Klimakiller Landwirtschaft: Wie Anbauflächen optimal verteilt sein sollten
Weniger Treibhausgase, kaum Wasserverbrauch, mehr Biodiversität: Die globale Umstrukturierung von Ackerland und Umsiedlung von Nutzpflanzen könnten gleich mehrere Vorteile haben.
Weltweit gelten rund die Hälfte der eisfreien Flächen als Ackerland. Es ist also kaum verwunderlich, dass die Landwirtschaft zu einem großen Teil mitverantwortlich für den Verlust biologischer Vielfalt ist.
Die Landwirtschaft: Ohne sie geht es nicht. Doch die Probleme, die sie mit sich bringt, sind nicht von der Hand zu weisen. Sie ist nicht nur für großflächige Veränderungen von Ökosystemen verantwortlich, sondern gilt auch als einer der Hauptverursacher menschengemachter Treibhausgasemissionen. Etwa 70 Prozent des weltweiten Süßwasserverbrauchs gehen auf ihr Konto und führen vor allem in von Dürre geplagten Weltregionen zu Trinkwasserknappheit. Gleichzeitig steigen die Bevölkerungszahlen und damit auch der Bedarf an Nahrungsmitteln. Ein ökologischer Teufelskreis.
Nun haben Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen unter der Leitung von Robert M. Beyer vom Potsdam Institute for Climate Impact Research (PIK) untersucht, inwiefern mit einer Verlagerung von Ackerland die negativen Auswirkungen der Landwirtschaft abgefedert werden könnten. Ihre Studie ist in der Zeitschrift nature erschienen.
Kernstück der Veröffentlichung ist eine Karte, die globale Ernteertrags- und Umweltdaten mit aktuellen Anbaugebieten verschiedener Kulturpflanzen kombiniert. Sie zeigt eine optimale Verteilung der weltweiten Ackerflächen, die einen maximalen Ernteertrag verspricht. Bei der Erstellung der Karte wurden aber auch die Minimierung von CO2-Emissionen, der Erhalt der Biodiversität und die möglichst natürliche Bewässerung berücksichtigt. Außerdem bezogen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen neben den aktuellen klimatischen Bedingungen auch die zu erwartenden zukünftigen Veränderungen und die durch den Klimawandel nötigen Anpassungen mit ein.
Länderübergreifende Verteilung der Anbauflächen: So sähe die optimierte Verlagerung des Ackerlands und der Nutzpflanzen über nationale Grenzen hinweg aus.
Optimale Anbaugebiete und nötige Renaturierung
Der Studie zufolge könnten die derzeitig landwirtschaftlich genutzten Flächen unter Berücksichtigung aller Punkte um mehr als die Hälfte reduziert werden. Durch eine optimierte Nutzung des Ackerlands könnte der Ausstoß von Kohlenstoff um 71 Prozent und negative Effekte auf die Biodiversität um 87 Prozent reduziert werden. Künstliche Bewässerung wäre gar nicht mehr nötig. Gleichzeitig würde ein gezielter Einsatz von Saatgut dazu führen, dass der Nahrungsmittelbedarf der Weltbevölkerung trotzdem gedeckt werden könnte. Die Forschenden begründen dies damit, dass aktuell nicht an allen Produktionsstandorten die passenden Kulturpflanzen angebaut werden. So sei beispielsweise der derzeitige Anbau von Weizen, Gerste und Mais in Kalifornien wenig sinnvoll und führe zu unverhältnismäßig großen negativen Auswirkungen auf die Umwelt.
Das Team hat mehrere Anbaugebiete identifiziert, die sich besonders als große Cluster zur landwirtschaftlichen Nutzung anbieten. Dazu gehören die Flächen rund um den Corn Belt im Mittleren Westen der USA, ein Längsstreifen südlich der Sahelzone in Subsahara-Afrika, Gebiete im Nordosten Argentiniens nebst angrenzenden Regionen sowie der Nordosten Chinas. Für den europäischen Kontinent sei nach wie vor die Region rund um die Ukraine für die landwirtschaftliche Nutzung am geeignetsten.
Ausschlaggebend bei der Auswahl waren Robert M. Beyer zufolge die hohen potenziellen Regenfelderträge und die relativ geringen Umweltauswirkungen, die die Nutzung von Ackerland in diesen Gebieten hat. Trotz des Klimawandels würden diese ausgewiesenen optimalen Klimazonen weitestgehend bis zum Ende des Jahrhunderts bestehen bleiben. Infolge klimatischer Veränderungen würden sie sich nur in kleinen Maßen vergrößern oder verkleinern und auf lange Sicht für einen maximalen Ernteertrag in Frage kommen.
Ganz im Gegensatz zu großen Teilen Europas und Indiens. Dort brächte eine optimierte Verteilung der weltweiten Ackerflächen weitreichende Veränderungen mit sich: Im günstigsten Fall würden die meisten derzeitigen Ackerflächen großflächigen renaturiert werden. Auch die Regenwälder könnten aufatmen: Die optimalen Standorte für landwirtschaftliche Nutzung sind auf der Karte nur zu 0,2 Prozent mit den weltweiten Tropenwäldern deckungsgleich. Die heute in tropischen Lebensräumen genutzten Agrarflächen könnten demnach um 98 Prozent reduziert werden.
Großes Potenzial, offensichtliche Hürden
„Die weltweit steigende Nachfrage nach tierischen Produkten zerstört die Hoffnung auf einen baldigen kleiner werdenden ökologischen Fußabdruck der Landwirtschaft. Zumindest in naher Zukunft wird es keine gesellschaftliche Ernährungsumstellung und damit einhergehende positive Veränderungen geben”, heißt es in der Studie. Das Potenzial bisheriger technologischer, ressourceneffizienter Fortschritte werde durch den Bevölkerungszuwachs und den steigenden Pro-Kopf-Verbrauch ausgebremst.
Eine weitere Schwierigkeit bei der Umsetzung der optimierten Verteilung landwirtschaftlicher Flächen über Ländergrenzen hinweg stellen zudem politische und sozioökonomische Faktoren dar. Das Forscherteam ist sich dessen bewusst und verweist auf eine Vielzahl politischer Maßnahmen, die eine Umstrukturierung der Landwirtschaft – auch auf internationaler Ebene – nachhaltig begünstigen könnten.
Doch auch inländische Umstrukturierungen zugunsten ausreichender natürlicher Bewässerungsmethoden wären der Studie nach für 99,4 Prozent der Ackerflächen möglich. „Die daraus resultierenden weltweiten Auswirkungen auf Emissionen und Biodiversität könnten um 59 bis 77 Prozent geringer ausfallen, wenn jedes Land seine Verteilung von Ackerland unabhängig optimieren würde”, heißt es in der Studie. „Die räumliche Umverteilung der landwirtschaftlichen Produktion hat ein enormes Potenzial, die Umweltauswirkungen der globalen Nahrungsmittelproduktion zu reduzieren.”
Trotzdem hält Tim Rademacher, einer der Studienautoren von der Université du Québec en Outaouais, Kanada, eine vollständige Umsiedlung der weltweiten Ackerflächen für utopisch – zumindest in der nahen Zukunft. Doch auch kleine Schritte könnten bereits zu einer positiven Veränderung beitragen, wie er im Interview mit der Harvard Gazette erklärt: „Selbst, wenn wir nur fünf bis zehn Prozent der schlimmsten Umweltsünder umsiedeln, können wir – je nach Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung – die Umweltbelastung nach unserem Modell potenziell um die Hälfte reduzieren.”