Sandiges Büffet: Rätsel um prähistorischen Elefantenfriedhof gelöst
Im Südosten Spaniens wurden Dutzende Fossilien großer Pflanzenfresser wie Mammuts und Nashörner gefunden. Jetzt weiß man, warum hier so viele Tiere vor 1,4 Millionen Jahren den Tod fanden – und unseren Vorfahren als Nahrung dienten.
Nicht nur Hyänen konnten während des frühen Pleistozäns an der heutigen Fundstelle Fuente Nueva-3 ihren Hunger stillen: Auch für Frühmenschen war der Ort eine ergiebige Nahrungsquelle.
Wenn der Kühlschrank leer ist, gehen wir in den Supermarkt und füllen unsere Vorräte ganz bequem auf. Für unsere prähistorischen Vorfahren war die Nahrungsbeschaffung hingegen eine echte Herausforderung: Die Jagd auf große Beute war gefährlich und aufwändig, erforderte Teamwork und gute Planung. Davon zeugen riesige Wildtierfallen wie zum Beispiel die steinzeitlichen Wüstendrachen auf der arabischen Halbinsel oder eine mysteriöse Megastruktur in der Mecklenburger Bucht, die vor 11.000 Jahren vermutlich zu Jagdzwecken errichtet wurde.
Unsere prähistorischen Vorfahren, die im frühen Pleistozän in der Nähe der südspanischen Stadt Granada auf Jagd gingen, konnten sich hingegen glücklich schätzen. Denn laut einer Studie von Paläontolog*innen der Universidad de Málaga, Spanien, die im Journal of Iberian Geology erschienen ist, fanden sie dort eine Art Selbstbedienungsbüffet vor.
Fuente Nueva-3: Fundstelle aus dem frühen Pleistozän
Im Mittelpunkt der Studie stehen Funde, die an der Fundstätte Fuente Nueva-3 (FN3) in der Region Orce gemacht wurden. Seit mehreren Jahrzehnten werden dort Grabungen durchgeführt, die unter anderem einige der frühesten Hinweise auf die Anwesenheit von Menschen in Westeuropa in Form von behauenen Steinen zu Tage geführt haben. FN3 ist aber auch als „Elefantenfriedhof“ bekannt: In Sedimentschichten aus dem Frühpleistozän stießen Archäologen auf Dutzende Fossilien großer Pflanzenfresser wie Bisons, Nashörner, Urpferde und bis zu vier Meter hohe Südmammuts (Mammuthus meridionalis).
Galerie: Prähistorische Tiere und ihre modernen Verwandten
Schnitt- und Schlagspuren, die einige der Knochen aufweisen, legen nahe, dass die Tiere von Menschen zerlegt wurden. Dafür, dass FN3 einst ein Jagdplatz war, sprechen auch eine Reihe von Kleinfunden, darunter sogenannte Manuports. Diese Steine, die höchstwahrscheinlich von Frühmenschen an die Stelle gebracht wurden, kamen vermutlich als Wurfwaffen oder als Werkzeuge zum Einsatz, mit denen die Beute gehäutet und ihre Knochen gebrochen wurde, um an das Knochenmark zu gelangen.
Gefundenes Fressen im Treibsand
Trotz all dieser deutlichen Hinweise blieb ein Rätsel aber bisher ungelöst: Warum machten die Homininen ausgerechnet an dieser Stelle so fette Beute? Die Antwort liegt in der Beschaffenheit der 1,4 Millionen Jahre alten Sedimentschicht, aus der Knochen und Manuports geborgen wurden. Diese besteht aus zwei archäologischen Ebenen. In beiden wurden Skelettreste gefunden, doch in der oberen war die Dichte von Hinweisen auf menschliche Aktivitäten in Form von Steinwerkzeugen deutlich höher als in der unteren.
Laut der geologischen Analyse, auf der die Studie beruht, unterscheiden sich die Sedimente der beiden Ebenen in ihrer Zusammensetzung erheblich: Die untere Schicht besteht aus Schluffen und Tonen, die obere aus feinen und sehr feinen Sanden. Zwischen den Sandkörnern fanden die Forschenden Mikrofossilien von Muschelkrebsen, die auf die Anwesenheit von brackigem Wasser hindeuten. Die Kombination aus wasserstauendem Untergrund und darüberliegender Sand-Wasser-Mischung ergibt das, was den Megaherbivoren von Fuenta Nueva zum Verhängnis wurde: Treibsand.
In dieser natürlichen Falle blieben die Tiere aufgrund ihres hohen Gewichts stecken. Jede Bewegung ließ ihre schweren Körper tiefer sinken, bis sie schließlich verendeten. Frühmenschen waren hingegen leicht genug, um sich gefahrlos auf dem Gebiet bewegen zu können. Die halb versunkenen Kadaver waren für sie wortwörtlich ein gefundenes Fressen.
Konkurrenz durch Hyänen
Doch sie waren nicht die einzigen, die sich über eine Mahlzeit auf dem Silbertablett freuten. Koprolithe – also fossile Exkremente –, die ebenfalls in den Sedimentschichten gefunden wurden, lassen darauf schließen, dass sie in Konkurrenz mit Hyänen standen. Bisspuren an den Knochen der Megaherbivoren sind weitere Belege für die Anwesenheit der Aasfresser. Die Wurfwaffen, die in FN3 entdeckt wurden, könnten den Forschenden zufolge dafür benutzt worden sein, um sie zu vertreiben.
Die Studie liefert einen faszinierenden Einblick in den Alltag unserer Vorfahren, ihre Überlebensstrategien und den Wettbewerb um Fleischressourcen. Laut den Autor*innen wird darin zum ersten Mal „eine natürliche Falle mit diesen Merkmalen in einer fossilen Lagerstätte von besonderem Interesse für die menschliche Evolution“ beschrieben – ein Meilenstein in diesem Forschungsbereich. Sie wollen darum als nächstes an weiteren Fundorten in der Region Orce, an denen ebenfalls Beweise für die Anwesenheit von Menschen gefunden wurden, ähnliche Untersuchungen durchführen.