Faultiere, Seekuh und andere Wildtiere vor Leben als Touristenattraktion gerettet
Die Behörden befreiten 22 Wildtiere, die illegal in einer peruanischen Ortschaft am Amazonas als Touristenattraktion gehalten wurden.
22 Wildtiere aus dem Amazonas wurden aus illegaler Haltung in Puerto Alegría gerettet, einem winzigen Ort mitten im Dschungel des Amazonas. Peruanische Polizeibeamte konfiszierten unter anderem drei Faultiere, ein Manati und einen Baumstachler, die die Einwohner der Stadt gehalten hatten, um Touristenboote anzulocken.
Die Rettungsaktion setzt dem tödlichen Wildtier-Tourismus in Puerto Algria ein Ende. Dieser ist zwar illegal, aber in dieser verarmten Gegend sehr lukrativ. Regelmäßig kommen hier Boote vorbei, die jeden Tag Dutzende von Besuchern bringen. Die Attraktion der Gemeinde waren Fotos mit Wildtieren, die im Dschungel gewildert worden waren. Die Tiere wurden von einigen Einwohnern bei sich zu Hause oder in Käfigen unter den Häusern gehalten. Starben sie, wurden sie einfach durch Nachschub aus dem Dschungel ersetzt. Die 22 Tiere, die in der vergangenen Woche gerettet wurden, stammten wahrscheinlich aus Fängen der letzten Wochen und Monate, gibt Angela Maldonado an. Sie ist Mitglied der kolumbianischen Nichtregierungsorganisation (NGO) Entropika, die die Aktion organisierte.
Der Polizeieinsatz erfolgte eineinhalb Jahre nachdem National Geographic einen Recherchebericht über die Stadt veröffentlichte. In diesem wurde aufgedeckt, wie die Wildtier-Tourismusindustrie hier die Tiere misshandelt und dass die örtlichen Ausflugsveranstalter dieses Problem aktiv befeuern. Viele Tiere sterben schon kurz nach ihrer Gefangennahme, da der Stress der Haltung in primitiven Käfigen, falsche Ernährung und das Angefasstwerden von Dutzenden von Menschen jeden Tag einfach zu viel für sie ist, sagt Maldonado. Eine sechsmonatige Untersuchung des Falls durch die britische NGO World Animal Protection im Vorfeld dokumentierte das Ausmaß der schlechten Haltungsbedingungen.
Die Tiere, die National Geographic im August 2017 hier vorfand, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits tot, erklärt Maldonado. Zu ihnen zählte auch ein Ameisenbär, der mit Erdbeerjoghurt ernährt wurde.
Maldonado betont, dass der Artikel von National Geographic dabei geholfen hat, die Behörden zum Handeln zu zwingen. Die Naturschützerin hatte zuvor schon mehrere Jahre lang versucht, sie zum Eingreifen zu bewegen. Alberto Yusen Caraza Atoche, der Staatsanwalt für den Bereich Umwelt der Region Loreto – in der Puerto Alegría liegt – gibt an, dass der Artikel seine Besorgnis um die Situation verstärkt habe, da „Menschen überall auf der Welt darüber Bescheid wissen.“
„Das war der richtige Moment zum Eingreifen, da es sich um eine etwas vergessene Gegend in Peru handelt“, sagt Caraze Atoche. „Aber wir haben als öffentliche Behörde jedoch die Pflicht, die Durchsetzung unserer Gesetze zu gewährleisten und für den Schutz der Tiere zu sorgen.“
Puerto Alegría liegt in einem Gebiet namens Tres Fronteras, wo Peru, Kolumbien und Brasilien am Amazonas zusammenstoßen. Dort gibt es auf dem Fluss keinerlei Grenzkontrollen, was den Handel mit Wildtieren einfacher und es den Behörden drei verschiedener Länder schwerer macht, sich um das Problem zu kümmern.
Maldonado ist froh, dass die peruanische Regierung aktiv geworden ist. Da die Umweltbehörde von Peru keine Vertretung in dieser Region hat, mussten für die kostspielige Operation 33 Polizisten in das Gebiet eingeflogen werden. Dazu kamen noch zwei Frachtflugzeuge des Militärs für den Transport der Tiere. „Wir beschweren uns immer, wenn die Polizei nichts tut. Dieses Mal gebührt ihnen die Anerkennung dafür, dass sie etwas getan haben“, sagt sie. „Ohne sie wäre das niemals möglich gewesen.“
DIE RETTUNGSMISSION
Die 33 Beamten aus der Abteilung für Umweltschutz der peruanischen Bundespolizei wurden zusätzlich von der peruanischen Küstenwache, Luftwaffe, Staatsanwalt Caraza Atoche, Tierärzten und einem Vertreter des US-amerikanischen Fish and Wildlife Service aus Lima begleitet. Die rund 40 Personen erreichten Puerto Alegría am Donnerstagmorgen per Boot. Zuvor hatten Aufklärungsmissionen Aufschluss darüber gegeben, dass in dem Ort offenbar 28 Tiere illegal gehalten wurden. Auch einige der Häuser, in denen sie sich befanden, wurden dokumentiert.
Die Beamten schwärmten auf die Plattform über dem Fluss aus, auf der Bewohner des Ortes darauf warteten, Tiere zum Fotografieren anzubieten. Sie durchsuchten außerdem mehrere Häuser und einen Teich, in dem ein untergewichtiges Manati lebte. Es wurde zumindest teilweise mit Sojamilch ernährt, die es von Touristen aus Babyflaschen gefüttert bekam. Mithilfe eines Netzes und Muskelkraft wurde das Manati von Polizisten aus dem Wasser gehievt und in eine Trage gelegt, in der es dann zum wartenden Boot gebracht wurde.
Das Team konnte 22 der 28 bekannten Tiere befreien. Eine drei Meter lange Anakonda, ein Totenkopfäffchen, drei Faultiere, ein Baumstachler, eine Langschwanzkatze (kleine Wildkatzenart) und einige Aras, andere Papageien und Tukane waren unter den Geretteten. Einige andere waren dagegen nicht auffindbar, unter ihnen ein zweiter Baumstachler und ein Nachtaffe.
Beamte, Tierärzte und Tiere fuhren dann den Fluss Santa Rosa wieder hinunter. Schließlich gingen sie an Bord eines Frachtflugzeugs des Militärs und folgen nach Iquitos, Peru. Dort wurden die Tiere in zwei Auffangstationen untergebracht. Eines von ihnen ist das Centro de Rescate Amazonico (CREA), das sich auf die Behandlung von Manatis spezialisiert hat. Da die Rettungsaktion in nur wenigen Wochen auf die Beine gestellt wurde, hatten Entropika und CREA Mühe, geeignete Versorgungs- und Unterbringungsmöglichkeiten für die Tiere zu finden. CREA-Tierärztin Violetta Barrera Navarro kümmert sich zu Hause um das kleinste Faultier und hofft, durch Spenden genug Geld zu erhalten, um der Langschwanzkatze ein angemessenes Gehege zu bauen. Derzeit muss sie noch in einem Käfig leben. Die Tiere sprechen gut auf ihre Behandlungen an, sagt Barrera Navarro, aber sie berichtet auch, dass die Langschwanzkatze immer noch sehr unter Stress steht.
Irgendwann werden die Tierärzte beurteilen, welche Tiere vielleicht wieder in die freie Wildbahn zurückkehren können und welche in menschlicher Obhut verbleiben müssen. Das Manati wird beispielsweise drei volle Jahre brauchen im CREA-Zentrum brauchen, um sich zu erholen. Wenn alles gut geht, kann es dann hoffentlich in einem Nationalpark vor Ort gebracht werden.
DAUERHAFTE LÖSUNG?
Angela Maldonado von Entropika weiß, dass die Bewohner von Puerto Alegría möglicherweise einfach neue Tiere fangen, um die konfiszierten zu ersetzen. Um dies zu verhindern plant Entropika, direkt mit der Gemeinde zu arbeiten. Sie wollen dabei helfen, eine neue Einkommensquelle zu schaffen, die Touristenboote anlockt, ohne dass dabei Wildtiere ausgebeutet werden.
„Wir brauchen eine kurzfristige Lösung für diese Menschen, damit sie nicht das Gefühl haben, vor dem Nichts zu stehen, vor allem jetzt zu Weihnachten“, erklärt sie. Entropika und CREA planen, sich noch diese Woche mit der Gemeinde zusammenzusetzen, um ein provisorisches Kulturmuseum zu errichten. In ihm sollen traditionelle peruanische Musikinstrumente, Kochutensilien und Textilfärbemittel ausgestellt werden. Langfristig würde Maldonado gerne daran arbeiten, Schmetterlingsgärten anzulegen. Sie hat bereits andernorts gesehen, wie erfolgreich diese Gärten sein können und geht davon aus, dass sie nach sechs Monaten konsequenter Arbeit fertig sein werden. Das ist ein wunderschönes, kostengünstiges Projekt, an dem alle Mitglieder der Gemeinde, jung und alt, teilhaben können.
Sie hofft außerdem, dass die örtliche Polizei dabei helfen wird, die Situation zu kontrollieren.
„Es war ein hartes Stück Arbeit, aber ich glaube, das war es wert“, ist Maldonados Beurteilung der Aktion. „Die Tiere verdienen das.“
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