Bioindikatoren: Diese Arten geben wichtige Hinweise auf Umweltveränderungen

In jedem Ökosystem leben Organismen, auf die sich Veränderungen in eben diesem zuerst auswirken, sogenannte Zeigerarten. Indem man sie genau beobachtet, kann man Lebensräume retten, bevor es zu spät ist.

Von Natasha Daly
Veröffentlicht am 4. Okt. 2021, 11:14 MESZ
Atelopus varius, eine Unterart des Harlekinfroschs, ist vom Aussterben bedroht.

Atelopus varius, eine Unterart des Harlekinfroschs, ist vom Aussterben bedroht. Die häufigste Ursache für den Tod der Tiere ist eine Infektion mit dem Chytridpilz. Amphibien sind als Bioindikatoren sehr gut geeignet, weil sie besonders empfindlich auf Umweltveränderungen reagieren: Von dem Zustand einer Population lassen sich Rückschlüsse auf die Gesamtgesundheit eines Ökosystems ableiten.

Foto von Robin Moore, Nat Geo Image Collection

Was ist ein Bioindikator?

Ein Bioindikator ist ein Organismus – Bakterium, Pflanze oder Tier –, der mit Veränderungen seiner Lebensfunktionen auf Änderungen in seinem Ökosystem reagiert. Meist sind diese auch Zeigerarten genannten Lebewesen die ersten, auf die sich bestimmte Einflüsse wie steigende Temperaturen, Umweltverschmutzung, Bebauung oder andere negative Veränderungen des Lebensraums auswirken. Durch das Beobachten und Bemerken selbst kleinster Schwankungen im Verhalten, der Form oder der Populationen von Zeigerarten können Wissenschaftler Rückschlüsse auf den Gesamtzustand des Ökosystems, das sie bewohnen, ziehen.

Krebse sind beispielsweise Bioindikatoren für die Qualität von Süßwassergewässern, weil ein hoher Säuregehalt für sie negative Folgen hat. Die Gesundheit von Korallen ist eng mit dem Stand des Meeresspiegels und Veränderungen der Wassertemperatur verbunden – zwei Faktoren, die wiederum in starkem Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen. Die Eier von Wanderfalken weisen eine dünnere Schale auf, wenn in ihrer Umgebung das Pestizid DDT verwendet wird, und die heimische Pflanzenwelt zeigt deutlich, wenn invasive Arten sich in ein Ökosystem eingeschlichen und dort ihr Unwesen getrieben haben: Unzählige Weiß-Eschen, die Futterquelle und Lebensraum für Dutzende Tierarten sind und Giftstoffe aus der Luft filtern, fielen in Nordamerika der Invasion des Asiatischen Eschenprachtkäfers zum Opfer. In Deutschland kann man an Rosskastanien beobachten, wie stark sich die eingeschleppte Miniermotte verbreitet hat

Amerikanische Pfeifhasen sind in erster Linie in den hohen Lagen auf über 4.000 Meter in den Bergen im Westen Amerikas zu Hause. Weil sie sich so perfekt an diese Umgebung angepasst haben, hat selbst die kleinste Veränderung des Klimas einen großen Effekt auf sie.

Foto von Arterra/Universal Images Group via Getty Images

Um sich als Zeigerart zu qualifizieren, müssen Organismen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Zum einen sollte ihr Zustand aussagekräftige Informationen über den Status anderer Arten in demselben Ökosystem liefern – eine Art, die im Vergleich zu anderen besonders empfindlich und dadurch ohnehin anfällig oder bedroht ist, ist als Bioindikator ungeeignet. Außerdem müssen die Reaktionen der Zeigerart deutlich und gut messbar sein, damit sie als Frühwarnsystem für weitgreifende Veränderungen funktionieren. Und schließlich muss gegeben sein, dass die Auswirkungen, die bestimmte Einflüsse auf den Bioindikator haben, vorhersehbar sind.

Wie machen sich Umweltveränderungen bemerkbar?

Amphibien wie Frösche oder Kröten sind für die Auswirkungen, die Umweltverschmutzung auf ein Ökosystem hat, äußerst hilfreiche Bioindikatoren. Sie haben durchlässige Haut, über die sie Sauerstoff aufnehmen – aber auch Giftstoffe. Deshalb reagieren sie auf Veränderungen der Wasser- und Luftqualität äußerst sensibel. Oft sind sie die ersten Tiere in einem Ökosystem, auf die sich beispielsweise der Einsatz von Pestiziden auswirkt. Dort, wo das der Fall ist, wurde beobachtet, dass die Amphibien-Populationen schrumpften. Mancherorts wurden auch Missbildungen wie zusätzliche Gliedmaßen an den Tieren registriert.

Aber auch Bakterien können Bioindikatoren sein, denn gewisse Giftstoffe können ihr Wachstum geradezu beflügeln. Das übermäßige Vorhandensein eines bestimmten Bakteriums kann also genauso auf das Vorhandensein eines Giftstoffs hinweisen, wie das Fehlen einer Froschart.

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    Der Fleckenkauz zählt zu den besonders gut erforschten Zeigerarten. Durch die Beobachtung dieser Spezies können Wissenschaftler Informationen über den Gesamtzustand alter Waldbestände gewinnen und auch darüber, welchen Effekt der Einfluss des Menschen auf sie hat. Der Fleckenkauz ist Mitglied der Familie der Eigentlichen Eulen und im Pazifischen Nordwesten zu Hause, wo er sein Nest in hohlen Baumstämmen, kaputten Baumkronen und verlassenen Greifvogelhorsten baut. In den uralten Wäldern der Region sollten sich von dem einen oder anderen eigentlich mehr als genug finden lassen, doch große Flächen dieser Gebiete mussten der Abholzung, Landwirtschaft und dem Städtebau weichen. Die Nest-Optionen des Fleckenkauz wurden immer weniger und mit ihnen sank die Population des Vogels – im Schnitt um vier Prozent pro Jahr.

    Dieser Umstand könnte ein Vorbote für das Verschwinden anderer Spezies sein, die in den Wäldern heimisch sind. Eine gesunde Fleckenkauz-Population hingegen ist ein Zeichen für ein starkes Ökosystem, das einer Vielzahl von Pflanzen und Tieren ein Zuhause bieten kann.

    Ein Fleckenkauz sitzt auf einem Baumast in einem Wald im Pazifischen Nordwesten. Dort, wo der Wald durch Abholzung und Umwidmung an Fläche verloren hat, ist auch die Population der Eule zurückgegangen. Die Größe des Bestands erlaubt Wissenschaftlern eine Einschätzung des allgemeinen Zustands der Wälder.

    Foto von Gerry Ellis, Minden Pictures

    Die kleinen, pelzigen Pfeifhasen, die aussehen wie Kaninchen mit kurzen Ohren und auch als Pika bekannt sind, haben sich perfekt an das raue Klima ihrer hochalpinen Lebensräume angepasst. Darum haben schon kleinste Veränderung in ihrem Habitat einen merkbaren Effekt auf sie. Für die Folgen der Erderwärmung sind sie deswegen ein besonders gut geeigneter Bioindikator. Im Rahmen des Colorado Pika Project erheben beispielsweise Freiwillige Daten zu Pfeifhasen-Populationen im gesamten Bundesstaat. Anhand dieser Informationen ermitteln Wissenschaftler, welche Bestände besonders gefährdet sind, sodass nicht nur etwas zur Rettung der Pika, sondern auch für das alpine Ökosystem getan werden kann, in dem sie leben.

    Pika halten keinen Winterschlaf. Stattdessen verstecken sie sich in den kalten Monaten unter felsigem Geröll und sind darauf angewiesen, dass eine schwere, dicke Schneedecke ihr Winterquartier bedeckt und isoliert. In den Zweitausenderjahren bemerkten Forscher einen Rückgang der Pfeifhasen-Population in niedrigeren Höhenlagen, insbesondere in den trockenen Gebieten des Westens der USA: Ein deutliches Alarmsignal dafür, dass das Klima sich erwärmte. Die Dauer der Winter nahm in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr ab. Gleichzeitig fällt immer weniger Schnee, sodass die Schneedecke schon weit vor Frühlingsanfang zu schmelzen beginnt und die Pika der Kälte ausliefert. Weil zu diesem Zeitpunkt die Wintervorräte meist zur Neige gehen und der Nachwuchs noch klein wie eine Walnuss und sehr empfindlich ist, schaffen es viele Pfeifhasen nicht, die Zeit bis zu den wärmeren Frühlingstagen zu überleben.

    Zeigerart vs. Schlüsselspezies

    Eine Zeigerart kann zwar auch eine Schlüsselspezies sein, es besteht dennoch ein Unterschied zwischen den beiden. Eine Schlüsselspezies ist eine Art, die auf ihren Lebensraum einen unverhältnismäßig großen Einfluss hat. Sie sorgt dafür, dass die Artenvielfalt gewährleistet bleibt und es gibt in ihrem Ökosystem keine andere Spezies, die diese Aufgabe erfüllen kann. Das Fehlen einer Schlüsselspezies führt in einem Ökosystem zu dramatischen Veränderungen bis hin zum völligen Verschwinden. Biber sind ein gutes Beispiel für eine Schlüsselspezies: Sie bauen Dämme und erschaffen dadurch Feuchtgebiete, in denen viele andere Organismen ein zu Hause finden und sich verbreiten können.

    Schlüsselspezies sind also von wesentlicher Bedeutung für einen Lebensraum, was jedoch nicht zwangsläufig bedeutet, dass sie auch empfindlich auf Veränderungen in diesem Lebensraum reagieren. Dies ist aber die definierende Eigenschaft einer Zeigerart.

    Korallen wie diese im Tubbataha-Riff-Nationalpark sind Bioindikatoren. Sie reagieren sehr sensible auf Veränderungen der Wassertemperatur, sodass ein Absterben von Korallen ein Hinweis auf den Klimawandel sein kann.

    Foto von David Doubilet, Nat Geo Image Collection

    Anhand von Bioindikatoren können Experten genau bestimmen, welche Einflüsse für Veränderungen in einem Ökosystem verantwortlich sind. Macht beispielsweise ein Feuchtgebiet einen ungesunden Eindruck und es fällt gleichzeitig auf, dass die Frosch-Population abnimmt, lässt das den Rückschluss zu, dass das Problem der Einsatz von Pestiziden sein könnte.

    Wissenschaftler, Gesetzgeber und Behörden können Bioindikator-Daten zum Anlass nehmen, Naturschutzmaßnahmen zu ergreifen – etwa den Schutz bestimmter Flächen oder Lebensräume, die Eindämmung von Bebauungen und dem Einsatz chemischer Stoffe oder das Erlassen von entsprechenden Gesetzen. Auf diese Weise lässt sich im besten Fall weiterer Schaden vermeiden, bevor es zu spät ist.

    Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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