Waldsterben in Deutschland: So retten wir unsere Bäume

Rund 80 Prozent der Bäume sind krank. Wie stoppen wir das Waldsterben? Wie gelingt die Wiederaufforstung? Und wie sieht der Wald der Zukunft aus?

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 13. Apr. 2022, 14:38 MESZ
Hier hat der Borkenkäfer ganze Arbeit geleistet: Abgestorbene Fichten im Harz.

Hier hat der Borkenkäfer ganze Arbeit geleistet: Abgestorbene Fichten im Harz.

Foto von Shutterstock

Wald am Wendepunkt: Hitze, Trockenheit, Stürme, Brände und Borkenkäfer haben die deutschen Wälder in den vergangenen Jahren so stark beschädigt wie noch nie seit Beginn der Messungen im Jahr 1984. Insbesondere die Folgen des Klimawandels setzen ihnen zu. Zwar konnte sich der Wald zuletzt etwas erholen. Die Witterung war ausgewogener als in den Jahren davor. Ein Grund für Entwarnung ist das aber nicht.

Nur jeder fünfte Baum hat überhaupt noch eine gesunde Krone. Rund 80 Prozent der Bäume sind also krank. War in den letzten Jahren vor allem die Fichte vom Waldsterben betroffen, leiden jetzt auch immer mehr Eichen und Buchen. Das geht aus dem aktuellen Waldzustandsbericht 2021 der Bundesregierung hervor.

Die Fläche, die wieder aufgeforstet werden muss, ist größer als das Saarland. Experten sind sich einig: Weitermachen wie bisher kommt nicht infrage. Weg von den Fichten-Monokulturen, hin zu naturnahen Mischwäldern, lautet die Devise. Um einen widerstandsfähigen Zukunftswald zu entwickeln, setzt man vielerorts auf heimische, standortangepasste Baumarten.

Galerie: Ein Streifzug durch die Wälder im Harz

Wiederaufforstung: Die Zeit der Fichte ist vorbei

Auch im 40 km² großen Kottenforst bei Bonn ist die Zeit der Fichte vorbei. Klaus Striepen vom zuständigen Regionalforstamt Rhein-Sieg-Erft sieht darin „eine Chance hin zu strukturreichen, artenreichen und unterschiedlich alten Waldbeständen“. Bei der Aufforstung der riesigen kahlen Flächen favorisiert er deshalb einen Mix aus mindestens vier Baumarten –meist Eichen, Linden, Hainbuchen und Erlen. Vermehrt geraten auch hitzeresistentere Arten wie Speierling oder Elsbeere in den Blick.

Jede Baumart kommt unterschiedlich gut mit Trockenheit zurecht. Aber auch innerhalb derselben Spezies scheint es Exemplare zu geben, die dem Dürrestress besser standhalten als andere. Die Antwort liegt offenbar im Erbgut der Bäume. Das zeigt eine Studie des Loewe-Zentrums und des Senckenberg-Forschungszentrums für Biodiversität und Klima.

Das Forschungsteam hat dazu Rotbuchen in ganz Hessen untersucht und deren DNA im Labor analysiert. Dabei stellte sich heraus, dass manche Bäume bestimmte Gene besitzen, die sie besser vor Trockenstress schützen. Daraufhin wurde ein Test entwickelt, mit dem man Dürreresistenz von Buchen nachweisen kann – und zwar schon im Saatgut. Mit dieser Erkenntnis sollen künftig besonders widerstandsfähige Laubbäume für die Forstwirtschaft ausgewählt werden.

Zeitenwende im Bonner Kottenforst: Wo einst Monokulturen aus Fichten standen, sollen artenreiche Mischwälder wachsen.

Foto von Manfred Hören

Laubbäume: Wasserwerke im Wald

Aber Laubbäume sind nicht nur resistenter gegen Hitze und Trockenheit als etwa die Fichte, die eigentlich aus dem hohen Norden stammt. Sie stärken auch den Wasserhaushalt der Wälder. Das Thünen-Institut für Waldökosysteme hat herausgefunden, dass in Laub- oder Mischwäldern mehr Regenwasser ins Grundwasser gelangen kann als in Nadelwäldern.

Unter dem winterkahlen Kronendach der Buche etwa verdunste viel weniger Wasser als unter der immergrünen Krone der Kiefer. Außerdem könne über die glatte Rinde der Buche weitaus mehr Wasser zum Boden fließen. „Dies erhöht den Anteil der Grundwasser-Neubildung und macht die Buche zum Wasserwerk im Wald“, erklären die Forschenden.

Auch Umweltverbände wie der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) weisen auf die Bedeutung der natürlichen Wasserkreisläufe hin. Statt Waldböden gezielt zu entwässern, brauche es Maßnahmen, damit sie wieder mehr Wasser speichern könnten. Der Rückbau von Entwässerungsgräben sei genauso wichtig wie die richtige Baumauswahl.

„Unsere Wälder müssen endlich schonender bewirtschaftet werden“, sagt BUND-Experte Jörg Nitsch und fordert mehr naturbelassene Wälder – ohne massiven Holzeinschlag und schwere Erntemaschinen, die die Böden zusätzlich verdichten. Als langfristiges Ziel will der BUND, dass sich mindestens zehn Prozent der Wälder dauerhaft frei von forstlichen Eingriffen entwickeln dürfen.

Wissen kompakt: Entwaldung
Wälder bedecken etwa 30 % der Erde, aber durch die Entwaldung wird dieser Lebensraum im großen Maß zerstört. Erfahrt mehr über die Ursachen, Folgen und Alternativen zur Entwaldung.

Urwälder in Deutschland

In solchen Urwäldern von morgen würden nicht nur seltene Tiere, Pflanzen und Pilze besonders geschützt. Auch die Forschung könne wertvolle Erkenntnisse darüber gewinnen, wie sich der Wald in der Klimakrise selbst helfen kann. Aktuell ist man von diesem Szenario noch weit entfernt. 99 Prozent der Wälder in Deutschland sind menschlich geprägt. Das heißt im Gegenzug: Nur ein Prozent des deutschen Waldes gilt als naturbelassen.

Die Natur machen lassen: Das ist auch ein Leitsatz von Deutschlands wohl bekanntestem Förster. Als Hauptursache für Deutschlands kranke Wälder sieht Peter Wohlleben nicht vorrangig den Klimawandel. Den Wäldern gehe es vor allem schlecht, weil die Forstwirtschaft schon früh auf die falschen Bäume gesetzt habe: Schon seit Jahrzehnten würden Fichten und Kiefern hierzulande ums Überleben kämpfen. Der Klimawandel verschärfe die Lage nur.

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