Forschende entdecken Hunderte unbekannte Viren in Badezimmern

Sie befinden sich in einer Vielzahl auf Zahnbürsten und Duschköpfen – und die meisten von ihnen sind gänzlich unerforscht. Warum das kein Grund zur Sorge ist.

Virenparadies Zahnbürste: Im Badezimmer konnten Hunderte unbekannte Bakteriophagen gefunden werden. 

Foto von Amparo Garcia / stock.adobe.com
Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 17. Okt. 2024, 09:02 MESZ

Manchmal braucht es keine Expedition in unerforschte Regenwälder oder Eisbohrungen in schmelzenden Gletschern, um Unbekanntes zu entdecken. Forschende aus den USA haben sich in einer Studie stattdessen in Badezimmern auf die Suche begeben – und sind dabei auf eine extrem vielfältige Sammlung von über 600, größtenteils unbekannten Virustypen gestoßen. 

„Die Anzahl der Viren, die wir gefunden haben, ist absolut wild“, sagt Studienleiterin Erica M. Hartmann. Was zunächst nach einem Problem klingt, dem entgegengewirkt werden sollte, ist in Wahrheit gar keines. Im Gegenteil: Die Artenvielfalt, die sich auf Duschköpfen und Zahnbürsten tummelt, könnte sogar ein Hoffnungsschimmer in der Bekämpfung bakterienresistenter Keime sein, heißt es in der Studie, die in der Fachzeitschrift Frontiers in Microbiomes erschienen.

Artenvielfalt im Badezimmer: Über 600 Viren auf Zahnbürsten und Duschköpfen

Die Mikrobiolog*innen um Erica M. Hartmann starteten ihr Projekt aus reiner Neugier. Sie wollten wissen, welche Mikroben in unseren Haushalten zu finden sind. „Wenn man an Innenräume denkt, sind Oberflächen wie Tische und Wände für Mikroben wirklich schwer zu bewohnen.“ Stattdessen würden sie Umgebungen mit Wasser bevorzugen – in Badezimmern zum Beispiel Duschköpfe und Zahnbürsten. 

Für ihre Untersuchungen nutzten die Forschenden Proben von Freiwilligen, die ursprünglich für eine Bakterienstudie gesammelt worden waren – darunter benutzte Zahnbürsten und Tupfer von Duschköpfen. Mittels DNA-Sequenzierung stießen sie in ihrer neuen Studie auf eine überwältigende Virenvielfalt. Neben der Zahl von über 600 verschiedenen Viren, strotzten die Ergebnisse nur so vor Diversität: Keine der Proben glich einer anderen. „Wir haben viele Viren gefunden, über die wir sehr wenig wissen – und viele andere, die wir noch nie zuvor gesehen haben“, sagt Hartmann. „Es ist erstaunlich, wie viel unerschlossene Artenvielfalt überall um uns herum ist. Und man muss nicht einmal weit gehen, um sie zu finden; sie ist direkt vor unserer Nase.“

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Entdeckte Viren sind Bakteriophagen – für Menschen ungefährlich

Sorgen müsse man sich allerdings nicht machen: Denn bei den entdeckten Mikroorganismen handelt es sich nicht um Viren, die Menschen infizieren, sondern um Bakteriophagen. Diese reproduzieren sich in Bakterien und sind bislang noch recht unerforscht – allerdings gelten sie als Hoffnungsträger im Kampf gegen antibiotikaresistente Keime.

Daher raten die Forschenden beim Badputz von aggressiven Reinigern oder Bleichmittel ab. Besser wäre eine Säuberung mit Essig oder schlicht normaler Seife. „Mikroben sind überall und die überwiegende Mehrheit von ihnen macht uns nicht krank“, sagt Hartmann. „Je mehr man sie mit Desinfektionsmitteln angreift, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie Resistenzen entwickeln oder schwieriger zu behandeln werden. Wir sollten sie einfach akzeptieren.“

In ihren Proben fanden Hartmann und ihre Kolleg*innen vor allem Mykobakteriophagen. Diese infizieren wiederum Mykobakterien, die als Verursacher von schwerwiegenden Krankheiten wie Lepra, Tuberkulose oder chronischen Lungeninfektionen gelten. Die Entdeckung der zahlreichen unbekannten Phagen könnte laut Hartmann und ihrem Team eine regelrechte Fundgrube für die weitere Erforschung der „Bakterienfresser“ sein – und zur Behandlung von Infektionen beitragen.

Hartmann schweben außerdem noch andere Nutzungsmöglichkeiten vor: „Wir könnten uns vorstellen, diese Mykobakteriophagen zu verwenden, um Krankheitserreger aus unseren Abwassersystemen zu entfernen.“ Sie und ihr Team streben an, künftig sämtliche nützliche Funktionen der Viren herauszufinden.

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