Lebenserwartung: Warum die Deutschen früher sterben
Deutschland zählt bei der Lebenserwartung zu den Schlusslichtern in Westeuropa – und fällt weiter zurück. Werden Krankheiten zu spät erkannt?
Virtuelle Darstellung des Herz-Kreislauf-Systems eines Menschen
Zuerst die gute Nachricht: Die Lebenserwartung in Deutschland ist seit den 1970er-Jahren um gut zehn Jahre gestiegen. Frauen werden heute durchschnittlich 83 Jahre alt, Männer 78 Jahre. Die schlechte Nachricht: In vielen Ländern werden die Menschen älter. Die Bundesrepublik zählt in Westeuropa zu den Schlusslichtern bei der Lebenserwartung.
Zu diesem Fazit kommt eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung (MPIDR). Die beiden Institute haben dazu die Lebenserwartung in 16 westeuropäischen Ländern seit 1990 verglichen.
Ergebnis: Die Menschen in Deutschland leben im Schnitt 1,7 Jahre kürzer als diejenigen in anderen Ländern Westeuropas. Im Jahr 2000 betrug der Abstand noch 0,7 Jahre. Die Bundesrepublik fällt also weiter zurück. Im Vergleich der 16 Länder belegt Deutschland bei den Männern Platz 15 und bei den Frauen Platz 14.
Deutschland unter den Schlusslichtern bei der Lebenserwartung
Nur in Portugal sterben die Männer eher als hierzulande. Doch der Unterschied ist mit einem Zehntel Prozentpunkt minimal. Ähnlich sieht es bei den Frauen aus. Hier landet Deutschland hauchdünn vor Dänemark und Großbritannien. Am ältesten werden die Frauen in Spanien (86 Jahre) und die Männer in der Schweiz (82 Jahre).
Warum sterben wir früher als die Menschen in vielen anderen Regionen Europas? Wieso wächst Deutschlands Rückstand bei der Lebenserwartung? Immerhin gehört die Bundesrepublik zu den am höchsten entwickelten Ländern und investiert sehr viel ins Gesundheitssystem.
Zu viele Tote durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Als wesentliche Ursache für die vergleichsweise geringe Lebenserwartung in Deutschland nennt die Studie die hohe Zahl an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Typisch sind hier Herzinfarkte und Schlaganfälle.
Der Studie zufolge schneidet Deutschland im Vergleich zu Ländern mit einer höheren Lebenserwartung wie Spanien, Schweiz oder Frankreich gerade bei solchen Erkrankungen schlecht ab. Bis zum Alter von 50 Jahren zeigt der Ländervergleich zwar kaum Unterschiede.
Doch danach steigt die Sterblichkeit infolge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland deutlich. Laut Studie betrifft dies vor allem Männer zwischen 55 und 74 und Frauen ab 75 Jahren.
Nachholbedarf bei der Gesundheitsvorsorge
Dass Deutschland hier deutlich zurückliegt, sei Anlass zur Sorge, erklärt das BiB. Denn eigentlich könne man solche Leiden durch Vorbeugung und Früherkennung weitgehend vermeiden. Zu späte Diagnosen erschwerten aber eine erfolgreiche Behandlung.
Das BiB sieht deshalb einen Nachholbedarf bei Prävention und Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ähnliches gelte für die Tabak- und Alkoholprävention sowie für gesunde Ernährung.
„Hier besteht noch einiges Potenzial, um uns für den momentanen Alterungsprozess der Gesellschaft besser aufzustellen“, sagt BiB-Forschungsdirektor Sebastian Klüsener. Nicht nur der Staat sei gefordert. „Wir alle sind gefragt“, so Klüsener. „Etwa indem wir uns gesünder ernähren und mehr bewegen.“