See-Elefanten: Kolonien bestehen aus Nachwuchs weniger „Supermamas“

Anfang des 20. Jahrhunderts waren sie fast ausgestorben, nun erholen sich die Bestände von See-Elefanten – auch dank der Leistungen einiger weniger Weibchen.

Von Carrie Arnold
Veröffentlicht am 26. Sept. 2019, 12:36 MESZ
Nördlicher See-Elefant
Ein weiblicher Nördlicher See-Elefant kuschelt mit seinem Nachwuchs.
Foto von Marc Moritsch, Nat Geo Image Collection

Jeden Dezember schleppen sich mehr als 3.000 Nördliche See-Elefanten aus dem eiskalten Pazifik und an die Strände des kalifornischen Año Nuevo State Park.

Für die werdenden Mütter unter ihnen ist es ein Rennen gegen die Zeit: Den etwa 680 Kilogramm schweren Tieren bleibt nur ein Monat, um ihre Jungen zu gebären, zu säugen und zu entwöhnen, ehe sie ins Meer zurückkehren, um zu fressen und wieder zu Kräften zu kommen.

Das Leben der Tiere ist brutal und gnadenlos. Viele Weibchen bringen nur ein paar Junge zur Welt, bevor sie sterben. Eine neue Analyse hat nun Daten von 7.700 See-Elefantenmüttern ausgewertet, die über einen Zeitraum von etwa 50 Jahren gesammelt wurden. Das überraschende Ergebnis: Ein kleiner Anteil langlebiger „Supermamas“ ist für den Großteil des Nachwuchses einer Kolonie verantwortlich. Manche der Weibchen zogen in 23 Jahren bis zu 17 Junge groß.

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Diese Supermamas hatten ihr erstes Jungtier im Durchschnitt etwas später als ihre Artgenossen. Deshalb waren sie größer, gesünder und erfahrener, was wiederum dazu führte, dass ihre Jungtiere kräftiger waren und mit größerer Wahrscheinlichkeit selbst Nachwuchs produzierten.

„Das hat uns überrascht“, sagt Burney Le Boeuf, ein Ökologe der University of California in Santa Cruz und Autor der neuen Studie, die im „Canadian Journal of Zoology“ erschien. „Aber diese Tiere bestimmen die Zukunft der Kolonie.“

Anfang des 20. Jahrhunderts waren See-Elefanten durch die Jagd fast ausgerottet. Ein besseres Verständnis für ihre Populationsstruktur könnte Wissenschaftlern dabei helfen herauszufinden, wie sich die Bestände erholen können.

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    Le Boeuf und seinen Kollegen war aufgefallen, dass die meisten Weibchen in Año Nuevo sehr jung waren – gerade mal ein paar Jahre. Weil sie den Großteil des Koloniebestandes ausmachten, gingen die Forscher davon aus, dass auch die meisten Jungtiere der Kolonie von diesen Müttern abstammten. Ihre Daten lieferten jedoch ein völlig anderes Ergebnis.

    Als die Wissenschaftler untersuchten, wie viele Jungtiere lange genug überlebten, um sich zu paaren und selbst Junge zu bekommen, stießen sie auf etwas Unerwartetes: Obwohl nur 6 Prozent der Weibchen in ihrem Leben zehn oder mehr Junge zur Welt brachten, gingen etwa 55 Prozent aller Jungtiere der Kolonie auf sie zurück. Ein noch kleinerer Prozentsatz dieser Supermamas – weniger als ein Prozent aller Weibchen – brachte sogar bis zu 20 Junge zur Welt.

    Le Boeuf, der mittlerweile emeritiert ist, erforscht diese See-Elefantenkolonie bereits, seit er sie als frisch gebackener Professor 1967 zum ersten Mal gesehen hat.

    „Mich hat völlig verblüfft, was ich sah. Ich habe schon auf dem Weg zurück zum Campus einen Antrag auf ein Forschungsstipendium geschrieben“, erzählt Le Boeuf. Er wurde einer der ersten Wissenschaftler, die die Geschichte einer Tierart entschlüsselten, die fast ihr gesamtes Leben im Meer verbringt. Um einzelne See-Elefanten über mehrere Jahre hinweg zu erforschen, entwickelte Le Boeuf farbige Plastikmarken mit einzigartigen Zahlen- und Buchstabenkombinationen, die an der hinteren Flosse befestigt werden und die Tiere nicht weiter stören.

    Vorläufige Daten des Langzeitprojekts bestätigten einige Hypothesen: Sobald die Weibchen mit etwa vier Jahren geschlechtsreif wurden, brachten sie bis zu ihrem Tod fast jedes Jahr ein Junges zur Welt. Einige Weibchen wurden schon vor der Vollendung des vierten Lebensjahres zum ersten Mal Mutter. Diese Tiere mussten also nicht nur Energie aufwenden, um ihr eigenes Wachstum zu vollenden, sondern auch, um ihren Nachwuchs zu produzieren und aufzuziehen. Dementsprechend waren ihre Jungtiere kleiner und hatten geringere Überlebenschancen. Auch die Mütter wiesen als ausgewachsene Tiere ein geringeres Körpergewicht auf und hatten eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, jung zu versterben.

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    Die Sterblichkeit ist unter den Jungtieren sehr hoch. Raubtiere, Nahrungsmangel und Mütter, die ihren Nachwuchs verlassen, sind allesamt Faktoren, die dafür sorgen, dass 75 Prozent der Jungen sterben, ehe sie selbst Nachwuchs haben können. Das ist ein astronomisch hoher Anteil, besonders im Vergleich zu den eng verwandten Südlichen See-Elefanten, sagt Elena Salogni. Die promovierte Meeresbiologin der Memorial University in Neufundland hat beide Gruppen von See-Elefanten erforscht, war an der jüngsten Studie aber nicht beteiligt.

    Die „Supermamas“ unter den See-Elefanten bringen allerdings Junge mit großen Überlebenschancen zur Welt. „Diese Mütter sind größer und erfahrener. Sie können ihren Nachwuchs besser beschützen“, so Salogni.

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    Die Studie verdeutlicht, weshalb Langzeitbeobachtungen von Tierpopulationen so wichtig sind. „Die meisten Kurzzeitstudien beziehen die Lebensdauer nicht mit ein.“ In dieser Studie ist das allerdings eine ausschlaggebende Variable. Wenn man nur ein Jungtier pro Jahr zur Welt bringt, kann man nur dann mehr Junge produzieren, wenn man länger lebt.

    Welche Eigenschaften eine See-Elefanten-Supermama ausmachen, kann Le Boeuf nicht mit Sicherheit sagen.

    „Wenn ich mir eine Gruppe See-Elefanten ansehen würde und die Supermamas ausfindig machen müsste, könnte ich das vermutlich nicht“, gibt er zu.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

     

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