Atacama-Mumie: des Rätsels Lösung

Forscher hoffen, dass die Debatte um die vermeintlich außerirdische Herkunft der Mumie aus der Atacamawüste, durch ihre Studienergebnisse ein Ende findet.

Von Erika Check Hayden
Veröffentlicht am 23. März 2018, 14:17 MEZ
Ata, die 13 Zentimeter große Mumie, wurde in der Atacamawüste gefunden.
Foto von Emery Smith

Ata ist nur 13 Zentimeter groß, hat einen länglichen Kopf und für ihre Größe ungewöhnlich harte Knochen. Manche behaupten sogar, sie sei eine Außerirdische. Eine Studie, die im März 2018 in „Genome Research“ veröffentlicht wurde, gibt eine wissenschaftliche Erklärung für das fremdartige Erscheinungsbild des Leichnams.

Die Debatte nahm ihren Anfang im Jahr 2003, als die auf natürliche Weise mumifizierten Überreste von Ata in der Nähe einer Geisterstadt in der chilenischen Atacamawüste gefunden wurden. Der spanische Geschäftsmann Ramón Navia-Osorio kaufte die Mumie und gestattete es dem Arzt Steven Greer im Jahr 2012, ihr Skelett mit Hilfe von Röntgenstrahlung und Computertomographie zu untersuchen.

Greer ist der Gründer des Disclosure Project, dessen Ziel es ist, „die Fakten über UFOs, außerirdische Intelligenz und geheime, fortschrittliche Energie- und Antriebssysteme vollständig offenzulegen“, wie man auf der Webseite des Projekts nachlesen kann.

Ata ist gerade mal so groß wie ein menschlicher Fötus. Ein Radiologe, der die von Greer gemachten Bilder untersuchte, sagte jedoch, dass Atas Knochen etwa so weit entwickelt waren wie die eines sechsjährigen Kindes.

Greer hatte Proben von Atas Knochenmark damals auch an den Immunologen Garry Nolan von der Stanford Universität im kalifornischen Palo Alto geschickt. Nolans Team sequenzierte die DNA darin und kam zu dem Schluss, dass das genetische Material von einem Menschen stammte, nicht von einem Alien. Allerdings konnte Nolan sich das außergewöhnliche Erscheinungsbild dieses kleinen Menschen nicht erklären.

Ata ist gerade mal so groß wie ein menschlicher Fötus, ihre Knochen sind aber ungefähr so weit entwickelt wie die eines sechsjährigen Kindes.
Foto von Emery Smith

„Als wir begriffen hatten, dass es sich um einen Menschen handelte, mussten wir als nächstes herausfinden, wie er zu diesem Aussehen gekommen war“, sagt Nolan.

Also arbeitete er mit Genforschern von Stanford und mit dem Team des Biologen Atul Butte von der Universität von Kalifornien in San Francisco zusammen, um Atas Genom zu analysieren. Laut der neuen Studie der Gruppe gibt es auf sieben von Atas Genen Mutationen, die allesamt das menschliche Wachstum beeinflussen. Nolan glaubt, dass die Kombination aus diesen Mutationen der Grund für die beträchtlichen Skelettanomalien ist, darunter auch das ungewöhnlich schnelle Knochenwachstum. Ihm zufolge handelt es sich bei Ata wahrscheinlich um einen totgeborenen Fötus oder ein kurz nach der Geburt verstorbenes Kind.

Für die überzeugten Anhänger der Theorie, dass Ata außerirdischen Ursprungs ist, ändern aber auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse nichts.

„Wir wissen nicht, was es ist, aber es ist mit Sicherheit kein missgebildeter Mensch“, sagt Greer, der von der neuen Studie weiß.

Die Wissenschaftler sind jedoch der Meinung, dass es an der Zeit ist, die Kontroverse um Ata im Lichte der neuen Analyse zu beenden.

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    Der Alien-Hype war dümmliche Pseudowissenschaft und sollte nur die Aufmerksamkeit der Medien erregen“, sagt der Paläoanthropologe und Anatom William Jungers, ein emeritierter Professor am Medical Center der Stony Brook Universität. „Diese Studie setzt diesem ganzen Unsinn um die arme kleine Ata hoffentlich ein Ende.“

    Ärzte, die Kinder mit seltenen genetischen Knochenkrankheiten behandeln, sind der Meinung, dass die Debatte verdeutlicht, wie Archäologen und andere Wissenschaftler von genetischen Krankheiten in die Irre geführt werden können. Der Genetiker Fowzan Alkuraya verweist beispielsweise auf die Kontroverse um den Homo floresiensis, dessen Überreste 2003 auf einer indonesischen Insel entdeckt wurden. Noch immer stimmen nicht alle Wissenschaftler darin überein, dass es sich um Verwandte moderner Menschen handelt. Einige sind überzeugt, dass diese „Hobbits“, wie sie manchmal auch genannt werden, kleine Homo sapiens sind, die krankhafte Veränderungen aufweisen.

    „Diese Studie erinnert uns daran, wie exotisch viele genetische Krankheiten sind“, sagt Alkuraya, ein Genetiker am King Faisal Specialist Hospital and Research Center in Riad, Saudi-Arabien.

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    Alle Menschen – auch Ata –können viele verschiedene Genmutationen aufweisen. Für gewöhnlich ist aber nur eine dieser Mutationen für eine Krankheit verantwortlich. Es sei „praktisch unbekannt“, dass sieben Mutationen beteiligt wären, sagt Alkuraya. Er glaubt, dass ein oder höchstens zwei der Mutationen zu den Wachstumsproblemen von Ata führten.

    Nolan stimmt nicht zu: „Das arme Kind hat beim Würfeln leider siebenfaches Pech gehabt“, sagt er.

    Allerdings wäre es schwierig – wenn nicht gar unmöglich – herauszufinden, welche von Atas Gendefekten ihre Mutationen ausgelöst haben. Das liegt daran, dass die Wissenschaftler keine Informationen über Atas Verwandte haben. Wenn sie zum Beispiel DNA von Atas Eltern hätten, könnten sie überprüfen, welche von Atas Genmutationen auch bei ihrer Mutter oder ihrem Vater auftraten. Diese Mutationen wären dann vermutlich harmlos, da Atas Eltern im Gegensatz zu ihr alt genug wurden, um Nachwuchs zu zeugen.

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    Obwohl über ihre Eltern nichts bekannt ist, glaubt Nolan, dass sich jemand um Ata gekümmert hat, als sie vor etwa 40 Jahren starb. Er verweist darauf, dass sie sorgsam eingewickelt und flach auf den Boden gelegt wurde.

    „Sie haben sie nicht einfach weggeworfen. Für irgendjemanden war das wichtig. Sie war ihr Kind“, so Nolan.

    Genau wie Jungers würde Nolan es begrüßen, wenn Ata nach Chile zurückgebracht und wieder bestattet werden würde.

    „Ich denke, die Leute sollten einfach keine menschlichen Leichname schmuggeln oder behaupten, es handele sich um Aliens, um daraus einen finanziellen Vorteil zu schlagen.“

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