Fünf unberührte Reiseziele in der wilden Natur 2023
Von einem der besten Whale-Watching-Spots der Welt bis hin zu einer legendären Wüstenlandschaft – diese Reiseziele rücken bislang unbekannte Schätze der Erde in den Mittelpunkt und zeigen, wie wertvoll die Natur ist.
Der Ribeira Grande auf der Insel Flores ist einer von Dutzenden von Wasserfällen, die von den grünen Vulkanhängen der Azoren herabstürzen.
Wohin soll es 2023 gehen? Seit das Reisen wieder problemlos möglich ist, steigt die Nachfrage nach spannenden Reisezielen ohne großen touristischen Andrang. Die jährliche Liste mit 25 inspirierenden und weniger frequentierten Destinationen führt im kommenden Jahr an Orte voller Wunder – für Reisende aller Altersgruppen. Mit dem Besuch kann zur Unterstützung der lokalen Gemeinden und Ökosysteme beigetragen werden.
In den fünf Kategorien Kultur, Abenteuer, Natur, Familie und Gemeinschaft berichten unsere National Geographic Redakteure von den diesjährigen Zielen, die – noch unter dem allgemeinen Reiseradar – darauf warten, entdeckt zu werden.
Hier kommen fünf ausgewählte Orte für unvergessliche Reisen in die unberührte Natur der Welt.
Slowenien
Der osteuropäische Pionier auf dem Gebiet des nachhaltigen Tourismus
Der türkisfarbene Fluss Soča fließt durch das Soča-Tal im Westen Sloweniens. Das Tal ist als Wunderland der Natur mit zahlreichen Radwegen bekannt.
Slowenien, allgemein anerkannt als Anführer im Hinblick auf nachhaltigen Tourismus, hat bereits eine Reihe von umweltfreundlichen Touren unter dem siebenjährigen landesweiten Green Scheme entwickelt. Jetzt gibt es einen weiteren Posten auf der Speisekarte: die Slovenia Green Gourmet Route. Diese elftägige Verköstigungstour ist konkret für Radfahrer ausgelegt.
„Radler können eine Menge abgelegener [Landschaften] erreichen, um zu entdecken, dass jede [Kuh-]Weide einzigartigen Käse hervorbringt“, sagt Jan Klovara, einer der Entwickler der Strecke. Die Route führt durch das ganze Land, von der Hauptstadt Ljubljana durch das Soča-Tal mit Alpenblick bis zur höhlenübersäten Hochebene Karst und an den Flüssen Drava und Sava entlang.
Radfahrer nutzen das slowenische Zugsystem, um von einem Punkt zum anderen zu gelangen, und navigieren mit ihrer eigenen Wadenkraft an ungefährliche Landstraßen entlang. Danach setzen sie sich in Städten wie Maribor in ein Sternerestaurant, das berühmt ist für die lokale und serbische Küche. Sie könnenPršut (Prosciutto) in Štanjel probieren oder an guten Jahrgängen in einem Weinkeller in Brda nippen. Dieses landwirtschaftliche Weingebiet wird auch die Toskana Sloweniens genannt. Besucher können dem Weg folgen oder ihn so anpassen, dass er zu ihren eigenen Interessen und Geschmäckern passt. „Es ist eine Tour, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist“, sagt die Kollegin der Gourmet Route, Jana Apih.
Schottisches Hochland
Die Rückverwilderung des Schottischen Hochlands
Das Alladale Wilderness Reserve umfasst mehr als 100 Quadratkilometer dramatischer Täler, stimmungsvoller Seen und gewundener Flüsse im Herzen der schottischen Highlands. Das Reservat ist Teil einer Rewilding-Initiative, die die ursprüngliche Flora und Fauna der Region wieder einführen will.
Das windgepeitschte Schottische Hochland wird für seine nüchterne Schönheit gefeiert, aber die von Schafen durchkämmte Landschaft ist eigentlich das Resultat von Eingriffen durch Menschen. Im Altertum waren die schottischen Bergschluchten und Hügel vom großen Kaledonischen Wald bedeckt. Kiefern, Vogelbeerbäume und Eichen gewährten allen möglichen Wildtieren Unterschlupf, wie zum Beispiel Wölfen, Bären und Auerochsen – sie alle sind inzwischen verschwunden. Jahrhundertelange Abholzung und Überweidung hat das Ökosystem zerstört. Jetzt gewinnt eine Bewegung an Fahrt, die versucht, das Hochland in seine ursprünglichen Wälder zurückzuverwandeln, indem man ehemalige Flora und Fauna in einem „Rückverwilderungsprozess“ wiedereinführt: Wesentliche Schritte sollen 2023 erfolgen.
Die gemeinnützige Organisation Trees for Life ist dabei, ein Zentrum in Dundreggan zu eröffnen, um die Öffentlichkeit im Hinblick auf die Rückverwilderung zu informieren. Oberhalb von Inverness hat die Alladale Wilderness Reserve auf einem 9.308 Hektar umfassenden Gebiet fast eine Million Bäume gepflanzt; zudem leitet sie ein Zuchtprogramm, um die heimische schottische Wildkatze wiederanzusiedeln, und plant in einem längerfristigen Projekt, die Wölfe zurückzubringen. Das ambitionierteste Vorhaben Affric Highlands wird damit beginnen, 202.343 Hektar Land von Loch Ness bis zur Westküste in einer 30-jährigen Initiative wiederherzustellen – dadurch könnte Schottland die erste rückverwilderte Nation der Welt werden.
Azoren
Einer der besten Orte der Welt, um Wale zu beobachten
Junge Pottwale tummeln sich in der Nähe der Insel São Miguel auf den Azoren. Sie sind eine der fast 30 Walarten, die in den Gewässern rund um die Inselgruppe im Atlantik leben.
Ein Land, das aus dem Feuer geboren wurde und jetzt vom Grün verschlungen ist – die Azoren arbeiten daran, ihre Zukunft zu sichern. Diese vulkanische Inselkette mitten im Atlantik ist eine autonome Region von Portugal, etwa Tausend Meilen von der Küste entfernt gelegen. „Die Azoren sind neun Inseln mit verschiedenen Gewohnheiten und Akzenten, die von Insel zu Insel variieren“, sagt National-Geographic-Forscherin Miriam Cuesta Garcia, eine Meeresbiologin, die das nächtliche Verhalten von Wasservogelküken auf der Insel Pico untersucht. „Aber die Azoren haben eine einheitliche Vision, was Nachhaltigkeit angeht. Sie wissen, dass sie ihre einzigartige Umwelt [schützen] müssen, damit sie so bleibt, wie sie ist, selbst wenn sich Dinge verändern.“
Da vier der neun Inseln UNESCO-Biosphärenreservate – und von dem World Wildlife Fund als Oase für 28 Wal- und Delfinarten anerkannt – sind, nehmen die Azoren nachhaltigen Tourismus sehr ernst. Es war die erste Inselgruppe der Welt, die von EarthCheck zertifiziert wurde, einem australischen internationalen Beirat und Anführer des grünen Tourismus, der den Preis 2019 verlieh. Das portugiesische Territorium konzentriert sich jetzt auf den Schutz von Natur und Artenvielfalt, Luft- und Wasserqualität sowie die Bewahrung des indigenen Kulturerbes. Zum Beispiel begrenzen die Behörden die Anzahl der Wanderer pro Tag am Ponta do Pico, dem höchsten Gipfel in Portugal, um sicherzustellen, dass die Besucher der nächsten Jahre die dramatische Vulkanlandschaft der Insel Pico auch noch genießen können.
Big-Bend-Nationalpark, Texas
Eine texanische Alternative zum überlaufenen Yellowstone
Am Kamm des etwa 20 Kilometer langen South Rim Trail in Big Bend bietet sich ein beeindruckender Panoramablick auf die Chihuahua-Wüste in Nordmexiko.
Er befindet sich im legendären Lone Star State, aber dennoch haben vor der Pandemie nur 400.000 Menschen den Big-Bend-Nationalpark besucht. Das sind beinahe zehnmal weniger Besucher als in Yellowstone, berichtet Robert Draper, mitwirkender Autor bei National Geographic. In diesem abgelegenen und dürren Teil von Westtexas sind mehr Kakteenarten als in allen anderen Nationalparks zuhause, das Gleiche gilt für die Vogelsorten Rennkuckuck und den leuchtend gelben Scott-Trupial sowie Säugetiere wie das Nabelschwein. Aber das Aufeinandertreffen mit Wildtieren in der Wüste ist etwas Besonderes. „Sie erinnern Dich daran, dass das Leben wertvoll und dort zu finden ist, wo man nicht damit rechnen würde“, schreibt Draper. „Vor allem ist das Leben in der Chihuahua-Wüste, welche die 3.243-Quadratkilometer-Fläche von Big Bend beinhaltet, widerspenstig und oft missverstanden – allerdings auch unvergesslich.
Aber Big Bend hat mehr zu bieten als Natur. Der Fluss Rio Grande bildet eine 190 Kilometer lange Grenze zwischen Big Bend und Mexiko, und zahlreiche Kulturen erstrecken sich entlang der natürlichen Trennung. Kleine Städte außerhalb des Parks bilden eine Inselgruppe aus verschiedenen Geschmäckern und Weltanschauungen, von der mexikanischen Grenzgemeinde Ojinaga über die Alpine Dusty Cowboys bis hin zu exzentrischen Malern, die in Marfa leben. Diese diversen Bewohner haben eine Sache gemeinsam: die weite, entlegene Aussicht, die sie ihr Zuhause nennen.
Botswana
Die neue Safari
Elefanten grasen inmitten der üppigen Wasserwege des Okavango-Deltas, das eine erstaunliche Vielfalt an afrikanischen Wildtieren beherbergt.
Das südafrikanische Land Botswana wird weiterhin mit einer Reihe von Gefahren für seine ausgedehnten wildtierreichen Nationalparks und Wildreservate konfrontiert, von Wilderei bis hin zu Massentourismus. Daher gibt es nun Anti-Wilderer-Unterfangen, Freiwilligentourismus und gemeindebasierte Öffentlichkeitsarbeit, um die Lage etwas zu entspannen.
Im Tuli Block, eine Wildnis an der Ostgrenze Botswanas, wo Leoparden, Schabracken- und Tüpfelhyänen sowie eine große Elefantenpopulation beheimatet sind, installieren Ranger Hochtechnologie im 435 Kilometer weiten Central Tuli Game Reserve. Eine niederländische Organisation namens Smart Parks hat stromsparende Sensoren entwickelt, die Radiodaten zurück zur Zentrale übermitteln, um Ranger auf Wilderer und ihre Fahrzeuge aufmerksam zu machen oder sogar die Bewegungen der Tiere selbst zu verfolgen.
Botswana spricht so auch eine neue Besuchergeneration an. „Seit COVID interessieren sich unsere reisenden Millennials stärker für sinnvolle menschliche Kontakte“, sagt National-Geographic-Forscherin Koketso „Koki“ Mookodi. „Wir werden mehr Touren mit handwerklichen Themen und Aufenthalte in Dorfhäusern anbieten.“
Mookodi, die Geschäftsführerin des Botswana Wildbird Trust, ist dabei, ein Informationsprogramm in zehn abgelegenen Dörfern im Ostteil des Okavangodeltas einzuführen. Ihre Initiativen, die sich Fortbildungsausflüge nennen, nehmen Dorflehrer mit auf Safaris ins Delta, wo ihnen gezeigt wird, wie man die Umwelt und lokale Kultur in den Unterricht einfließen lassen kann. „Dies ist eine Gelegenheit, die Natur als Schultafel zu nutzen“, sagt Mookodi. Sie hofft, das Programm ausweiten zu können, damit auch ausländische Erzieher sich engagieren können.
Reisende können sich für kurze Kurse am Kwapa Camp der African Guide Academy anmelden, einer Urwaldzentrale und Ausbildungsstätte für Führer. Die Möglichkeiten reichen von einwöchigen Kursen über Fährtenlesen von Tieren und Überlebenstechniken im Urwald zu einem 28-tägigen Reiseleiterkurs, der den Teilnehmenden tiefgehendes Wissen über die Wildnis Afrikas vermittelt.