Abschluss der Weltklimakonferenz: Wohin steuert unser Planet?

Am Freitag ist die 23. UN-Klimakonferenz zu Ende gegangen. Welche Bilanz ziehen die Teilnehmer? NATIONAL GEOGRAPHIC hat sich am Tagungsort umgehört. Fünf Aspekte, die Hoffnung machen – und fünf, die pessimistisch stimmen.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 17. Nov. 2017, 20:15 MEZ
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (hier mit Frank Bainimarama, Präsident der Republik Fidschi) hat ein positives Fazit der 23. Weltklimakonferenz gezogen.
Foto von BMUB, Dominik Ketz

Zwei Wochen lang wurde beraten, diskutiert und verhandelt. Es war die größte internationale Konferenz, die je in Deutschland stattgefunden hat. Zum Abschluss der Weltklimakonferenz (Lesenswert: Weltklimakonferenz in Bonn: Neue Chancen für den Klimaschutz?) am Freitag in Bonn hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ein positives Fazit gezogen. Immer mehr Länder, Regionen und Städte wollten sich am Klimaschutz beteiligen. Zugleich zeigte sie sich zuversichtlich, dass sich die künftige Bundesregierung bis zur nächsten Klimakonferenz in einem Jahr in Polen auch zum Kohleausstieg bekennen werde. Staatssekretär Jochen Flasbarth unterstrich, das Konferenzziel sei erreicht worden. Alle Staaten hätten ihre Positionen dargelegt. Eine Bewertung der Vorschläge gebe es noch nicht. Die Schlussabstimmung wird für die Abendstunden oder später erwartet. Das sogenannte Regelbuch zur Einhaltung der nationalen Ziele soll allerdings erst auf der nächsten Weltklimakonferenz beschlossen werden.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zeigt sich enttäuscht von den Ankündigungen der deutschen Delegation: „Wir haben erwartet, dass Deutschland während dieser Konferenz den Kohleausstieg beschließt“, sagt Ann-Kathrin Schneider, Leiterin Internationale Klimapolitik beim BUND. Auch die Finanzierung der unabwendbaren Schäden und Verluste, die durch den Klimawandel auftreten, sei bis zum Schluss nicht geklärt. Die Entwicklungsländer verlangen hierfür eine Entschädigung von den Industrieländern. Als positives Signal aus Bonn werte man die Zusage der Industrieländer, Entwicklungsländer ab 2020 jährlich mit 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutzmaßnahmen zu unterstützen.

Attac-Sprecher Thomas Eberhardt-Köster zeigt sich enttäuscht von den Konferenzergebnissen: „Es ist erschreckend, wie wenig letztendlich erreicht wurde.“
Foto von Jens Voss, National Geographic

Klimasünder in die Verantwortung nehmen

Thomas Eberhardt-Köster vom Koordinierungskreis Attac Deutschland äußert sich ebenfalls kritisch: „Einerseits sind solche Konferenzen wichtig, um Probleme wie den Klimawandel, die nur global gelöst werden können, zu bewältigen. Andererseits ist es erschreckend, wie wenig letztendlich erreicht wurde.“ Insbesondere Staaten wie die USA oder Deutschland, die in der Vergangenheit in erheblichem Maße zur Verschmutzung beigetragen hätten, kämen ihrer Verantwortung in keiner Weise nach. Entscheidend sei eine verbindliche Vereinbarung zum raschen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2025 und ein Umstieg auf Erneuerbare Energien. Längerfristig werde dies aber nicht ausreichen. „Für eine echte Energiewende müssen unsere Lebens- und Arbeitsbereiche so umstrukturiert werden, dass weniger Energie verbraucht wird“, fordert der Attac-Sprecher. Ins Spiel bringt er eine ökologisch-bäuerliche Landwirtschaft und eine intelligente Stadtplanung.

Auch die Hilfsorganisation Okeanos – Stiftung für das Meer kritisiert eine mangelnde Entschlossenheit der Weltgemeinschaft im Kampf gegen den Klimawandel. „Stattdessen verzeichnen wir weltweit Zuwächse der CO2-Emissionen um zwei Prozent“, betont Gründer Dieter Paulmann, der mit seiner Stiftung Umweltprojekte fördert. Sie dienen dem Schutz der Meere und der Unterstützung der vom Klimawandel akut bedrohten Pazifikstaaten. „Die Ozeane sind unser Hauptklimastabilisator. Sie speichern zwischen 30 und 50 Prozent des CO2.“ Das Wissen über den Tiefseeboden sei geringer als das über die Marsoberfläche. „Wir haben die wissenschaftliche Forschung lange Zeit nicht in diese Richtung gelenkt und stehen jetzt zum Teil fassungslos vor diesem Phänomen.“

Nach Ansicht von Beobachtern sind es nicht zuletzt Arbeiten im Kleinen, die zuversichtlich stimmen – zwischenstaatliche Allianzen und Organisationen, die auf der Konferenz gemeinsame Maßnahmenpakete geschnürt haben. Was viele Konferenzteilnehmer aber vermissen, ist der gemeinsame große Wurf der Staatengemeinschaft.

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    Fünf Aspekte, die Hoffnung machen

    - Auf der Klimakonferenz hat sich eine Anti-Kohle-Allianz gebildet: Dem Bündnis unter Führung von Großbritannien und Kanada gehören 25 Staaten an. Deutschland ist bislang nicht dabei. Die beteiligten Länder haben erklärt, alle herkömmlichen Kohlekraftwerke schrittweise abzuschalten. Außerdem versicherten sie, keine neuen Werke zu bauen, die keine Möglichkeit der unterirdischen CO2-Speicherung zulassen. Bis zum nächsten UN-Klimagipfel 2018 in Polen sollen weitere 50 Länder teilnehmen.

    - Viele Lösungsansätze wurden außerhalb der offiziellen Verhandlungen erarbeitet, viele Organisationen bündeln ihre Kräfte in gemeinsamen Aktionen. Es gibt Fortschritte in vielen kleineren Aktionen. Die Konferenz war geprägt von vielen jungen engagierten Menschen (Lesenswert: „Jeder Einzelne kann etwas bewirken“) und gut vernetzten Organisationen, die sich leidenschaftlich für den Klimaschutz einsetzen.

    - Die USA sind immer noch an Bord! Anfang Juni hatte US-Präsident Donald Trump den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen (Lesenswert: 6 Gründe, warum der US-Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen den Fortschritt nicht aufhalten kann) verkündet. Auf der Klimakonferenz in Bonn verbreitete eine amerikanische Gegenbewegung eine völlig andere Botschaft: „Wir sind immer noch dabei“, sagte Ben Cardin, US-Senator des Staates Maryland. „Wir werden diesen Kampf gewinnen.“ Prominente Unterstützung fand er im gefeierten Auftritt von Arnold Schwarzenegger. „Kalifornien führt die Revolution der alternativen Energien an“, sagte der Hollywood-Star und ehemalige Gouverneur von Kalifornien. Trumps Ausstieg „bedeutet gar nichts“.

    - China ist für rund ein Drittel aller globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich, gefolgt von den USA. Doch der langjährige Klimasünder Nummer 1 scheint inzwischen umzudenken. Die Regierung des bevölkerungsreichsten Landes der Welt hat nach Medienberichten den zunächst geplanten Bau von mehr als 100 neuen Kohlekraftwerken inzwischen aufgegeben. Wie kein anderes Land investiert China in erneuerbare Energien. In den nächsten Jahren sollen mindestens 320 Milliarden Euro in Ökoenergie-Projekte fließen.

    - Ein Lichtblick auch in Europa: Zwischen 1990 und 2015 nahmen die Treibhausgas-Emissionen laut Bundesumweltamt in den 28 EU-Länder um fast 24 Prozent ab. In Deutschland konnten sie um knapp 28 Prozent reduziert werden. Der Anteil an grüner Energie ist hierzulande von rund sechs Prozent im Jahr 2000 auf annähernd 32 Prozent im Jahr 2016 gestiegen. Bis zum Jahr 2025 sollen 40 bis 45 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen.

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    Foto von National Geographic Creative

    Fünf Aspekte, die pessimistisch stimmen

    - Der weltweite CO2 Ausstoß steigt wieder. Erstmals seit drei Jahren verzeichnet der Forscherverbund Global Carbon Project für dieses Jahr wieder eine Zunahme der CO2-Emissionen von rund zwei Prozent. Vor allem China und Indien trügen hierzu bei. Auch in 99 anderen Ländern sind die Emissionen wieder angestiegen. In Europa und den USA hingegen sanken sie leicht. Noch vor einem Jahr hatten Forscher gehofft, die weltweiten CO2-Emissionen hätten ihren Höhepunkt erreicht.

    - Deutschland war 2015 für mehr als 18 Prozent der Treibhausgas-Emissionen in Europa verantwortlich – und damit mit Abstand Europas größter Klimasünder. Hauptgrund dafür ist die hohe Abhängigkeit des Landes von Kohlestrom. An der Anti-Kohle-Allianz aus 25 Staaten, die auf der Klimakonferenz ins Leben gerufen wurde, beteiligt sich Deutschland nicht.

    - Jahrelang galt Deutschland als Vorreiter im Klimaschutz. Inzwischen ist es im internationalen Vergleich nur noch Mittelmaß. In der Gegenüberstellung mit 56 anderen Staaten landet ausgerechnet der Konferenz-Gastgeber auf dem 22. Platz. Zu diesem ernüchternden Ergebnis kommt der internationale Klimawandel-Index CCPI, der auf der Klimakonferenz vorgestellt wurde. Deutschland will seinen CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 senken. Ohne zusätzliche Anstrengungen wird das Ziel deutlich verfehlt, mahnen Umweltschutzverbände.

    - Ein aktueller US-Klimabericht (Lesenswert: Wissenschaftlicher Klimabericht widerlegt Positionen der Trump-Regierung) zeichnet düstere Prognosen. Er kommt zu dem Schluss, dass die globale Erderwärmung größtenteils menschengemacht ist und warnt vor einem möglichen Anstieg des Meeresspiegels um bis zu 2,4 Meter bis 2100. Stürme seien stärker geworden, heftige Regenfälle häufiger zu verzeichnen. Auch Hitze, Waldbrände und Dürren hätten an Intensität und Häufigkeit zugenommen.

    - Wie geschlossen ist die Weltgemeinschaft in Klimaschutzfragen? In der Schlussphase der Klimakonferenz fanden Entwicklungsländer deutliche Worte: „Der Egoismus der Mächtigen ist ein Gift, das die Erde krank macht“, sagte Venezuelas Minister für Ökosozialismus und Wasser, Ramon Velasquez Araguayan, mit Blick auf die reichen Länder. Der Vertreter Nicaraguas, Paul Oquist, warnte: „Wenn die Klima-Migration von Millionen von Menschen in Richtung Norden los geht, wird es nur noch dieses Thema geben.“

    Jens Voss

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