Anomale Fellfarben verheißen nichts Gutes für die Zukunft der Zebras

Durch die Fragmentierung ihres Lebensraums kommt es bei Steppenzebras immer häufiger zu Inzucht. Das gefährdet die Gesundheit der gesamten Art.

Von Lindsay Patterson
bilder von Brenda Larison
Veröffentlicht am 28. Jan. 2021, 11:31 MEZ
Steppenzebras

Bei diesem Steppenzebra unterbricht ein heller Fleck sein Streifenmuster. Das Tier hält 2018 in Ruandas Akagera-Nationalpark inne.

Foto von Brenda Larison

Dass Zebras schwarzweiß gestreift sind, weiß jedes Kind. Aber es gibt auch ein paar Sonderlinge unter diesen afrikanischen Pferden, die ungewöhnliche Farbmuster aufweisen, beispielsweise große, schwarze Flecken oder goldenes Fell mit hellen Streifen. Auch gefleckte Zebras kommen immer häufiger vor: Im Jahr 2019 haben Wissenschaftler im Masai-Mara-Nationalpark in Kenia ein gepunktetes Fohlen mit weißen Flecken auf dunkelbraunen Fell dokumentiert.

Solche Anomalien werden oft durch genetische Mutationen verursacht, die die Produktion des natürlichen Pigments Melanin beeinflussen. Bei Säugetieren sind diese Mutationen generell selten. Die Biologin Brenda Larison fand es daher verdächtig, dass eine ungewöhnlich hohe Anzahl – geschätzte fünf Prozent – der Steppenzebras, die in der Nähe des Mburo-Sees in Uganda leben, unübliche Fellzeichnungen hatten.

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Obwohl Steppenzebras die am wenigsten bedrohte der drei Arten sind, ist ihre Zahl seit 2002 um 25 Prozent gesunken. Heute gibt es noch etwa 500.000 Tieren von Äthiopien bis Südafrika. Durch die Zerstückelung des Lebensraums durch Zäune, Straßen und menschliche Bebauung wurden die Zebrapopulationen auf kleine Bereiche zusammengedrängt, so auch am Mburu-See. Schlimmer noch: Der Wechsel von Tieren zwischen den verschiedenen Herden wurde stark eingeschränkt.

Durch solche Migrationen werden die Tierbestände aber mit neuen Genen versorgt, was für das langfristige Überleben einer Art entscheidend ist. Ein zu geringer Genfluss kann zu Inzucht und letztlich zu Unfruchtbarkeit, Krankheiten und anderen genetischen Defekten führen.

„Die Beobachtung [der seltsam gemusterten Zebras] führte mich zu der Frage: Ist Inzucht womöglich teilweise dafür verantwortlich, dass ich so viele dieser Exemplare sehe?“, sagt Larison, die an der University of California in Los Angeles die Evolution der Zebrastreifen erforscht.

Um das herauszufinden, führten Larison und ihre Kollegen genetische Analysen an 140 einzelnen Steppenzebras durch, darunter sieben Tiere mit ungewöhnlichen Fellmustern. Die Exemplare stammten von insgesamt neun Orten in Afrika, darunter der Etosha-Nationalpark in Nambia und der Kruger-Nationalpark in Südafrika.

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    Ihre Studie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift „Molecular Ecology“ veröffentlicht. Sie ergab, dass kleinere, isoliertere Zebra-Populationen eine geringere genetische Vielfalt aufwiesen – soweit erst mal keine Überraschung. Aber die Studie zeigte auch, dass diese isolierten Gruppen eher abnorm gestreifte Zebras hervorbringen, was darauf hindeutet, dass diese Mutationen durch ihre geringe genetische Vielfalt verursacht werden.

    Obwohl die Studie nur sieben Tiere mit unüblichen Fellzeichnungen untersuchte, könnten die Ergebnisse eine Warnung für die Zukunft des Steppenzebras sein, sagt Larison.

    „Auch wenn Steppenzebras nicht stark bedroht sind, zeigen sich solche genetischen Auffälligkeiten oft, bevor wirklich problematische Dinge passieren“, sagt sie.

    Genetische Fallstricke

    Möglicherweise sind die ungewöhnlich gefärbten Zebras für Raubtiere auffälliger. Gepunktetes Fell sieht man beispielsweise fast nur bei Fohlen und fast nie bei ausgewachsenen Tieren, was darauf hindeutet, dass Tiere mit dieser Fellzeichnung nicht lange überleben. Innerhalb ihrer Familiengruppen scheint es den Zebras jedoch egal zu sein, wer gestreift und wer gefleckt ist, merkt Larison an. Ihre jüngsten Forschungen legen zudem nahe, dass Zebrastreifen den Tieren helfen, Stechfliegen abzuwehren.

    Die unmittelbare Problematik sei laut Larison aber die genetische Gesundheit des Steppenzebras. Für ihre Analyse verwendeten sie und ihre Kollegen fortschrittliche genetische Sequenzierungstechniken, um die Unterschiede zwischen den Inzuchtzebras genauer zu untersuchen – aber auch die Unterschiede zwischen den Zebrapopulationen an verschiedenen Standorten.

    „Wir haben festgestellt, dass es Populationen gibt, die sich aufgrund des menschlichen Bevölkerungsdrucks möglicherweise stärker auseinanderentwickeln, als sie es unter normalen Umständen tun würden“, sagt Larison, deren Arbeit von der National Geographic Society unterstützt wird.

    Mit anderen Worten: Die Zebras werden sich innerhalb ihrer Populationen genetisch immer ähnlicher, aber die Populationen selbst entfernen sich genetisch immer weiter voneinander. Das spiegelt ihre räumliche Trennung wider und könnte schließlich zu neuen Unterarten des Steppenzebras führen.

    Artenschutz braucht Diversität

    Das ist besorgniserregend, sagt Desire Dalton, die an Südafrikas Nationalem Institut für Biodiversität in Pretoria Wildtiergenetik studiert. Eines der wichtigsten Instrumente der Zebra-Schützer ist die Umsiedlung einzelner Mitglieder einer Population in eine andere Population.

    Wenn die Populationen jedoch genetisch zu unterschiedlich sind, kann das Gegenteil von Inzucht auftreten. Sogenannte Auskreuzung verursacht Anomalien, wenn die Gene zu verschieden sind.

    Es gibt widersprüchliche Forschungsergebnisse darüber, welche Populationen des Steppenzebras dabei sind, sich zu genetisch eigenständigen Unterarten zu entwickeln. Wissenschaftlerinnen sind sich noch nicht einig, wie sie diese Unterarten definieren und gruppieren sollen.

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    Aber Dalton stimmte mit Larisons Team überein, dass die Definition dieser Gruppen für das Management der Art entscheidend ist.

    „Man muss sich wirklich sicher sein, welche Populationen man mischen kann und welche man getrennt halten muss“, so Dalton.

    Nicht erst warten, bis es zu spät ist

    Die neue Studie sei auch eine Mahnung, ein Auge auf andere afrikanische Arten zu haben, die derzeit vielleicht noch kein Problem zu haben scheinen, sagt Philip Muruthi. Er ist der Vizepräsident für Artenschutz bei der African Wildlife Foundation in Nairobi, Kenia.

    Muruthi befürchtet, dass das Steppenzebra in die Fußstapfen einer anderen berühmten afrikanischen Art treten könnte: der Giraffe.

    Vor allem aufgrund von Lebensraumverlust und Wilderei ist die Giraffenpopulation in den letzten 30 Jahren um 30 Prozent zurückgegangen. Die Weltnaturschutzunion (IUCN) hält die Art inzwischen für vom Aussterben bedroht. Dennoch ist das Phänomen noch so wenig bekannt, dass es als „stilles Aussterben“ bezeichnet wird.

    Deshalb ist die Zebra-Studie von entscheidender Bedeutung: „Sie zeigt die Möglichkeit auf, dass selbst häufige Arten bereits von Artenschutzproblemen betroffen sein können“, so Muruthi. „Damit sagt sie: Hier ist das Problem. Wartet nicht erst noch ab.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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