die Japanese Association of Zoos and Aquariums (JAZA) im Jahr 2015 ihren Mitgliedern den Erwerb von Delfinen aus der Taiji-Bucht. Einige japanische Delfinarien traten daraufhin aus dem Verband aus, um das Verbot umgehen zu können.
Tiertrainer der Delfinarien wählen gemeinsam mit den Fischern aus den Tieren, die in die Bucht getrieben wurden, gezielt einzelne Delfine aus, die sich gut für den Einsatz im Delfinarium eignen. „Die Fischer steuern eine Herde aus acht Tieren an, unter denen vielleicht ein junges Weibchen ist, das dressiert werden soll“, erklärt Tim Burns. „Die anderen sieben Tiere werden abgeschlachtet.”
Das Team von Dolphin Project erwartet, dass viele der Delfine, die in der Saison 2021/2022 gefangen werden, im staatlichen Taiji-cho Whale Museum und in der Moriura-Bucht landen werden. Berichten der „Japan Times“ zufolge, werden in der Moriura-Bucht zwischen 100 und 200 Tiere im Auftrag der Regierung in Unterwasserställen gehalten – die Bestände werden durch die Treibjagd in Taiji regelmäßig aufgefüllt. Im Whale Museum hat der Souvenirshop für seine Besucher Wal- und Delfinfleisch im Angebot: Zum Beispiel als Snack zum Verzehr während einer der Delfinshows.
Die Stadt Taiji plane, die Moriura-Bucht langfristig in ein riesiges Delfinbecken umzubauen, so die „Japan Times“. „Taiji investiert viel: Sowohl in die Moriura-Bucht als auch in den Aufbau eines eigenen Delfinbestands“, sagt Tim Burns. Indem die Stadt im Museum und in der Bucht selbst Delfine züchtet, sorge sie dafür, dass selbst dann, wenn der öffentliche Druck zu groß wird und die Jagd in der Taiji-Bucht eingestellt werden muss, der Handel mit Delfinen weitergehen kann.
Die Stadt Taiji plane, die Moriura-Bucht langfristig in ein riesiges Delfinbecken umzubauen, so die „Japan Times“. „Taiji investiert viel: Sowohl in die Moriura-Bucht als auch in den Aufbau eines eigenen Delfinbestands“, sagt Tim Burns. Indem die Stadt im Museum und in der Bucht selbst Delfine züchtet, sorge sie dafür, dass selbst dann, wenn der öffentliche Druck zu groß wird und die Jagd in der Taiji-Bucht eingestellt werden muss, der Handel mit Delfinen weitergehen kann.
Das Whale Museum in Taiji reagierte nicht auf Anfragen von National Geographic.
Tierschutz in Japan
Aus verschiedenen kulturellen und rechtlichen Gründen ist öffentlicher Protest in Japan im Vergleich zu anderen Ländern selten. Dementsprechend fallen japanische Demonstrationen gegen die Treibjagd in Taiji zurückhaltender aus als anderswo: auf krasse, blutige Bildsprache wird gewöhnlich verzichtet. Doch auch, wenn der Protest ein stiller ist, wird er von immer mehr Japanern unterstützt. Laut Berichten von „Japan Forward“ erschienen im Jahr 2021 am ersten Jagdtag mehrere Dutzend Tierschützer in Taiji. Auf ihren Schildern standen Botschaften wie „Lasst Delfine frei schwimmen“ und „Liebe alle Tiere“.
„Die Delfinjagd und der Delfinhandel in Taiji sind zu hundert Prozent in japanischer Hand. Also sind es die Menschen in Japan, die etwas dagegen unternehmen müssen“, sagt Ren Yabuki. „Wir hoffen, dass die Dokumentation der Jagd und das Aufdecken der Verbindung dieser Tierquälerei mit Aquarien und Meerparks die Leute dazu bringen wird, solche Einrichtungen nicht mehr zu besuchen.“
Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.
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