Ist dies das Gesicht von Maria Magdalena?

Wissenschaftler haben das Gesicht eines alten Schädels rekonstruiert. Ob es wirklich der biblischen Figur gehörte, bleibt aber ungeklärt.

Von Sarah Gibbens
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:46 MEZ
Ist dies das Gesicht von Maria Magdalena?

In einer mittelalterlichen Stadt im Süden Frankreichs befinden sich die mutmaßlichen Überreste einer der bekanntesten Bibelfiguren unter einer Grabkirche. Der Schädel und die Knochen, die dort ruhen, sollen Maria Magdalena gehören, der Begleiterin von Jesus Christus.

Nun haben ein Wissenschaftler und ein Künstler die Überreste genutzt, um zu rekonstruieren, wie diese Frau zu Lebzeiten wohl ausgesehen hat.

Die Gesichtsrekonstruktion basiert auf einem Computermodell des Schädels und zeigt eine Frau mit einer spitzen Nase, hohen Wangenknochen und einem runden Gesicht. Für jene, die glauben, dass es sich wirklich um die Knochen von Maria Magdalena handelt, ist dies das Gesicht einer der berüchtigtsten Frauen des Christentums.

„Wir sind uns absolut nicht sicher, dass es der wahre Schädel von Maria Magdalena ist“, sagt Philippe Charlier, ein Bioanthropologe von der Universität von Versailles. „Aber es war sehr wichtig, ihn aus der Anonymität zu holen.“ Charlier erstellte die Rekonstruktion zusammen mit Philippe Froesch, einem forensischen Künstler.

Die Begleiterin Jesu

Maria Magdalena ist für die katholische Kirche seit Langem eine kontroverse Figur. Etwa seit dem 5. Jahrhundert wird sie als Prostituierte dargestellt, und ebenso populäre wie beliebte Theorien sehen sie auch als die Frau von Jesus Christus.

Karen King, eine Professorin der Harvard Divinity School, sagte 2004 in einem Interview mit National Geographic, dass die einzigen verfügbaren schlüssigen Beweise darauf hindeuten, dass Maria Magdalena eine Anhängerin Jesu war.

Gerüchte über den Fund ihrer Überreste im Süden Frankreichs verbreiteten sich 1279, wie Rebecca Lea McCarthy in ihrem Buch „Origins of the Magdalene Laundries“ schrieb. Seither, so schrieb McCarthy, wurden ihre Überreste in mindestens fünf anderen Regionen „gefunden“.

Trotz der unklaren Beweislage über Maria Magdalenas Schicksal wollten Froesch und Charlier dem berühmten Schädel von Saint Maximin ein Gesicht verleihen.

Auf Spurensuche in Südfrankreich

Die zwei begannen vor drei Jahren, sich für den Schädel zu interessieren, als Froesch im Süden Frankreichs an der Rekonstruktion eines anderen Schädels arbeitete. Er machte einen Abstecher in die kleine Stadt Saint-Maximin-la-Sainte-Baume und erkundete die Krypta, in welcher der Schädel in einer reich verzierten Vitrine ausgestellt ist.

Seit er 1974 zum letzten Mal untersucht wurden war, war die Vitrine verschlossen. Die Forscher umgingen eine erneute Öffnung, indem sie mehr als 500 Fotos des Schädels aus verschiedenen Perspektiven aufnahmen. Anhand dieser Bilder konnten sie am Computer ein 3D-Modell erstellen, das Eigenschaften wie die Schädelgröße, die Wangenknochen und die Knochenstruktur erkennen ließ.

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    Das Ergebnis verriet den Forschern, dass der Schädel wohl einer Frau gehört haben muss, die im Alter von etwa 50 Jahren verstorben ist und aus dem Mittelmeerraum kam. Die Form ihrer Nase und andere Merkmale wurden anhand von trigonometrischen Größenverhältnissen bestimmt, die auf anderen Merkmalen wie dem Alter des Schädels, dem Geschlecht und der Ethnie beruhen.

    Mit FBI-Technik ans Ziel?

    Fotos von Haaren, die am Schädel gefunden wurden, lassen vermuten, dass die Frau dunkelbraunes Haar hatte. Ihre Hautfarbe basiert auf den Hauttönen, die im Mittelmeerraum häufig auftreten. Eine Art Lehm, der traditionell verwendet wurde, um Läuse zu vermeiden, wurde auch an einigen Haarsträhnen gefunden.

    Einige Merkmale wie das Gewicht und der Gesichtsausdruck oblagen einzig der Interpretation von Froesch und Charlier.

    Laut Froesch basiert ihre Vorgehensweise auf forensischen Techniken, die vom FBI entwickelt wurden und üblicherweise bei Tatortuntersuchungen zum Einsatz kommen.

    In Zukunft würde Charlier gern weitere Forschung an dem Schädel betreiben – allerdings außerhalb der Vitrine. Techniken wie die Radiokarbondatierung können das Alter eines Gegenstands zwar bestimmen, in diesem Fall bräuchte es dazu aber Teile des Schädels. Dafür hat die katholische Kirche allerdings kein Einverständnis gegeben.

    Er hofft, dass er eines Tages auch DNA-Tests an den Überresten durchführen kann, um die geografische Herkunft der toten Frau zu bestimmen.

    Sowohl Charlier als auch Froesch beharren darauf, dass ihre Forschung wissenschaftlich und unabhängig von der Kirche durchgeführt wurde. Sie teilten die Bilder aber mit den religiösen Führern der Stadt, die mit der Rekonstruktion zufrieden waren.

    Die Möglichkeit, an so einer bekannten Person zu arbeiten, war laut Froesch „sehr emotional für uns“.

    Die Wissenschaftler haben bisher nur das Gesicht rekonstruiert, hoffen aber, eines Tages auch den restlichen Körper anhand der Rippen und des Oberschenkelknochens modellieren zu können, die zu dem Kopf gehören sollen.

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