Mit einem Klick abtauchen: Das erste digitale Riff-Museum geht online
Für das überdimensionale Foto eines intakten Riffs tauchte Holger Weber in Ägypten ab. Im Interview erzählt er, wie er dabei den Weltrekord knackte und das erste digitale Riff-Museum entstand.
Sieht aus wie ein Foto von einem Riff. Darin stecken aber 1.610.612.736 Pixel, 159 Einzelbilder und über 300 Stunden Arbeit.
Das erste digitale Riff Museum ist online. Unter riff.uebersee-museum.de kann man virtuell abtauchen. Was kann das interaktive Riff und was ist das Besondere?
Unser Riff kann eigentlich nur 0 und 1 und 1 und 0 - rein binär und im Vergleich zu dem echten Riff ist das natürlich ein Klacks. Doch das interaktive Riff kann ausgesprochen gut zeigen, wie ein gesundes Riff in der freien Wildbahn so aussieht. Außerdem kann man unser Riff ganz entspannt von zuhause auf dem Sofa, im Zug oder heimlich im Schulunterricht erkunden. Doch das Einzigartige an unserem interaktiven Riff ist die Auflösung des Fotos: Insgesamt besteht es aus mehr als 150 hochaufgelösten Einzelaufnahmen von einem einzigen Riff-Block die zu einemüber 1.500.000.000 Pixel (1.5 TB) großen Gesamtbild zusammengefügt wurden. Das ist zum einen in etwa die 125-fache Auflösung der aktuellsten Smartphone-Kameras und zum anderen der neue Weltrekord.
Was bedeutet das für den virtuellen Besucher?
Die Auflösung ermöglicht nicht nur einen Blick auf die Gesamtansicht des Riffs, sondern auch ein sehr genaues Hinsehen. Er kann extrem dicht an die einzelnen Korallen, Fische und anderen Bestandteile des Riffs zoomen. Eine schier endlose Erkundungstour durch diese phantastische Unterwasserwelt, wie sie selbst ein Taucher nicht erleben kann.
Für wen ist das interaktive Riff?
Ich glaube tatsächlich, das Riff ist für jeden Besucher geeignet. Wir haben das gesamte Projekt so angelegt, dass man keine besonderen Endgeräte benötigt, es ist barrierefrei und man muss auch kein Nerd sein um damit klar zu kommen. Alles was man braucht ist Neugier und am besten viel Zeit.
Was kann man bei einem Besuch lernen?
Auch wenn der Besuch des Riffs ein Trockentauchgang ist, saugt man einiges an Wissen auf. Angefangen beim generellen Aufbau eines Riffs, über die einzelnen Arten bis hin zu einer generellen Sensibilisierung der Besucher, dass es unter der Meeresoberfläche viel Schützenswertes gibt.
Gedruckte Superlative: Die gedruckte Version des Riff hängt im Übersee-Museum-Bremen, ist 3,4 Meter hoch und hat eine Breite von 35,5 Metern.
Wie entstand die Idee für ein interaktives Riff und wie konnte sie umgesetzt werden?
Das Übersee-Museum Bremen benötigte für ihren 360°-Diorama-raum eine sehr hochaufgelöste Aufnahme eines Warmwasserriffs. Als die Anfrage an unser Digital Production Studio Kubikfoto kam, fand ich das spannend. Zuerst brauchten wir ein intaktes Riff, möglichst nicht am anderen Ende der Welt. Durch Zufall war ich vor zwei Jahren bei einer Kajaktour im Roten Meer auf ein sehr kleines, etwas vorgelagertes Riff gestoßen, das sich in einem nahezu perfekten Zustand befand und noch immer befindet. Es liegt im südlichen Ägypten, etwas nördlich von Marsa Alam, auf Höhe des Elphinstone-Reef, jedoch viel dichter an der Küste.
Im März, noch vor der Corona-Pandemie, haben wir uns dann auf den Weg dorthin gemacht. Am ersten Aufnahmetag habe ich nur getestet. Das Aufstellen des Stativs war ein echtes Problem. Um das Riff nicht zu beschädigen, suchte ich akribisch nach möglichst kahlen Stellen für die Stativbeine um das Stativ dann Stück für Stück ins Riff zu stellen und mit Gewichten gegen die Strömung zu sichern. Alles in allem hingen am Ende 18 kg Equipment im Riff. Zum Teil über Nacht, da die reine Aufnahmezeit schon bei über 4 Stunden lag und immer nur für 2-3 Stunden die Sonne zu gebrauchen war. Letztendlich sind es pro Perspektive bis zu 20 Aufnahmen geworden, mit verschiedenen Schärfeebenen und unterschiedlichen Fisch Positionen also 14 x 3 x 20 Aufnahmen. Nach 4 Tagen war alles im Kasten. Grade noch rechtzeitig, denn dann kam das Coronavirus und wir sind mit dem letzten Flieger aus Marsa Alam zurück...
Schweres Gepäck auf leichten Kajaks: Um das Riff zu schonen, erfolgte die komplette Produktion nahezu kontaktlos - ohne große Motorboote, Anker und Lärm.
Man sieht also ein authentisches Abbild des Riffs?
Die Arten die im Riff zu sehen sind, sind zu 99,9% tatsächlich in den realen Aufnahmen enthalten, einige Arten, wie beispielsweise den Fischschwarm oder den Plastikbecher, habe ich an dem Riff, aber zu einer anderen Zeit bzw. in einer anderen Richtung aufgenommen, einige Arten wie den dort vorkommenden Weißspitzen-Hochseehai habe ich von einer Bildagentur.
Welche Erfahrungen waren bei diesem Projekt besonders?
Ich habe mal wieder gelernt, dass es zwischen der Vorstellung von Etwas und der tatsächlichen Umsetzung manchmal ein tiefes, wildes Meer liegt. Besonders prägend war leider auch die Veränderung der Natur. Als ich 1988 meine ersten Tauchgänge im warmen Wasser vor Hurghada machte, waren die Riffe intakt, bunt und voller Fische. Ich hätte die Kamera für das geplante Panoramabild überall aufstellen können. 30 Jahre später gibt es diese Spots in der Form schlicht nicht mehr. Es gibt keinen einzigen Flecken Meer ohne Plastik oder sonstiger Behinderungen, die Artenvielfalt hat sichtbar abgenommen.
Holger Weber berichtet: "Außerhalb der Hotelanlagen sehen Strände so aus. Um zu den schönen Riffen zu kommen, schwimmt man teilweise hunderte von Metern durch Plastikmüll!"
Mit welchem Equipment sind Sie gereist?
Um ein Bild in dieser Größe zu generieren, benötigt man sehr viele Einzelaufnahmen. Damit sich die Menge halbwegs in Grenzen hält, habe ich auf die neue und derzeit am höchsten auflösende Sony alpha 7r4 (60MP) gesetzt. Leider gibt es für das Modell noch keine passendes Unterwassergehäuse, aber mit eine wenig Gebohre und Gefräse ging es dann. Um bei einem 360°-Foto auf die Gesamtauflösung zu kommen, benötigte ich mit der Sony eine Brennweite von 85mm (entspricht unter Wasser gut 100 mm und einem Blickwinkel von ca. 18 °). Damit auch die flinken Fische halbwegs scharf werden, musste ich mindestens 1/200 knipsen, Blende 5.6, damit die Punktschärfe perfekt passt. Damit die Aufnahmen perfekt aufeinander passen, musste alles mit einem NoDale-Kopf aufgenommen werden. Die Bildbearbeitung erfolgte in Photoshop, die Programmierung mit unserer eigenen Software, dem Kubikfoto-Creator.
Selfie am arbeitsplatz: Um die geeignete Position zu finden, wurden die ersten Testaufnahmen noch mit dem Superweitwinkel aufgenommen.
Haben Sie ein paar Tipps für Unterwasserfotografen?
Ich gucke mir gerne und oft Unterwasserbilder an. Wenn mir eines besonders gefällt, frage ich mich warum und versuche mir das für meine Aufnahmen zu merken. Bevor ich ins Wasser gehe lege ich grob die art der aufnahmen fest, die ich machen will, also eher Makros oder weitwinkelaufnahmen, mit oder ohne Blitz, gehe ich in die dunkelblaue tiefe oder bleibe ich im 5-Meter-Bereich (hier ist auch unser Riff entstanden), usw. Generell kann man vielleicht sagen: Lebewesen wirken mehr, wenn sie zur Kamera blicken, also nicht auf der Fluch sind. Warten lohnt sich immer, die meisten Fische und vor allem Kopffüßler kommen zurück. Geduld ist häufig der beste Weg bei der Tierfotografie. Am einfachsten ist es, wenn amn etwas Glück hat. Damit mir das Tauchen Spaß macht, nehme ich mir vor nur auf den Auslöser zu drücken, wenn ich der Meinung bin, DAS Bild hänge ich in mein Wohnzimmer. Nur nebenbei: Ich habe keine Bilder in meinem Wohnzimmer.
Was treibt Sie an?
Meine Neugier. Wann immer ich die Chance habe, etwas Neues in die Finger und vor die Linse zu bekommen, stürze ich mich drauf. Mein Handeln ist dabei erstmal allerdings völlig egoistisch, ich will meine eigene, kleine Welt vervollständigen und die “großen” Zusammenhänge verstehen. Ein paar Lücken gibt es noch…Zum Glück!
Hier geht es zum ersten interaktiven Riff-Museum: riff.uebersee-museum.de.
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