Wandern am Grünen Band: Die schönsten Routen entlang der ehemaligen Grenze

40 Jahre lang sorgten Wachtürme, Minenfelder und Metallzäune dafür, dass niemand unbefugt die innerdeutsche Grenze passierte. Heute kann man im ehemaligen Todesstreifen wandern gehen – vom Frankenwald bis zur Ostsee.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 2. Okt. 2024, 08:32 MESZ
Drohnenaufnahme: Ein Fluss und Felder, zwischen denen eine grüne Schneise erkennbar ist.

Das Grüne Band zieht sich vom Frankenwald bis zur Ostsee durch Deutschland.

Foto von Klaus Leidorf

Ein Schritt in den Osten, ein Schritt in den Westen – und wieder zurück. Heute ist es einfach, auf der ehemaligen innerdeutschen Grenze spazieren zu gehen. Vor mehr als 35 Jahren sah das anders aus: Wachtürme, meterhohe Metallzäune, Minenfelder und patrouillierende Soldaten hielten die deutsche Bevölkerung davon ab, die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) ohne triftigen Grund zu passieren. 

Vierzig Jahre lang war Deutschland geteilt. 1.394 Kilometer lang schlängelte sich die Grenze mitten durchs Land. Dabei trennte sie nicht nur einen ganzen Staat und Millionen von Menschen voneinander, sondern zerschnitt auch wichtige Kulturlandschaften und Lebensräume von Tieren. Auch bis zu 25 Jahre nach der Grenzöffnung hielten sich manche Populationen, zum Beispiel Rothirsche im Nationalpark Böhmerwald, von der ehemaligen Grenzregion fern.

Doch die Betretungsverbote hatten auch eine positive Seite: Da die Grenzflächen kaum bewirtschaftet wurden, entstand eine Schneise von Offenlandbereichen und beinahe ungenutzten Waldflächen. Diese konnten sich im Schatten der Grenze ungestört zu wertvollen Lebensräumen für gefährdete Tier- und Pflanzenarten entwickeln.

Inhalt

Die Geburtsstunde des Grünen Bandes

BELIEBT

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    Am 9. Dezember 1989 fand das erste gesamtdeutsche Treffen zum Grünen Band statt.

    Foto von Ernst Sammer

    Als die Grenze am 9. November 1989 fiel, trafen sich Naturschützer aus Ost- und Westdeutschland einen Monat später, um den gesamten Grenzstreifen unter Schutz zu stellen. Es war die Geburtsstunde des Grünen Bandes, das sich in den kommenden Jahren zum größten Naturschutzprojekt der Bundesrepublik entwickeln sollte. Um das Grüne Band, seine Historie und einzigartige Flora und Fauna erlebbar zu machen, wurden in den verschiedenen Bundesländern Rad- und Wanderwege ausgewiesen, zum Beispiel vom Deutschen Wanderverband. Vom Frankenwald über das Thüringer Schiefergebirge und die Rhön, durch das Eichsfeld, den Harz, die Altmark und das Wendland, entlang der Elbe bis zur Ostsee können Wandernde heute auf den Spuren der Vergangenheit wandern – und die facettenreichen Biotope des Grünen Bandes entdecken. 

    Zum Tag der Deutschen Einheit stellen wir die schönsten Routen entlang der ehemaligen Grenze vor. 

    Urwaldpfad Hirschberg – Thüringer Urwaldpfade

    Naturpark Thüringer Schiefergebirge/Obere Saale

    Wildnis an der ehemaligen Grenze: Auf den Thüringer Urwaldpfaden kann man unberührte Wälder und seltene Insekten entdecken. 

    Foto von Max Boxleitner, CC BY, Thüringen-entdecken.de

    Im Südosten Thüringens, kurz vor der Grenze zu Tschechien, liegt der Naturpark Thüringer Schiefergebirge/Obere Saale. Darin: ausgedehnte Waldgebiete, Höhenlagen bis zu 800 Meter, zwei Stauseen – und die Saale, die östlich von Hirschberg einst die BRD und die DDR voneinander trennte.

    Im ehemaligen Grenzgebiet führt der Urwaldpfad Hirschberg durch eindrucksvolle Auen und Waldgebiete sowie über den ehemaligen Kolonnenweg. Er gehört zu den Thüringer Urwaldpfaden: Waldwildnisgebiete, die aus der forstwirtschaftlichen Nutzung genommen wurden und sich nun frei entfalten dürfen. Sie reihen sich entlang von Thüringens Höhenzügen aneinander und sind für ihren Artenreichtum bekannt. Wer über den Urwaldpfad und über den alten Kolonnenweg wandert, kann mit etwas Glück auf seltene Arten wie den Kardinalroten Schnellkäfer (Ampedus cardinalis) treffen, der zu den Urwaldreliktarten zählt. Bis Ende November 2024 ist ein Teil des Wanderweges gesperrt, eine Umleitung ist ausgewiesen.

    Rundweg

    Schwierigkeitsgrad: leicht
    Länge: 2,8 Kilometer
    Dauer: ca. 2 Stunden
    Auf- und Abstieg: 90 hm

     

    FrankenwaldSteigla Grenzer-Weg

    Naturpark Frankenwald

    Der ehemalige Kolonnenweg führte einst entlang der deutsch-deutschen Grenze. Heute ist er ein Relikt der Vergangenheit, umgeben von wilder Natur. 

    Foto von Enrico Martino

    Wo einst Stacheldraht, Minen und Wachtürme den Grenzübertritt im Frankenwald verhinderten, kann man heute mühelos von Oberfranken nach Thüringen wandern. Auf dem Grenzer-Weg des FrankenwaldSteigla erleben Wandernde nicht nur die Geschichte der deutschen Teilung, sondern auch eine einzigartige Natur, die jahrzehntelang im Schatten des Todesstreifens aufblühte – und bis heute als Teil des Grünen Bandes unter Schutz steht. 

    Der Wanderweg startet am ältesten Wirtshaus des Frankenwaldes, dem Wirtshaus Adelskammer in Carlsgrün, und führt durch die Bestände der Bayerischen Staatsforste, an der Wasserscheide Elbe/Rhein entlang, über die ehemalige Grenze und den Kolonnenweg bis auf den Rennsteig. In Seibis passiert man ein typisches Frankenwalddorf mit Schieferhäusern, bevor man nach einer weiteren Etappe auf ruhigen Waldpfaden und an Schautafeln zur Geschichte und Natur vorbei zum Ende der Tour gelangt. 

    Rundweg

    Schwierigkeitsgrad: schwer
    Länge: 17,3 Kilometer
    Dauer: ca. 5 Stunden 20 Minuten
    Auf- und Abstieg: 389 hm

     

    Der Hochrhöner – Lange Rhön, Etappe 3: Von Oberweißenbrunn bis Birx (Frankenheim)

    Biosphärenreservat Rhön

    Wunderschöne Talaussichten warten auf dem Hochrhöner Fernwanderweg.

    Foto von Rhön GmbH / Martin Morgenweck

    Der Fernwanderweg Hochrhöner erstreckt sich von Bad Kissingen bis nach Bad Salzungen – 175 Kilometer durch die Landschaft im Herzen Deutschlands. Dabei passiert er die Ländergrenzen Bayerns, Hessens und Thüringens. Ein Abschnitt auf der 21 Kilometer langen dritten Etappe verläuft am Grünen Band entlang. Dort können Wandernde bis heute Zeugnisse der Grenzgeschichte Deutschlands finden. Darunter einen der wenigen erhaltenen Grenztürme am Grabenberg und ein altes Stück Grenzzaun, das wieder aufgebaut wurde.

    Neben historischen Denkmälern gibt es auf dem mittelschweren Wanderweg einmalige Panoramaaussichten auf die Täler der Rhön und eine kurze Etappe durch das Biosphärenreservat Schwarzes Moor. Am Ende des Weges warten zwei Highlights auf müde Wandernde: ein Barfuß-Panoramaweg direkt am Kolonnenweg und ein mit Bergwasser gespeistes Becken.  

    Kein Rundweg

    Schwierigkeitsgrad: mittel
    Länge: 21 Kilometer
    Dauer: 6 Stunden
    Aufstieg: 490 hm
    Abstieg: 370 hm

     

    Werra-Burgen-Steig – Etappe 6: Von Bad Sooden-Allendorf bis Hessische Schweiz/Hitzelrode

    Geo-Naturpark Frau-Holle-Land

    Der Werra-Burgen-Steig führt auf 133 Kilometern von Hann. Münden in Niedersachsen bis nach Nentershausen in Hessen. Er gilt als einer der schönsten Wanderwege Deutschlands, unter anderem wegen der zahlreichen mittelalterlichen Burgen und Schlösser, die unterwegs aus dichten Wäldern aufragen.

    Blick von der Hessischen Schweiz auf das Schloss Rothenstein zwischen Bad Sooden-Allendorf und dem Grünen Band.

    Foto von Deutscher Wanderverband / Erik Neumeyer

    Jüngere historische Ereignisse können Wandernde auf Etappe 6 des Weitwanderweges nachvollziehen: Auf diesem Abschnitt passiert man die ehemalige innerdeutsche Grenze zwischen Hessen und Thüringen. Zwischen dem Startpunkt Bad Sooden-Allendorf und dem Ziel Hitzelrode führt der Weg unter anderem am Grünen Band entlang. Historische Grenzsteine und der Kolonnenweg der DDR-Grenzsoldaten erinnern an die jahrzehntelange Teilung Deutschlands. Ein Stück Grenzzaun zeugt von vergangenen Zeiten, auf einer Tafel wird über die Geschichte und die Öffnung der Grenze an dieser Stelle im Jahre 1989 informiert. Dazu gibt es auf den malerischen Pfaden der Etappe diverse Aussichtspunkte – unter anderem auf das Schloss Rothestein, an dem der Wanderweg ebenfalls vorbeiführt. 

    Kein Rundweg

    Schwierigkeitsgrad: schwer
    Länge: ca. 13 Kilometer
    Dauer: 4 Stunden
    Aufstieg: 450 hm
    Abstieg: 100 hm


    Harzer Grenzweg – Von Walkenried bis Hohegeiß
    Nationalpark Harz

    Auf versteckten Wiesen- und Waldwegen über den Grenzweg: Der Drei-Länder-Stein markiert die Stelle, an der die Bundesländer Sachsen-Anhalt, Thüringen und Niedersachsen aneinandergrenzen. 

    Foto von Tourismusverband e.V. / E. Ronkainen-Kolb

    Der knapp 100 Kilometer lange Harzer Grenzweg zieht sich von Nord nach Süd durch die bergige Landschaft des Mittelgebirges, immer entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Kilometerlange Kolonnenwege wechseln sich ab mit idyllischen Pfaden durch unberührte Natur. Neben historischen Grenzmarken, Hinweisschildern zur Geschichte und anderen Relikten der deutschen Teilung, kann man entlang des Grünen Bandes auch eine außergewöhnliche Natur erleben. Seltene Orchideenarten blitzen an den Wegrändern hervor, Fischotter baden in den ruhigen Flussläufen.

    Auf der Etappe vom Zisterzienserkloster Walkenried nach Hohegeiß verläuft der Grenzweg versteckt durch geheimnisvolle Harztäler. Die verborgenen Pfade waren einst von Spionage und Flucht geprägt. Heute hat die Natur hier Raum, sich weitestgehend ungestört zu entfalten. Am Anfang der Tour lohnt sich auch ein Besuch in der mittelalterlichen Klosteranlage in Walkenried, die 2010 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurde. 

    Kein Rundweg

    Schwierigkeitsgrad: mittel
    Länge: ca. 18 Kilometer
    Dauer: 5 Stunden
    Aufstieg: 440 hm
    Abstieg: 80 hm
     

    Dünenweg Klein Schmölen

    Naturpark Mecklenburgisches Elbetal 

    In Klein Schmölen befindet sich die größte Binnenwanderdüne Europas – mit sagenhaften Ausblicken, unter anderem auf das Grüne Band. 

    Foto von TMV / Neumann

    Weniger bekannt sind die Landschaften des Grünen Bandes im Norden Deutschlands. Dort gehören nicht nur Feuchtgebiete wie die Auenwildnis Lenzen zum Repertoire der einzigartigen Lebensräume an der ehemaligen Grenze, sondern auch Heideflächen und offene Sanddünen wie die Binnendüne an der Elbe in Klein Schmölen. Mit einer Länge von gut zwei Kilometern ist sie die größte Binnenwanderdüne Europas und bietet von ihrem höchsten Punkt in etwa 42 Metern Höhe einen weiten Blick über die Löcknitzniederung in Mecklenburg, die Lenzener Wische in Brandenburg und auf das Elbevorland in Niedersachsen. 

    Damit die vulnerablen Sand- und Trockenflächen nicht bewalden oder verbuschen, werden verschiedene Schutz- und Pflegemaßnahmen ergriffen. Durch sie bleiben die geschützten Lebensräume am Grünen Band bestehen – und bieten Platz für diverse gefährdete Arten. Wer genau hinschaut, entdeckt auf seiner Wanderung auf dem Dünenweg in Klein Schmölen vielleicht die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) oder die Harlekinspinne (Salticus scenicus).

    Rundweg

    Schwierigkeitsgrad: leicht
    Länge: ca. 4,5 Kilometer
    Dauer: ca. 1 Stunde 30 Minuten
    Auf- und Abstieg: 30 hm

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