Kreidezeit: Asteroid löst Massensterben aus – und rettet das Klima?

Der Asteroideneinschlag vor 66 Millionen Jahren löschte die meisten Dinosaurier und auch große Teile des maritimen Lebens aus. Das könnte laut einer großangelegten Studie eine Begrenzung der damaligen Erderwärmung zur Folge gehabt haben.

Von Tim Vernimmen
Veröffentlicht am 6. Sept. 2021, 09:52 MESZ
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Pterosaurs fly over a volcanic landscape during the mass extinction event that killed the nonavian dinosaurs.
Foto von Illustration by Stocktrek Images, Nat Geo Image Collection

Als vor 66 Millionen Jahren ein gigantischer Asteroid auf der Erde einschlug, hinterließ er nicht nur den Chicxulub-Krater mit einem Durchmesser von fast 180 Kilometern auf der Yucatán-Halbinsel. Er verursachte bekanntermaßen auch ein weltweites Massensterben. Der Impakt mit der Kraft von mindestens 200 Millionen Hiroshima-Bomben schleuderte mehr als 50.000 Kubikkilometer glühende Carbonat- und Evaporitgesteinsfragmente bis in die Stratosphäre. Zurück auf der Erde setzten diese große Flächen in Brand, Ruß- und Staubpartikel verdunkelten über Monate die Sonne und leiteten einen globalen Winter ein, der über mehrere Jahrzehnte anhielt und die Ozeane versauern ließ. Als der Nebel der Apokalypse sich lichtete, waren drei Viertel aller Spezies, die die Erde bis dahin bewohnt hatten, tot – die meisten Dinosaurierarten miteingeschlossen.

Rückblickend betrachtet hatte diese Katastrophe jedoch durchaus auch ihre guten Seiten.

Ein Zusammenschluss aus drei Dutzend Forschern hat den Asteroideneinschlag und seine Folgen erneut untersucht. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass durch den Impakt des Asteroiden wahrscheinlich die negativen Folgen des massiven Vulkanausbruchs abgeschwächt wurden, der sich ungefähr zur selben Zeit auf dem Dekkan-Trapp, einem vulkanischen Plateau im westlichen Indien, ereignete. Aufgrund der vorangegangenen Katastrophe konnten die Ozeane die enormen Treibhausgasmengen, die bei der Eruption entstanden, besser absorbieren. Die Erderwärmung wurde begrenzt und dadurch das Überleben der frühen Säugetiere und anderer Arten, die den Asteroideneinschlag überlebt hatten, geschützt.

Warum Forscher noch immer über das Aussterben der Dinosaurier rätseln
Die Dinosaurier beherrschten die Welt rund 140 Millionen Jahre lang – bis sie plötzlich verschwanden. Heute wissen wir, dass der Asteroideneinschlag im Chicxulub-Krater das Ende der Herrschaft der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren einläutete. Aber jahrzehntelang waren sich die Forscher nicht sicher, was mit diesen faszinierenden Kreaturen geschah. Die Wissenschaftler arbeiten noch immer an dem großen Puzzle, das uns offenbart, was den Dinosauriern widerfuhr.

Laut der Forschungsergebnisse hatte sich der Vulkanausbruch zum Zeitpunkt des Asteroideneinschlags schon über 400.000 Jahre angekündigt. Manche Wissenschaftler sind sogar der Meinung, die vulkanischen Gase hätten das globale Massensterben zumindest anteilig verursacht. Doch die neuen Erkenntnisse zu der Entwicklung der globalen Temperaturen zu jener Zeit, die in der Zeitschrift „Science“ veröffentlicht wurden, lassen einen Zusammenhang zwischen dem Vulkanausbruch und dem Aussterben der Dinosaurier unwahrscheinlich erscheinen.

Alles deutet darauf hin, dass der Asteroid alleiniger Verursacher des Massensterbens war. Außerdem besteht die Vermutung, dass die Folgen des Impakts auch bis zu 300.000 Jahre später noch die Auswirkungen der Vulkaneruptionen auf die Erdtemperatur dramatisch beeinflussten.

Fossile Kalkalgen

Pincelli Hull, Paläoozeanographin an der Yale University in New Haven, Connecticut und Co-Autorin der Studie, stellte bei der Analyse von Bohrkernen aus der Tiefsee fest, dass in den schlammigen Sedimentschichten, in denen kleine Glasperlen entdeckt wurden, die nach dem Asteroideneinschlag vom Himmel geregnet waren, von bestimmten Algenarten keine Spur zu finden war.

„Diese Spezies scheinen von dem Impakt besonders stark in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein. Wir nehmen an, dass die Schwefeloxide und Distickstoffmonoxide, die nach dem Einschlag den Ozean haben versauern lassen, zu einem Auflösen der Kalkschale oder der Kalkskelette dieser Lebensformen geführt haben“, erklärt sie. Den genauen Vorgang kann man nachstellen, indem man ein Stück Kreide – das aus den Überresten von Kalkalgen besteht – in ein Glas mit Essig legt. So säurehaltig wie Essig war der Ozean zwar nie, doch das hat den Auflösungsprozess lediglich verlangsamt.

Pincelli Hull zufolge liefern diese Proben auch Informationen darüber, wie sich die globalen Temperaturen mit der Zeit verändert haben und bilden ab, wie stark die Auswirkungen der bei dem Vulkanausbruch emittierten Gase – darunter CO2 – wirklich waren.

„Der feine Tiefseeschlamm, den wir analysiert haben, hat ungefähr die Konsistenz von Zahnpasta“, erklärt Pincelli Hull. „Er besteht nicht aus Gesteinsmaterial wie der Schlamm, den wir an Land finden, sondern aus mikroskopisch kleinen fossilen Kalkalgen, die nach ihrem Absterben auf den Meeresgrund gesunken sind.“

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    Schon allein die Identifizierung der Kalkalgen, die in verschiedenen Sedimentschichten des Ozeans zu finden sind, lasse Rückschlüsse auf das damalige Meeresklima zu. „Wir haben Spezies an Stellen gefunden, an denen ihr Auftreten eigentlich so wahrscheinlich ist wie das von Palmen am Nordpol“, so Pincelli Hull.

    Die chemische Zusammensetzung der Kalkschalen und -skelette liefert sogar noch mehr Informationen, denn die Temperatur im Ozean hat einen Einfluss darauf, welche Kohlenstoff- und Sauerstoffisotope die schützende Hülle der Alge bilden. Durch die Kombination der Daten aus Analysen von Tiefseeschlamm aus allen Ecken der Welt, war es den Forschern möglich, zu bestimmen, wie sich die globalen Temperaturen über hunderttausende von Jahren entwickelt haben.

    Hierzu wurden mehrere Computermodelle erstellt, die mithilfe von Gleichungen die Veränderungen der globalen Temperaturen mit dem Kohlenstoffzyklus zu verschiedenen Zeiten bis hin zum heutigen Tag in Verbindung setzten.

    Asteroid oder Vulkanausbruch?

    Das Modell nimmt Bezug auf eine 40 Jahre alte Diskussion, die durch zwei Studien aus dem Jahr 2019, die ebenfalls in der Zeitschrift „Science“ erschienen, neu entfacht wurde: Führte der Asteroideneinschlag zum Massensterben – oder war es ein Vulkanausbruch?

    Am besten belegt ist ein Szenario, das die stärkste Emission vulkanischer Gase auf einen Zeitraum zwischen 200.000 bis 350.000 Jahre vor dem Asteroideneinschlag datiert. Einer anderen, sehr wahrscheinlichen Theorie nach könnten die meisten Gase jedoch auch zu gleichen Teilen vor und nach dem Impakt ausgeströmt sein. Die Erste, die diese zweite Möglichkeit einer gleichmäßigen Verteilung ins Feld führte, war Courtney Sprain, Geochronologin an der University of Florida in Gainesville. Sie und ihre Kollegen hatten eine der beiden Studien aus dem Jahr 2019 erarbeitet.

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    „Ich freue mich natürlich sehr darüber, dass die neue Studie unsere Erkenntnisse stützt“, sagt sie. Ihr zufolge sei allerdings auch die zweite Studie des Geochronologen Blair Schoene von einer gleichmäßigen Emissionsverteilung ausgegangen. Der Unterschied zwischen den beiden Studien sei jedoch, dass Blair Schoene und sein Team zu dem Schluss gekommen seien, dass es in einem Zeitraum von 100.000 Jahren vor dem Asteroideneinschlag eine Reihe von starken Vulkanpulsen gegeben hätte. Durch diese sei das kreidezeitliche Ökosystem bereits so stark geschädigt worden, dass der Asteroid ihm lediglich den Rest gegeben hätte.

    Die Computermodelle, die der neuen Studie zugrunde liegen, liefern jedoch keine Bestätigung für diese Theorie. Sie zeigen im Gegenteil sogar, dass die globalen Temperaturen vor dem Asteroideneinschlag sanken.

    Trotzdem bleibt die Frage, wie groß die vulkanischen Gasmengen waren, die vor und nach dem Impakt emittiert wurden. Bei näherer Betrachtung der Phasen deutlicher Erderwärmung in der Zeit rund um den Impakt, fällt ein Temperaturanstieg von etwa 2 °C, circa 200.000 Jahre vor dem Massensterben ins Auge. Ein weiterer, weniger starker Temperaturanstieg ist ungefähr 200.000 Jahre nach dem Impakt zu erkennen.

    Die niedrige Temperaturwerte sollte man allerdings nicht zwangsläufig so auslegen, dass der Dekkan-Trapp zu dieser Zeit weniger Gase emittiert hätte, so Donald Penman, Geochemiker an der Yale University und einer der Forscher, der an der Erstellung der Computermodelle beteiligt war. Ein möglicher anderer Zusammenhang sei äußerst faszinierend.

    „Basierend auf den Computermodellen haben wir die Theorie, dass nach dem Absterben der meisten Kalkalgen die chemischen Verbindungen, die sie sonst in ihren Schalen und Skeletten aufgenommen hätten, im Ozean verblieben sind. Dadurch konnte dieser mehr vulkanisches CO2 aufnehmen und speichern, was wiederum die Erderwärmung abfederte“, erklärt er.

    Heather Birch, Mikropaläontologin an der University of Bristol in England, die nicht an dem Computermodell mitgearbeitet hat, bestätigt, dass sich die chemische Zusammensetzung der Algen nach dem Impakt verändert habe und dies durchaus die Aufnahme von Kohlenstoff beeinflusst haben könnte. „Aber nicht alle Algen werden zu Fossilien“, gibt sie zu bedenken. „Es sind definitiv noch weitere Untersuchungen nötig, um herauszufinden, wie groß die CO2-Menge wirklich war, die absorbiert wurde.“

    66 Millionen Jahre nach dem Ende der Kreidezeit versauern die Ozeane wieder – dieses Mal aufgrund des rasanten Anstiegs von menschenverursachtem CO2 in der Atmosphäre. Die Frage liegt nah, ob ein weiteres Kalkalgen-Massensterben uns möglicherweise vor den schlimmen Folgen des Klimawandels bewahren könnte.

    Pincelli Hull würde nicht darauf wetten. Ihr zufolge dauerte es nach dem Absterben der Algen infolge des Asteroideneinschlags mehrere tausend Jahre, bis der Ozean CO2 in großen Mengen absorbierte. Sollte unser Planet also wieder an denselben Punkt wie damals kommen, stünden der Menschheit durchaus turbulente Jahrtausende bevor.

    Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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