Erklärt: Wie funktionieren Viren?

Woher kamen die ersten Viren, wie verbreiten sie sich und was macht Riesenviren so besonders?

Von Maya Wei-Haas
Veröffentlicht am 18. März 2020, 14:09 MEZ
Bakteriophagen sind Viren, die Bakterien befallen und sich in ihnen replizieren.
Bakteriophagen sind Viren, die Bakterien befallen und sich in ihnen replizieren.
Foto von ILLUSTRATION BY NOBEASTSOFIERCE SCIENCE, ALAMY

Viren sind sonderbare Dinge. Die winzigen Eindringlinge zählen den meisten gängigen Definitionen nach nicht zu den Lebewesen. Aber so richtig leblos sind sie auch nicht: Seit Milliarden von Jahren reproduzieren und verändern sie sich und spielten womöglich auch eine Rolle bei der Entstehung der ersten komplexen Lebensformen.

Die kleinen organischen Strukturen können zahlreiche Funktionen erfüllen und die unterschiedlichsten Auswirkungen auf die Gesundheit haben – ihr Aufbau ist aber recht simpel: Jeder Virus enthält genetisches Material in Form von DNA oder RNA, das von einer Proteinhülle (Kapsid) umgeben ist. Einige Viren haben noch eine zusätzliche Virenhülle aus einer Lipiddoppelschicht. Außerdem sind Viren wirklich winzig, maximal ein paar hundert Nanometer groß. Damit sind sie kleiner als die meisten Bakterien, die mitunter nur ein Zehntel so groß sind wie ein Blutkörperchen eines Menschen. Das bedeutet, dass man die meisten Viren selbst unter einem Lichtmikroskop nicht sehen kann.

Eine Ausnahme bildet die Gruppe der Riesenviren, die teils erstaunliche große Genome haben. Deshalb sind sie mehrere hundert Mal so groß wie die meisten Viren. Ihre Kapside können bis zu 500 Nanometer messen, der gesamte Virus bis zu 750 Nanometer.

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Wie vermehren sich Viren?

Aufgrund ihres einfachen Aufbaus können sich Viren nicht ohne eine Wirtszelle bewegen oder replizieren. Wenn ein Virus erst mal einen Wirt findet, kann es sich jedoch rapide vermehren und verbreiten.

Um einen passenden Wirt ausfindig zu machen, haben Viren Rezeptoren an ihrer Oberfläche, die zu denen einer geeigneten Zielzelle passen. Über solche Rezeptoren kann ein Virus sein genetisches Material ins Innere der fremden Zelle schleusen und dort die Zellmaschinerie kapern, um sich zu reproduzieren. Dafür werden das Erbmaterial und die Proteine des Virus vervielfältigt.

Mit dieser Strategie konnten sich die kleinen Eindringlinge über die Zeit in einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit ihren Wirten weiterentwickeln. Einer Schätzung zufolge gibt es mindestens 320.000 verschiedene Viren, die Säugetiere befallen können – und selbst diese Zahl könnte noch eine konservative Schätzung sein. Diese Armee an Viren kann von Husten bis hin zu tödlichen inneren Blutungen eine Vielzahl an Symptomen auslösen. Manche Viren sorgen sogar für unkontrolliertes Zellwachstum, aus dem Krebs entstehen kann, wie beispielsweise Humane Papillomviren, die Gebärmutterhalskrebs auslösen können.

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    Wie verbreiten sich Viren?

    Im Inneren ihrer Wirtszelle können Viren zahlreiche Kopien von sich erstellen, über die sich die Infektion auf andere Zellen ausbreitet. Bei einer Grippe befinden sich schon wenige Tage nach der Infektion ein paar hundert Billionen Viren im Körper – mehr als 10.000 Mal so viel, wie es Menschen auf der Erde gibt.

    Wie genau Viren von einer Person zur nächsten übertragen werden, hängt von der jeweiligen Art ab. Viele Viren werden über Tröpfcheninfektion verbreitet, wenn infizierte Menschen beispielsweise niesen oder husten. Wie schnell sich diese Viren über die Luft verbreiten, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Grippeviren scheinen in einer kalten, trockenen Umgebung beispielsweise länger zu überleben, weshalb die Grippesaison hierzulande in die kalte Jahreshälfte fällt. In tropischen Regionen scheint hingegen die hohe Luftfeuchtigkeit dazu beizutragen, dass die Krankheit von Mensch zu Mensch übertragen wird.

    Andere Viren werden am ehesten über Kontakt mit anderen Körperflüssigkeiten übertragen. Das Ebolavirus verbreitet sich beispielsweise über infiziertes Blut, Fäkalien und Erbrochenes. Forscher glauben, dass sich Ebola im Gegensatz zu vielen anderen Viruserkrankungen nicht über die Luft verbreiten kann, wenn infizierte Menschen husten oder niesen.

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    Es gibt auch Viren, die sich über Zwischenwirte verbreiten. Das können beispielsweise Mücken sein, die Menschen durch einen Stich infizieren. Ein Beispiel für so eine Erkrankung ist das Dengue-Fieber, das eine potenziell tödliche Infektion mit grippeähnlichen Symptomen auslöst. In den letzten Jahren ist das Risiko für diese Krankheit wieder angestiegen: Momentan ist laut der WHO etwa die Hälfte der Weltbevölkerung davon bedroht. Weitere Beispiele für Viren, die von Mücken übertragen werden, sind das Zika-Virus, das Chikungunya-Virus und das West-Nil-Virus.

    Woher kamen die ersten Viren?

    Manche Wissenschaftler glauben, dass Viren auf der Zeitleiste der Evolution erst relativ spät in Erscheinung traten. Womöglich entstanden sie aus den Resten von Zellen, die aus irgendeinem Grund die Eigenschaft verloren hatten, sich selbst zu reproduzieren. Andere Experten vermuten eher, dass Viren schon vor den ersten Lebewesen der Erde existierten.

    Riesenviren sind im Vergleich zu ihren winzigen Verwandten überraschend unabhängig. Sie könnten die Bausteine für das vielfältige Leben geliefert haben, das heute auf der Erde existiert. Einer Hypothese zufolge entstanden die ersten komplexeren Lebensformen aus einer Zelle, die ein Virus einschloss – oder alternativ aus einer fehlgeschlagenen Zellübernahme. Das Ergebnis war in jedem Fall, dass das Virus dauerhaft in der Zelle verblieb und den ersten Zellkern bildete.

    Bis heute sind sich Wissenschaftler nicht darüber einig, ob Viren zu den Lebewesen gezählt werden können. Um dieser Definition zu entsprechen, muss ein Organismus in der Lage sein, zu wachsen, sich fortzupflanzen und selbstständig Energie zu produzieren. Einige Forscher sind auch der Meinung, dass Lebewesen zusätzlich auf Reize reagieren und sich im Laufe der Zeit weiter entwickeln können müssen. Viren können keine eigene Energie produzieren, und auch, wenn sie sich mithilfe eines Wirts reproduzieren und weiterentwickeln können, sind diese Fähigkeiten eben an das Vorhandensein eines solchen Werts gebunden.

    Albert Erives von der University of Iowa vergleicht Viren deshalb eher mit Ranken, die sich um die zahlreichen Äste des Lebensbaums winden. Sie können Lebewesen auf jedem dieser Äste erreichen und infizieren und so bis zur Spitze des Baums vordringen, während sie sich im Laufe der Zeit Kopf an Kopf mit ihren ahnungslosen Wirten weiterentwickeln.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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