Neue Manta-Kinderstube an Floridas belebten Stränden entdeckt
Dicht besiedelt, reger Bootsverkehr – trotzdem zieht es zahlreiche junge Mantarochen an Floridas Küste. Womöglich handelt es sich sogar um eine bislang unbekannte Art.
Die Forscherin Christina Coppenrath fotografiert einen jungen Mantarochen, dem sie beim Freitauchen in Südflorida entdeckt hat.
Als Jessica Pate den Juno Beach in Florida abfuhr und den Sand nach Spuren gefährdeter Meeresschildkröten absuchte, bemerkte sie einen riesigen schwarzen Schatten, der durch das seichte Wasser glitt.
Bei genauerem Hinsehen stellte sie erschrocken fest, dass es sich um einen Mantarochen handelte. Als begeisterte Taucherin und Biologin kannte Pate Menschen, die in Indonesien oder Hawaii mit diesen majestätischen Fischen geschwommen waren – aber nie in den geschäftigen Küstengewässern Südfloridas, wo mehr als sechs Millionen Menschen leben.
Fasziniert von ihrer Begegnung im Jahr 2010 suchte Pate nach wissenschaftlicher Literatur über die Mantarochenpopulation Südfloridas, fand aber nur eine Arbeit aus dem Jahr 1998. Also nahm sie die Sache selbst in die Hand.
Mehr als drei Jahre lang, von 2016 bis 2019, suchte Pate die Gewässer Südfloridas nach den anmutigen Rochen ab. Sie identifizierte schließlich 59 Individuen, die die Forscher nun als „urbane Mantas“ bezeichnen.
„Wir haben Mantas vor Präsident Trumps Mar-a-Lago und Jimmy Buffetts Margaritaville Resort schwimmen sehen“, sagt Pate. Auch einige Bewohner von Hochhäusern in Miami hätten während der Pandemie mehrere Mantas aus ihren Apartments heraus gesehen.
„Wir haben Mantas vor Präsident Trumps Mar-a-Lago und Jimmy Buffetts Margaritaville Resort schwimmen sehen“, sagt Pate. Auch einige Bewohner von Hochhäusern in Miami hätten während der Pandemie mehrere Mantas aus ihren Apartments heraus gesehen.
Abgesehen von ihrem kosmopolitischen Lebensstil fallen die Rochen aus Florida vor allem dadurch auf, dass sie fast allesamt Jungtiere sind. Erkennbar ist das an dem Fehlen von Paarungsnarben bei den Weibchen und der geringen Größe der Genitalien der Männchen.
In einer neuen Studie, die diese Woche im Fachmagazin „Endangered Species Research“ veröffentlicht wurde, stellen Pate und Kollegen ihre Befunde vor. Sie liefern starke Beweise dafür, dass es in Südflorida eine Kinderstube für Mantarochen gibt – erst die dritte, die je gefunden wurde. Manta-Kinderstuben sind in der Regel nahrungsreich und relativ frei von Raubtieren, so dass die Jungtiere dort gefahrlos aufwachsen können.
Ein Mantarochen namens Stevie Nicks schwimmt an der Küste Südfloridas unter einer Algeninsel hindurch.
„Es war erstaunlich, weil es so ein unerwarteter Fund war. Und auch die beiden anderen Kinderstuben wurden erst 2018 und 2019 [in Indonesien und dem Golf von Mexiko] identifiziert“, sagt Pate, die Gründerin und leitende Wissenschaftlerin des Florida Manta Project.
„Wir wissen so wenig über Mantas“, fügt sie hinzu. Die Forscher wollen mehr darüber lernen, wo sie gebären, wie lange sie leben oder wie sie sich ihre Partner aussuchen. Kinderstuben sind deshalb eine gute Möglichkeit, mehr über diese kaum erforschten Geschöpfe und ihren Schutz zu erfahren.
Die Weltnaturschutzunion stuft beide Arten von Mantarochen, den Riesenmanta (der eine Spannweite von bis zu sieben Metern erreicht) und den Riffmanta, als vom Aussterben bedroht ein. Seit 2018 wird der Riesenmanta in den USA zudem als bedrohte Art durch den Endangered Species Act geschützt.
In Kürze wird laut Pate noch eine weitere Studie erscheinen – mit genetischen Beweisen dafür, dass die Mantas aus Florida zu einer dritten, neuen Art von Mantas gehören.
Treffpunkt für die Rochen-Jugend
Für ihre Forschungen lieh sich Pate das Fischerboot ihres Großvaters und verbrachte so viele Tage wie möglich damit, die seichten Gewässer zwischen Jupiter Island und Boynton Beach zu durchkämmen. Während das Boot langsam vorwärts fuhr, stand sie auf dem Bug suchte nach großen, dunklen Formen, die sich über den weißen Sand bewegten.
„Ich kann Ihnen versprechen, dass ich jeden einzelnen mantaförmigen Felsen in Südflorida identifiziert habe“, witzelt sie. Später nutze sie auch Luftaufnahmen von Drohnen und Kleinflugzeugen für ihre Datensammlung.
Im Laufe der Jahre sah sie einige der 59 Rochen mehrfach. Einen davon tauften sie und ihre Kollegen Stevie Nicks, und ein besonders umtriebiges Weibchen namens Gillie traf sie ganze 23 Mal.
„In vielen Gebieten, in denen Mantas erforscht werden, sind juvenile Mantas eher die Ausnahme. Es ist sehr selten, fast ausschließlich Jungtiere in einem Gebiet zu sehen, wie es in Südost-Florida der Fall ist“, sagt Pate.
Diese ungewöhnlich große Zahl von Jungtieren, die immer wieder am gleichen Ort gesichtet werden, brachte sie zu der Annahme, dass es sich um eine Manta-Kinderstube handelt. Es sei auch möglich, dass das warme, seichte Wasser Südfloridas den Jungtieren hilft, ihre Körpertemperatur zu regulieren und schneller zu wachsen.
Galerie: Auf Tauchgang mit 800 Mantas
Allerdings können Mantas weite Strecken zurücklegen. Die einzige Möglichkeit, die Existenz einer Kinderstube in Südflorida zu bestätigen, besteht deshalb darin, die juvenilen Mantas mit Satelliten- und Akustiksendern auszustatten. Genau damit hat Pate in Abstimmung mit der NOAA bereits begonnen. (Niemand hat je einen wilden Manta bei der Geburt beobachtet, und ihre Fortpflanzungsgewohnheiten sind weitgehend ein Rätsel).
„Diese Studie bestätigt, dass wir sehr wenig über diese Tiere wissen“, sagt Csilla Ari. Die Professorin an der University of South Florida arbeitet ebenfalls mit der Manta Pacific Research Foundation zusammen. „Sie leben direkt vor unserer Nase in einem so dicht besiedelten Gebiet, und trotzdem sind sie so lange unentdeckt geblieben.“
Spuren menschlichen Wirkens
Joshua Stewart, ein Naturschutz-Ökologe und National Geographic Explorer, hat die mögliche Mantarochen-Kinderstube im Golf von Mexiko entdeckt. Auch er war überrascht davon, wie dicht an den geschäftigen Stränden die Mantas von Florida leben.
Am Körper dieses Mantarochen namens Ginger hat sich ein Angelköder verfangen. Fast die Hälfte der untersuchten Mantas wies eine Verletzung auf, die aus der Fischerei oder der Bootsindustrie resultierte.
„Wir reden viel über die Auswirkungen des Menschen auf Mantas – und dafür gibt es zweifelsfrei einige Belege an den Orten, an denen ich arbeite“, sagt Stewart, ein stellvertretender Direktor beim Manta Trust. „Aber Mantas in Floridas Küstenkanälen schwimmen zu sehen, wo riesige Jachten unterwegs sind, war wirklich ein Schock.“
In Florida besitzen mehr Einwohner Sportbootlizenzen als irgendwo sonst in den USA. Das könnte erklären, warum so viele der Mantarochen Floridas von Begegnungen mit Menschen gezeichnet sind. 27 Prozent der untersuchten Mantas hatten sich in Angelschnüren verfangen, und 46 Prozent zeigten laut Pates Studie Anzeichen von Verletzungen oder Narben von Bootspropellern, Angelausrüstung oder anderen nicht identifizierten Ursachen.
Überfischung und das Verheddern in Angelausrüstung sind weltweit eine große Bedrohung für Mantas. Die Weibchen werden erst mit acht bis zehn Jahren geschlechtsreif und bringen nur alle paar Jahre ein oder zwei Jungen zur Welt.
Aber sobald sie erst einmal ausgewachsen und für die meisten Raubtiere zu groß sind, sind ihre Überlebenschancen im Allgemeinen gut. Deshalb sei es „für die Überlebensfähigkeit der gesamten Population wirklich wichtig, diese Jungtiere zu schützen“, so Pate.
Angesichts dieser Gefahren hofft sie, dass ihre Studie die US-Regierung dazu veranlassen wird, einen dringend benötigten Lebensraum für Rochen in Südflorida unter Schutz zu stellen.
„Diese Mantas leben mit Millionen von Menschen in Südflorida, daher wird es nicht einfach sein, sie zu schützen“, sagt Pate. „Aber da die Zahl der Mantas auf der ganzen Welt zurückgeht, könnte das eine wirklich wichtige Population für den Erhalt der gesamten Art sein.“
Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.
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