Können sich Affen mit Menschen anfreunden? Experten geben Auskunft.

Die Freundschaft zwischen einem Jungen und einer Horde Affen könnte missdeutet worden sein. Die Möglichkeit einer solchen Bindung ist jedoch noch nicht ausgeschlossen.

Von Sarah Gibbens
Veröffentlicht am 8. Dez. 2017, 13:36 MEZ
Wilde Affen freunden sich mit kleinem Jungen an

Aus einem kleinen Dorf im Südosten Indiens stammt der Bericht über ein Kleinkind, das sich mit einer Gruppe Affen „angefreundet“ hat.

Die Videosequenzen zeigen einen etwa einjährigen Jungen, der mit einer Gruppe Affen spielt. Dabei handelt es sich um Hanuman-Languren, eine kleine Spezies von Altweltaffen, die in dieser Region weit verbreitet ist.

Der Junge läuft ihnen nach, zieht sacht an ihren Schwänzen und jagt die Affen spielerisch. Im Gegenzug springen die Tiere durch die Gegend und jagen ihn seinerseits. Auf den ersten Blick wirkt der Austausch wie ein gewöhnliches Fangen-Spiel zwischen menschlichen Kindern.

Lokale Nachrichten beschreiben die Interaktion als bemerkenswerte „Freundschaft“ zwischen Mensch und Affen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Meldungen über Menschen auftauchen, die eine starke Bindung mit unseren wilden Verwandten eingehen.

Im vergangenen April wurde ein Mädchen nackt und allein im Wald gefunden. Die ersten Berichte sprachen fälschlicherweise davon, dass sie von einer Horde Affen aufgezogen worden war. Aber  auch wenn sich dies als unwahr herausstellte, spekulierten viele doch über die Möglichkeit einer solchen Interaktion. Eine ähnliche Debatte kam im Jahr 2016 auf, als ein kleiner Junge in das Gehege eines Gorillas namens Harambe fiel.

In beiden Fällen wollten die Leute glauben, dass ein Primat einem Menschen in Not altruistisch helfen kann. Aber ist dies biologisch gesehen überhaupt möglich?

EXPERTENMEINUNGEN

Es stimmt, dass Affen biologisch gesehen unsere entfernten Verwandten sind, aber es ist unwahrscheinlich, dass sie uns als solche sehen, sagen Fachleute.

„Tatsächlich sind diese Tiere in der Realität sehr opportunistisch“, sagt Luisa Arnedo, eine Programmleiterin der National Geographic, die im Rahmen ihrer Doktorarbeit Primaten erforscht hat.

Menschen wie dieser kleine Junge, der im Video zu sehen ist, bringen den Affen in dieser Region oft Futter. Arnedo erklärte, dass diese Altweltaffenart sehr sozial agiert. Sie leben in matriarchal geführten Gruppen von etwa 15 Tieren in denen es oft zahlreiche Jungtiere gibt. Es ist normal, dass die Mitglieder einer Gruppe Empathie gegenüber anderen Mitgliedern ausdrücken.

Galerie: Die Menschen des Amazonas und ihre Affen

„Freundschaften und Zusammenarbeit sind wichtig, um das Überleben der Gruppe zu sichern“, sagt sie.

„Bei Makaken ist es nicht ungewöhnlich, dass Säuglinge adoptiert werden“, berichtet Augustin Fuentes, ein Anthropologe an der University of Notre Dame. Er bezieht sich dabei auf einen erwachsenen Makaken und ein nicht mit ihm verwandtes Jungtier. Ob dies jedoch auch mit einer anderen Spezies geschehen würde, kann niemand vorhersehen.

„Ich lehne mich jetzt weit aus dem Fenster und sage: Ja, möglich wäre es, aber es kommt extrem selten vor“, sagt Fuentes. Einem Fremden zu helfen, meinte er, „ist eine durch und durch menschliche Eigenschaft. Das ist etwas, das Menschen von allen anderen Lebewesen unterscheidet.“

Sowohl Arnedo als auch Fuentes gaben an, eine Bindung mit den Affen eingegangen zu sein, die sie in der Feldforschung studierten.

„Wenn man genug Zeit mit ihnen verbringt, fühlt man sich als Teil ihrer Gruppe“, sagt Arnedo. Sie fügte jedoch hinzu, dass das Verhalten von Primaten – ebenso wie bei Menschen – von Umweltfaktoren und individuellen Charakterzügen beeinflusst wird. Primaten, die in Regionen mit viel Wilderei leben, sind vermutlich feindseliger gegenüber Menschen als an Orten, wo sie oft gefüttert werden.

Seltene Aufnahmen eines neugeborenen Gorillas

Beide Wissenschaftler sind sich einig: Der Grund für die „Freundschaft“ zwischen einem indischen Jungen und Affen liegt wohl eher im Futter als allem anderen begründet. Seine geringe Körpergröße macht ihn zudem eventuell weniger bedrohlich als ein ausgewachsener Mensch. Fuentes gibt allerdings zu bedenken, dass einige Primaten menschliche Unterschiede gut erkennen können.

„Wir wissen, dass sie männlich und weiblich sowie Kinder und Erwachsene voneinander unterscheiden können. Außerdem glauben wir, dass sie mancherorts verschiedene Nationalitäten erkennen“, sagt er. Er bezieht dies darauf, dass Menschen aus unterschiedlichen Regionen oft auch für ihre Heimat spezifische Verhaltensmuster zeigen. „Affen lernen das sehr schnell.“ (Lesenswert: Jane Goodall: Der gute Geist von Gombe)

Unter keinen Umständen sollte sich ein Laie wilden Affen nähern. Zum einen besteht die Gefahr, gebissen zu werden und sich mit Krankheiten anzustecken. Zum anderen können Menschen auch Krankheiten auf die Tiere übertragen oder ihr natürliches Fressverhalten, die Nahrungssuche oder Verhaltensmuster stören. Wilde Tiere mit einem sicheren und respektvollen Abstand zu beobachten, ist immer das Beste.

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

 

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