Neue Waffe gegen Infektionen: ein antiviraler Kaugummi
Ein US-amerikanisches Forschungsteam hat einen neuen Ansatz zur Virenabwehr entwickelt: einen Kaugummi aus Bohnen, der den Virus dort neutralisiert, wo er in den Körper gelangt – im Mund.

Blasen kann man mit dem antiviralen Bohnen-Kaugummi vermutlich keine machen, dafür aber mit großer Wahrscheinlichkeit eine Infektion verhindern.
Influenza, Herpes, COVID-19: Viele Krankheiten nehmen ihren Anfang damit, dass Viren über Nase und Mund in den Körper ihres Wirts gelangen. Die Mundhöhle ist also eine der Stellen, an denen Erreger im besten Fall abgefangen werden können, bevor sie in die Körperzellen eindringen, sich dort vermehren und die Infektion ihren Lauf nehmen kann.
Ausgehend von diesem Ansatz haben der Biochemiker Henry Daniell und sein Team von der School of Dental Medicine der University of Pennsylvania in den USA eine erstaunlich effektive Methode zur Virenabwehr entwickelt: einen Kaugummi aus Bohnen, der die Viruslast dort, wo die Übertragung stattfindet, enorm senkt.
Protein aus der Helmbohne stoppt Viren
Bei den Bohnen, die in dem Kaugummi verarbeitet sind, handelt es sich um Helmbohnen (Lablab purpureus), die vorwiegend in Indien und Afrika als Nutzpflanzen verbreitet sind und als Nahrungsmittel genutzt werden. Sie enthalten von Natur aus FRIL, ein antivirales Protein. Dieses bindet sich an die Zuckermoleküle auf der Oberfläche von Viren, was zur Verklumpung dieser führt und das Eindringen in die Wirtszellen unmöglich macht. FRIL kann aber auch Viren in die Zellen folgen und so verhindern, dass sie diese nach erfolgreicher Vermehrung in größerer Zahl verlassen und sich weiter im Körper verbreiten.
Durch die Gabe in Form eines Kaugummis, wird FRIL genau dort gleichmäßig freigesetzt, wo die initiale Infektion stattfindet. Die Forschenden testeten den Kaugummi maschinell im Labor an zwei Herpes-Simplex-Viren (HSV-1 und HSV-2) sowie an zwei Influenza-A-Stämmen (H1N1 und H3N2). In allen Fällen reichten bereits 40 Milligramm eines zwei Gramm schweren Bohnen-Kaugummis aus, um die Viruslast um 95 Prozent zu verringern und die Viren somit zu neutralisieren.
Klinische Studien laufen bereits
Die Studie, die in der Zeitschrift Molecular Therapy erschienen ist, baut auf einer früheren Forschungsarbeit von Daniell aus dem Jahr 2021 auf. Für diese testete er die antivirale Wirkung eines Kaugummis mit dem Protein ACE2 an SARS-CoV-2-Viren. Die Ergebnisse ähnelten denen der neuen Studie: Auch dieser Kaugummi verringerte die Viruslast um mehr als 95 Prozent. Ein Forschungserfolg, der den Weg zu klinischen Studien bereitete, die seit dem Jahr 2022 laufen.
Auch der FRIL-Kaugummi muss noch auf seine medizinische Sicherheit geprüft werden, bevor er als Arzneimittel auf den Markt kommen kann. Doch Daniell wertet die bisherigen Ergebnisse als „gutes Vorzeichen für die Bewertung von Bohnenkaugummi in klinischen Studien am Menschen zur Minimierung der Virusinfektion und -übertragung.“
Hoffnung im Kampf gegen die Vogelgrippe
Als nächstes möchte das Studienteam eine äußerst aktuelle virale Bedrohung ins Visier nehmen: H5N1 und H7N9 – zwei Stämme der Influenza, die bei Menschen und Vögeln die Vogelgrippe auslösen. Eine Vorgängerstudie, an der Daniell nicht beteiligt war, konnte bereits einen neutralisierenden Effekt von Helmbohnenpulver auf diese Viren nachweisen. Daniell und sein Team möchten nun herausfinden, ob mit dem Pulver versetztes Vogelfutter ihre Verbreitung aufhalten kann.
Weil weltweit zu wenig gegen Influenza geimpft wird und gegen Herpes noch immer kein Impfstoff gefunden wurde, ist der neue Ansatz den Forschenden zufolge ein wichtiger Schritt zur Eindämmung solcher oral übertragenen Infektionskrankheiten.
„Die Kontrolle der Übertragung von Viren ist nach wie vor eine große globale Herausforderung“, sagt Daniell. Ein antivirales Breitspektrum-Protein in einem natürlichen Lebensmittel wie Bohnenpulver, das verschiedenste Viren neutralisieren kann, ist ihm zufolge „eine zeitgemäße Innovation, um deren Ansteckung und Übertragung zu verhindern“.
