Raubtier-Freundschaft: Dachs und Kojote jagen gemeinsam

Eine Wildkamera fing in den USA zwei ungleiche Freunde ein. Die Aufnahme illustriert, wie die beiden Prädatoren im urbanen Raum von ihrer Partnerschaft profitieren.

Von Christine Dell'Amore
Veröffentlicht am 24. Feb. 2020, 15:33 MEZ
Ein Kojote wartet darauf, dass ein Dachs ihm durch einen Abzugskanal in den südlichen Santa Cruz ...
Ein Kojote wartet darauf, dass ein Dachs ihm durch einen Abzugskanal in den südlichen Santa Cruz Mountains folgt.
Foto von Peninsula Open Space Trust

Es wirkt wie ein Bild aus einem Kinderbuch: Ein Kojote und ein Dachs trotten wie zwei gute Freunde Seite an Seite durch die Nacht.

Dieses Video fing Anfang 2020 eine Wildkamera unter einem Highway in den Santa Cruz Mountains von Kalifornien ein. Natürlich ging es auf Twitter sofort viral, denn wenig eint das Internet so sehr in gemeinsamem Entzücken wie niedliche Tierfreundschaften.

Wissenschaftler wissen schon länger, dass Kojoten und Dachse im Westen Amerikas manchmal bei der Jagd auf kleine Säugetiere kooperieren. Diese berühmte Partnerschaft wurde sogar in der Mythologie amerikanischer Ureinwohner verewigt. Aber bisher war man davon ausgegangen, dass die Interaktionen zwischen den zwei Beutegreifern – jeder von ihnen an der Spitze seiner jeweiligen Nahrungskette – rein transaktionaler Natur war. Was das Video deshalb so besonders macht, erklärt die Verhaltensökologin Jennifer Campbell-Smith: Man sieht darin „keine kalten, roboterhaften Tiere, die sich gegenseitig ausnutzen. Sie sind entspannt und pflegen einen freundlichen Umgang miteinander.“

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Der Kojote wedelt mit dem Schwanz und drückt sich mit ausgestreckten Vorderbeinen gen Boden – eindeutig eine spielerische Geste, die den Dachs dazu einlädt, ihm in den Tunnel zu folgen. Auch der Dachs signalisiert mit seiner Körpersprache Entspannung. Er habt sogar seinen Schwanz, um schneller laufen und mit dem Kojoten Schritt halten zu können. „Der Dachs wirkte durchaus gut gelaunt – für einen Dachs“, merkt sie amüsiert an. Die in Amerika heimischen Silberdachse sind für ihr mürrisches Gemüt berüchtigt.

Die Umgänglichkeit der beiden Tiere lässt darauf schließen, dass sie sich bereits kennen. „Ich würde den Begriff ‚Freunde‘ hier nicht im wissenschaftlichen Sinne benutzen. Aber das sind zwei wilde Tiere, die sich ihrer Partnerschaft eindeutig bewusst sind.“

BELIEBT

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    Das Video wurde von der gemeinnützigen Gruppe Peninsula Open Space Trust aufgenommen und stellt für Wissenschaftler eine bedeutende Entdeckung dar: Es zeigt das erste bekannte Beispiel einer Kooperation zwischen Kojote und Dachs in der San Francisco Bay Area. Außerdem ist es womöglich das erste Video überhaupt, das zeigt, wie zwei dieser Tiere gemeinsam einen Abzugskanal nutzen. Laut Campbell-Smith erfüllt es aber noch einen weiteren wichtigen Zweck: Es hilft den Menschen dabei, ein tieferes Verständnis für die Tiere in ihrer eigenen Heimat zu gewinnen.

    „Die Leute sehen das und denken dann: Hey, genauso, wie ich mit einem Hund befreundet sein kann, können die das auch“, sagt sie. „Das ist keine rein menschliche Eigenschaft: Alle Tiere können zusammenarbeiten.“

    Win-win-Situation

    Kojoten und Dachse tun sich oft zeitweise zusammen, um Jagd auf kleine, am Boden lebende Säugetiere zu machen. Besonders häufig kommt das in Gegenden vor, die eine besonders hohe Dichte an Jägern und Beute aufweisen, beispielsweise in den weiten, offenen Ebenen von Wyoming, Montana und Oregon. Am häufigsten kooperieren dabei ein Kojote und ein Dachs, manchmal tun sich aber auch zwei Kojoten zusammen. Zwei Dachse wurden bisher noch nicht gemeinsam beobachtet, erklärt Campbell-Smith.

    Bislang ist nicht bekannt, wie diese Beziehung beginnt und ob die Tiere sie vielleicht von ihren Eltern erlernen, sagt sie. Aber es gibt keinen Zweifel daran, dass beide Seiten davon profitieren.

    Die Strategien dieser beiden Fleischfresser ergänzen einander nämlich: Wenn ein Kojote Zeit mit einem Dachs verbringt, stehen die Chancen gut, dass letzterer ein Hörnchen aufscheucht, das der Kojote dann erlegen kann. Der Dachs wiederum profitiert von seiner Kojotenbegleitung, weil es wahrscheinlich ist, dass manche Beutetiere vor dem schnellen Jäger in einen Bau flüchten. Damit sind sie für den Dachs – ein sehr effektiver Buddler – ein gefundenes Fressen.

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    Dass dieser Mutualismus gut funktioniert, wurde bereits wissenschaftlich bestätigt. Kojoten und Dachse, die gemeinsam jagen, sind bei der Nahrungsbeschaffung effektiver. Beobachtungen in Wyoming haben offenbart, dass Kojoten in einer solchen Partnerschaft Energie und wahrscheinlich auch Zeit sparen, weil sie Uinta-Ziesel nicht erst suchen, jagen oder verfolgen müssen.

    Solche Studien haben auch gezeigt, dass Kojoten-Dachs-Duos eher in ländlichen Gebieten vorkommen. Das macht das Videos aus den Santa Cruz Mountains umso spannender, sagt Megan Draheim, eine Naturschutzbiologin der Virginia Tech und Gründerin des District Coyote Project, das Beutegreifer in Washington, D.C., erforscht.

    „Das zeigt ganz wunderbar, wie viel Wildnis und Natur es auch in urbanen Gebieten geben kann – und warum es so wichtig ist, die Natur zu bedenken und in die Planung einzubeziehen.“

    Außerdem zeigt das Video den Menschen auch die verspielte Seite der Kojoten, so Draheim.

    Vielen gelten sie als „gemeine, feige Tiere“, dabei sind Kojoten „sehr intelligent und interagieren viel mit den Tieren in ihrem Umfeld“. Sie findet es besonders bemerkenswert, „wie sehr das Spielverhalten [des Kojoten im Video] dem unserer Hunde ähnelt“.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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