Wildtiere zum Verkauf: Der berüchtigte Belén-Markt in Peru ist wieder im Geschäft

Nachdem der Wildtiermarkt am Amazonas im Zuge der Coronapandemie abgerissen wurde, hat er nun nach mehrmonatiger Modernisierung wieder eröffnet. Der Handel mit wilden Tieren geht allen Bemühungen zum Trotz weiter.

Von Natasha Daly
Veröffentlicht am 14. Okt. 2021, 08:53 MESZ, Aktualisiert am 14. Okt. 2021, 10:19 MESZ
Pfote eines Dreizehenfaultiers

Ein Händler zeigt im Jahr 2017 die Pfote eines Dreizehenfaultiers, die auf dem Belén-Markt zum Verkauf angeboten wird. Die lokale Bevölkerung glaubt, dass die Pfoten magische Kräfte haben. Pulverisierte Krallen sollen dazu in der Lage sein, wütende Männer zu besänftigen und vor übler Nachrede schützen. Dreizehenfaultiere stehen in Peru unter Naturschutz, werden aber trotzdem gefangen und entweder wegen ihrer Krallen getötet oder als Haustiere verkauft. Die sanftmütigen Tiere sind dafür jedoch nicht geeignet und siechen in Gefangenschaft dahin.

Foto von Fernando Carniel Machado, World Animal Protection

Die Auslagen der Stände am Rand der Straße muten für westliche Augen seltsam an: Neben getrockneten Kräutern warten Faultierpfoten im Glas auf ihre Käufer, Hühnerbrüste werden ebenso angeboten wie das Fleisch von Waldschildkröten und Leopardenfelle. Kunden haben die Wahl zwischen Kunsthandwerk und Amazonasdelfingenitalien in Flaschen. Sittiche springen in Käfigen herum, Fische winden sich in Eimern – aufgeschnitten, aber noch am Leben.

Das ist das Bild, das sich im Oktober 2019 auf dem Belén-Markt bietet: Einem riesigen Basar unter freiem Himmel mitten im peruanischen Amazonas-Regenwald, auf dem mehr als 200 Wildtierarten tot oder lebendig illegal zum Verkauf stehen.

Zwei Monate später kommt es auf der anderen Seite der Welt zum Ausbruch eines neuartigen Coronavirus. Seinen Ursprung soll es auf einem ähnlichen Wildtiermarkt in der chinesischen Stadt Wuhan gehabt haben.

Als im Januar 2020 COVID-19 eine weltweite Pandemie auslöst, verbietet die chinesische Regierung die Haltung, den Verkauf und den Verzehr von Wildtieren. Der Markt in Wuhan wird dicht gemacht. Drei Monate später veröffentlichen die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) Leitlinien, die unter anderem dazu anhalten, weltweit alle Märkte zu schließen, auf denen lebende, in freier Wildbahn gefangene Säugetiere verkauft werden.

Geschäftiges Treiben auf der Straße vor dem Belén-Markt im August 2021. Der Markt befindet sich in der Stadt Iquitos, der größten im peruanischen Amazonasgebiet.

Foto von Fernando Carniel Machado, World Animal Protection

Das zwischen dem Handel mit Wildtieren und Zoonosen – also Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen überspringen – ein Zusammenhang besteht, wurde durch die Coronapandemie noch einmal verdeutlicht. Bei etwa 70 Prozent aller Krankheiten, die den Menschen befallen, handelt es sich um Zoonosen, darunter HIV, MERS, Ebola und SARS. Im Oktober 2021 lag die offizielle Zahl der Menschen, die an COVID-19 gestorben sind, bei etwa 4,5 Millionen. Ungefähr 215 Millionen hatten sich seit Beginn der Pandemie mit dem Virus infiziert.

Ob das nachdrückliche Drängen internationaler Institutionen und das Auftauchen des neuen tödlichen Virus zu einer Eindämmung des Handels mit wilden Tieren oder nur zu einer Verlagerung des Problems geführt hat, ist unklar. Am Beispiel des Belén-Markts kann jedenfalls beobachtet werden, wie schwer es ist, das Verbot des illegalen Geschäfts mit Wildtieren durchzusetzen.

Der knapp 6,5 Hektar große Markt befindet sich in Iquitos, der größten Stadt im peruanischen Amazonasgebiet und die größte der Welt, die nicht über den Landweg zu erreichen ist. Seine abgeschiedene Lage konnte den Ort jedoch nicht vor dem Coronavirus schützen – im Gegenteil. Ungefähr 70 Prozent der Stadtbevölkerung infizierten sich – eine der höchsten Infektionsraten weltweit. Das Gesundheitssystem ging in die Knie.

BELIEBT

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    Nach seiner Schließung im Zuge der Pandemie und weitgreifenden Renovierungsarbeiten hat der Belén-Markt in Peru seinen Betrieb wieder aufgenommen. Der Handel mit wilden Tieren geht weiter, genauso wie der Verkauf von Wildtierteilen und -fleisch wie dem auf dieser Aufnahme aus dem Jahr 2017.

    Foto von Fernando Carniel Machado, World Animal Protection

    Es ist bewiesen, dass der Belén-Markt als wichtiger Handelsplatz im Amazonasgebiet die Verbreitung des Virus in der Region vorangetrieben hat: Von hundert Händlern, die im Mai 2020 auf Corona getestet wurden, seien laut dem damaligen peruanischen Präsidenten Martín Vizcarra 99 positiv gewesen.

    Als Reaktion auf die Testergebnisse wurde der Markt noch im selben Monat geschlossen und die fast 2.500 Stände niedergewalzt. Als das geschah, befand sich bereits seit fünf Jahren ein Vorhaben in Planung, das vorsah, den Markt mit finanzieller Unterstützung des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) zu modernisieren. Das Ziel: die Wirtschaftsentwicklung in der Region voranzutreiben und für bessere Lebensumstände in diesem lange vernachlässigten Teil Perus zu sorgen. Als kurzfristigen Effekt erhofften sich das peruanische Wirtschaftsministerium und die UN jedoch vor allem eine Eindämmung der Verbreitung von COVID-19.

    Nach monatelangen Bauarbeiten wurde der Markt im Sommer 2021 wiedereröffnet. Eine achtwöchige Untersuchung der internationalen Tierschutzorganisation World Animal Protection, die im darauffolgenden August und September durchgeführt wurde, zeigte jedoch, dass der verbotene Handel mit Wildtieren und Wildtierteilen in vielen Bereichen des Markts einfach fortgeführt wird.

    Die Tierschützer sahen aufgeschlitzte Kaimane mitten auf dem Gehweg liegen. Papageien, die in Kartons auf Käufer warteten und Fleisch wilder Rehe, das gemeinsam mit Früchten und Gemüse zum Kauf angeboten wurde. „Ein schockierender Anblick – insbesondere vor dem Hintergrund der Coronapandemie“, sagt der Biologe Neil D’Cruze, Forschungsdirektor bei World Animal Protection. „Allen Mühen der lokalen Behörden zum Trotz ist der illegale Handel mit Wildtieren auf dem Belén-Markt vor den Augen aller wieder in vollem Gange.“

    „Belén ist ein weithin bekannter – wenn nicht berüchtigter – Wildtiermarkt. Die UN weiß, dass hier dringend Entwicklungshilfe nötig ist. So einen Ort wieder zu öffnen, ohne ausreichende Maßnahmen gegen den illegalen Wildtierhandel zu ergreifen,“ sagt er, „ist eine verpasste Chance.“

    Verantwortliche der UNDP und des peruanischen Wirtschaftsministeriums reagierten auf National Geographics Bitte um Stellungnahme nicht.

    Kampf gegen den Wildtierhandel

    Iquitos liegt etwa 370 Kilometer westlich von Très Fronteras, der Region, in der Brasilien, Kolumbien und Peru aneinandergrenzen. Der illegale Handel mit Wildtieren geht hier weitestgehend ungestört seinen Gang.

    Das Jagen von wilden Tieren für den Eigenbedarf, wie es von vielen indigenen Völkern im Amazonas-Regenwald betrieben wird, ist in Peru legal. Der Verkauf dieser Tiere auf Märkten ist es nicht. Trotzdem bieten die Jäger den Händlern auf dem Belén-Markt oft ganze Tiere oder Teile zum Verkauf an, sodass das Angebot an Wildtierfleisch – ob von Kaimanen, Pakas oder Halsbandpekaris – sehr umfangreich ist. Auch mit lebendigen Tieren wird gehandelt, die entweder als Haustiere oder, wie zum Beispiel im Fall von Waldschildkröten, für die spätere Schlachtung von Kunden mit nach Hause genommen werden.

    Tierteile wie Jaguarzähne, Faultierkrallen oder die Genitalien von Amazonasdelfinen werden als luxuriöses Andenken oder für die Verwendung in der lokalen oder internationalen traditionellen Medizin erworben.

    Dieser ausgestopfte Kaimankopf steht als Amulett, inklusive Glasaugen und dekorativen Beeren, auf dem Markt  zum Verkauf. Es soll seinen Besitzer schützen und ihm Wohlstand bringen.

    Foto von Fernando Carniel Machado, World Animal Protection

    Das im Jahr 2019 entstandene Foto zeigt Jaguar- und Ozelotfelle, die auf dem Belén-Markt zu Verkauf stehen. Jaguare werden wegen ihres Fells und ihrer Zähne gejagt, die in der traditionellen chinesischen Medizin zum Einsatz kommen. Non-Profit-Organisationen, die den Handel mit den Tieren verfolgen, berichten, dass die Tiere in Gefangenschaft extrem leiden.

    Foto von Fernando Carniel Machado, World Animal Protection

    „Ehrlich gesagt fehlt uns auf allen Ebenen logistische Unterstützung“, sagt Ramos Acari, Beamter der Umweltpolizei der Provinz Loreto, einer Abteilung der nationalen Polizei. Sie hat ihren Sitz in Iquitos und ist für ganz Loreto zuständig, die größte Provinz Perus, die fast ein Drittel der Gesamtfläche des Landes einnimmt. Aus Sicherheitsgründen kann Ramos Acari keine Angaben zu der Anzahl der Beamten machen, die die Aufgabe haben, den Wildtierhandel zu überwachen. Er verrät aber, dass es sich dabei um eine „kleine Gruppe“ handeln würde.

    Seinen Berichten nach wird der rechtswidrige Handel mit wilden Tieren größtenteils in den Gegenden fortgeführt, die am dichtesten am Río Itaya liegen. Er und sein Team würden mit den begrenzten Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, versuchen, dies so gut wie möglich zu unterbinden. Er sagt aber auch: „Mit mehr Unterstützung könnten wir in Loreto viel mehr erreichen.“

    Der aufgeschnittene Kadaver eines Kaimans liegt im August 2021 neben Obst und Gemüse auf dem Marktboden.

    Foto von Fernando Carniel Machado, World Animal Protection

    Ein großes Problem, vor dem die Gesetzeshüter stehen, ist, dass der Wildtierhandel in der Region so stark verwurzelt ist. „Es ist schwer, die Leute davon zu überzeugen, dass sie die Natur schützen müssen“, sagt Ramos Acari. Laut den Untersuchungen von World Animal Protection arbeiten die Händler, die auf dem Belén-Markt Wildtiere und deren Teile verkaufen, im Schnitt seit ungefähr sechzehn Jahren in dem Geschäft.

    Mit dem Beginn der Pandemie habe der Wildtierhandel auch abseits von Belén zugenommen, sagt Javier Velásquez Varela, Gründer des Centro de Rescate Amazónico, einer Rettungseinrichtung für Wildtiere in Iquitos. „Die Beliebtheit von Wildtieren als Haustiere hat mit der Pandemie wieder zugenommen“, sagt er und erklärt, dass die durch die Pandemie verursachte wirtschaftliche Not die lokale Bevölkerung dazu gezwungen habe, auf diese Weise ihren Lebensunterhalt zu verdienen. „In jedem Hafen entlang des Amazonas werden diese Tiere zu Hunderten angeboten.“

    Ein wichtiger Treiber für den Wildtierhandel ist laut einer aktuellen Untersuchung der Jaguarschutzorganisation Convoca nach wie vor die Nachfrage nach Jaguarhaut und -zähnen aus dem Ausland, insbesondere China. Geschäfte mit diesen einflussreichen Kunden und Händlern bringen gutes Geld, wodurch Neil D’Cruze zufolge das Durchsetzen von Verboten zusätzlich erschwert wird. Peru könne als Anbieterland alles in seiner Macht stehende tun, um wilde Tiere zu schützen, doch diese Bemühungen „müssen in den großen, einflussreichen Käuferländer auch weitergeführt werden“, sagt er.

    Hier sieht man geschlachtete Waldschildkröten – manche mit Eiern bestückt – in der Auslage eines Marktstandes. Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation gelten Waldschildkröten als gefährdet, da sie so stark bejagt und auf Wildtiermärkten zum Verkauf angeboten werden. Das Bild ist von 2017.

     

    Foto von Fernando Carniel Machado, World Animal Protection

    Ein Sittich und eine Terekay-Schienenschildkröte warten in einem Drahtkäfig darauf, als Haustiere verkauft zu werden. Die Tiere werden im Dschungel von Jägern gefangen und dann den Markthändlern verkauft. Die Käfige sind oft verdreckt und die gefangenen Tiere werden nicht ausreichend gefüttert.

    Foto von Fernando Carniel Machado, World Animal Protection

    „Schmelztiegel der Infektionen“

    Christian Walzer, leitender Veterinär der amerikanischen Tierschutz-Stiftung Wildlife Conservation Society, nennt Märkte wie den in Iquitos „Schmelztiegel der Infektionen“.

    Dort würden lebende Wildtiere verkauft, von denen viele unter Stress stünden, verletzt seien und in dreckigen Käfigen mit angegriffenem Immunsystem ihrem Schicksal ausgeliefert seien, sagt Neil D’Cruze. Wenn Dutzende Tierarten unter diesen Umständen und auf so engem Raum aufeinandertreffen, schafft das ihm zufolge den perfekten Nährboden für Viren und die Entstehung neuer Virenstämme.

    Wildtiere können Viren in sich tragen, „mit denen Menschen in einer normalen Welt niemals in Kontakt kämen“, erklärt Christian Walzer. Die Tiere erkranken durch die Viren nicht zwangsläufig, sondern fungieren lediglich als Reservoirwirte.

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    Ein Tier, dessen Fleisch auf dem Belén-Markt besonders oft angeboten wird, ist das in Südamerika heimischen Paka. Bei einer Analyse von Pakafleisch-Proben im Juli 2019 wiesen diese einen Befall mit 25 verschiedenen Salmonellen-Stämme auf, von denen 40 Prozent gegen mehrere Antibiotika resistent waren.

    Die Sorge, dass es durch den Wildtierhandel auf dem Belén-Markt zum Ausbruch von Krankheiten kommen könnte, bestand schon lange und die Verbesserung des Gesundheitsstandards war eines der Hauptziele der Marktmodernisierung. Die Recherchen von World Animal Protection zeigte jedoch, dass Maßnahmen zur Beendigung des Wildtierhandels in den Renovierungsplänen nicht vorgesehen waren.

    Elizabeth Maruma Mrema, leitende Generalsekretärin des Übereinkommens über die biologische Vielfalt der Vereinten Nationen, erklärte im April 2020, dass die Verringerung der Zahl der zum Verkauf angebotenen lebenden Tiere Wildtiermärkten „das Potenzial hat, das Risiko zukünftiger Krankheitsausbrüche signifikant zu reduzieren.“ Sie sagte außerdem, dass “die Kontrollen des Verkaufs und des Verzehrs wilder Tierarten global verschärft werden muss.“

    Laut Neil D’Cruze kann der lokale Wildtierhandel nur mit viel politischem Willen, ausreichender Förderung und mehr Kräften vor Ort effektiv bekämpft werden. Außerdem sei es nötig, dass Händler und Kunden in diesem Zusammenhang besser über die Gesetze und Gesundheitsrisiken aufgeklärt werden. Warnschilder auf dem Belén-Markt könnten dabei ein guter Anfang sein, sagt er. Und es müssten mehr Ressourcen für die Tierrettung bereitgestellt werden.

    Dass der Wildtierhandel auf dem Belén-Markt sogar mit Unterstützung der UN nicht ausgemerzt werden konnte, zeigt, wie groß die weltweite Herausforderung ist. „Das ist ja nicht der einzige Markt in Peru“, sagt Neil D’Cruze. „Und auch nicht der einzige in Südamerika.“ Man dürfe auch nicht vergessen, welch große Rolle Wildtiermärkte darüber hinaus in Afrika und Asien spielen würden.

    In Anbetracht der COVID-19-Situation hält er es für einen großen Fehler, sich „nur auf die Modernisierung zu konzentrieren, ohne auf die Risiken zu achten, die trotzdem weiterbestehen.“

    Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht

     

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