Zeitkapseln aus Harz: Bernsteinexpertin Dr. Mónica Morayma Solórzano Kraemer im Porträt

Bernstein ist ein Tor in die Vergangenheit. Kaum jemand weiß das so gut wie Senckenberg-Forscherin Dr. Mónica Morayma Solórzano Kraemer. In dem versteinerten Baumharz sucht die Biologin und Paläontologin nach fossilen Lebensspuren.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 10. Okt. 2019, 15:15 MESZ
„Bernstein erzählt Geschichten“, weiß Mónica Morayma Solórzano Kraemer, Leiterin der Paläozoologie I am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt.
Foto von Marleen Friess

Urzeit-Milben, die Käfer als Taxis benutzten. Ameisen, die vor Millionen von Jahren unter einer Parasitenplage litten. Manchmal liefert ein erstarrter Harztropfen den Stoff für ein ganzes Doku-Drehbuch. „Bernstein erzählt Geschichten“, sagt Mónica Morayma Solórzano Kraemer, Leiterin der Paläozoologie I am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt. „Diese Geschichten zu entschlüsseln und darzustellen, ist für mich als Biologin einmalig.“ Mit geradezu kriminalistischem Spürsinn nimmt sie für das Senckenberg-Grabungsprojekt „Edmonds Urzeitreich“ Bernsteinproben unter die Lupe, die an der Edomontosaurus-Grabungsstelle in Wyoming gefunden wurden.

„Bislang weiß man noch gar nichts über diese Bernsteinlagerstätte“, betont die Insektenforscherin. Kein Wunder, dass die Erwartungen groß sind. Denn das fossile Baumharz liefert unter anderem wertvolle Informationen über die Zusammensetzung der Wälder zur Kreidezeit vor rund 70 Millionen Jahren. Finden sich darüber hinaus im Bernstein eingeschlossene Fossilien, können die Forscher auf weitere spannende Erkenntnisse hoffen.

Über Jahrmillionen perfekt konserviert

Meist handelt es sich bei solchen Inklusen um Pflanzenteile oder wirbellose Tiere wie etwa Insekten. Vor Jahrmillionen wurden sie von tropfendem Baumharz umschlossen und so bis heute wie in einer Zeitkapsel konserviert. „Falls wir Inklusen finden, können wir den Lebensraum der Dinosaurier genauer beschreiben“, erklärt Solórzano Kraemer. „Wir werden Aussagen über Insekten, Pflanzen und damit auch über die klimatischen Bedingungen treffen können.“ Klassische Instrumente wie das Mikroskop kommen bei den Untersuchungen ebenso zum Einsatz wie hochmoderne Elektronenbeschleuniger, um Bernsteinproben zu röntgen.

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    Das Bernstein-Fieber hat Solórzano Kraemer vor über 22 Jahren in ihrem Geburtsland Mexiko gepackt. Seitdem führten sie ihre Forschungsexpeditionen um die halbe Welt – heikle Situationen inklusive. „Nicht ganz ungefährlich ist der Umgang mit Bernstein dadurch, dass es sich in vielen Ländern um einen wenig oder gar nicht regulierten Wirtschaftszweig handelt“, sagt die 42-Jährige. „Ich bin schon in brenzligen Straßensperren gelandet oder konnte bestimmte Fundstellen nicht aufsuchen, weil es vorab im Umfeld zu Waffengewalt kam.“

    Short Facts: Dr. Mónica Morayma Solórzano Kraemer

    Bei ihren Untersuchungen setzt Bernsteinexpertin Mónica Morayma Solórzano Kraemer auf klassische Instrumente wie das Mikroskop und hochmoderne Röntgengeräte wie den Elektronenbeschleuniger.
    Foto von Marleen Friess

    Forschungs- und Aufgabenbereich: Biologin und Paläontologin, Leiterin der Paläozoologie I am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt

    Berufsweg: Promovierte Biologin, Paläontologin. Wissenschaftliche Schwerpunkte: Entomologie (Insektenkunde) und Bernsteinforschung

    Beitrag zum aktuellen Edmontosaurus-Projekt „Edmonds Urzeitreich“: Spektralgeochemische Untersuchung von Bernstein zur Bestimmung der harzproduzierenden Bäume. Untersuchung möglicher eingeschlossener Lebewesen

    Technische Tools: Von analogen Instrumenten bis zu modernsten Hochleistungstechnologien: Darunter fallen zum Beispiel das klassische Mikroskop, Elektronenbeschleuniger, um Bernstein zu röntgen, Insektenfallen, Alkohol zur Konservierung oder auch Knete, um Bernstein am Mikroskop zu fixieren.

    Wichtige Forschungsergebnisse: Erstmalige Zusammenfassung, welche Insekten und Spinnen der mexikanische Bernstein erhält. Erkenntnis, dass Bernstein nur einen kleinen Prozentsatz der Insekten und Spinnen fangen kann.

    Spannende Forschungserlebnisse: Unbekannte Orte und unbekannte Natur kennenzulernen, zum Beispiel der Einstieg in eine Bernstein-Mine in der Dominikanischen Republik, der Araukarienwald in Neukaledonien im Pazifik oder die Begegnung mit Lemuren auf Madagaskar

    Lieblingsfossil: Die Fliegenfamilie der „Phoridae“. Klingt womöglich unspektakulär, ist aber unglaublich artenreich und divers. Ihre Geschichte ist in Bernstein gut zu erforschen. Und es gibt sie noch heute.

    Leidenschaften neben der Paläontologie: Joggen und Abenteuer: „Im Sommer überquere ich mit meiner Familie zu Fuß die Alpen.“

     

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