Hitze, Dürre, Klimawandel: Wird Brandenburg zur Wüste?

Brandenburg gehört zu trockensten Gebieten in Deutschland. Drohen weite Teile des Landes zu versteppen? Die Landwirtschaft könnte der Schlüssel sein, um die Wasserknappheit in den Griff zu bekommen.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 9. Juni 2023, 14:54 MESZ
Luftaufnahme der Lieberoser Wüste in Brandenburg

Die Lieberoser Wüste in Brandenburg

Foto von Adobe Stock

Unbarmherzig brennt die Sonne auf den staubtrockenen Sand. Keine schattenspendenden Bäume weit und breit. Die Luft flimmert. In der Ferne lassen sich die Silhouetten der umliegenden Kieferwälder erahnen. Willkommen in Deutschlands bislang einziger Wüste. Sie liegt in Brandenburg, knapp 25 Kilometer nördlich von Cottbus. Rund fünf Quadratkilometer ist sie groß. Sie entstand 1942 durch einen Waldbrand und war zu DDR-Zeiten Teil eines Truppenübungsplatzes in der Lieberoser Heide.

Nach der Wiedervereinigung überließ man das Areal weitgehend sich selbst und stellte es unter Naturschutz. Heute leben dort Tiere und Pflanzen, die sonst kaum in Deutschland zu finden sind. Seltene Vogelarten wie der vom Aussterben bedrohte Brachpieper sind perfekt an die extremen Bedingungen angepasst. Kein Wunder, dass sich Umweltschützer für den Erhalt der Lieberoser Wüste stark machen. Was aber wäre, wenn es nicht bei einer einzigen Wüste bliebe?

Trotz seiner vielen Gewässer zählt Brandenburg zu den trockensten und niederschlagsärmsten Bundesländern. Gleichzeitig wird es dort immer wärmer. Laut dem Klimareport Brandenburg des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ist die Durchschnittstemperatur seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 um 1,3 Grad gestiegen. Wenn sich der Klimawandel ungebremst fortsetzt, könnte es in gut 70 Jahren im Worst Case nochmals fünf Grad wärmer sein, erklärt die Behörde.

Durch den Temperaturanstieg verdunstet mehr Wasser. Es kann dann nicht mehr in den Boden sickern, um die Grundwasserspeicher aufzufüllen. Zugleich müssen wir uns im Zuge der globalen Erwärmung auf länger anhaltende Wetterlagen einstellen. Das begünstigt extreme Wetterereignisse wie Starkregen oder Dürreperioden. Auch wenn der Blick in die Zukunft schwierig ist: Für Brandenburg rechnet der DWD auf lange Sicht mit trockeneren Sommern, nasseren Wintern und häufigeren Unwettern. 

Sahara? Nein: Die Lieberoser Wüste nördlich von Cottbus 

Foto von Adobe Stock

Der Fluch der Braunkohle

Schon heute klagen die Bauern in Brandenburg immer öfter über Ernteausfälle. Und auch die Natur leidet. Besonders heftig war es 2018. Verdorrte Äcker und ausgetrocknete Flussbetten waren nur einige Folgen des wärmsten Jahres seit 1881. Allein in Brandenburg sind bei 491 Waldbränden rund 1.664 Hektar Wald verbrannt – eine Fläche so groß wie 2.330 Fußballfelder. Seitdem fehlt in Brandenburg das Wasser eines ganzen Jahres. Kaum auszudenken, wenn sich die Lage im Zuge des Klimawandels zuspitzen würde. 

Werden allmählich ganze Landstriche in Brandenburg veröden? „Brandenburg wird nicht zur Wüste, aber die Verhältnisse werden deutlich arider werden“, sagt Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Arides Klima bedeutet, dass die Niederschlagsmenge in einem Gebiet über mehrere Jahrzehnte betrachtet geringer ist als die Verdunstung. „Es gibt den klaren Trend, dass die Landschaft in Brandenburg trockener wird“, so Hattermann. 

„Schon jetzt brauchen wir eigentlich mehr Niederschlag, um die Zunahme der Verdunstung zu kompensieren.“ Die Vegetation sei bereits deutlich geschädigt. Der aktuelle Waldzustandsbericht der Landesregierung zeigt das in aller Deutlichkeit: Nur noch acht Prozent der Bäume in Brandenburg sind völlig gesund.

BELIEBT

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    Umweltorganisationen wie der BUND weisen auf eine weitere Gefahr hin: den Braunkohleabbau. Um an den fossilen Brennstoff zu gelangen, wird seit Jahrzehnten Grundwasser in gigantischen Mengen abgepumpt und in die Flüsse eingeleitet. „Wir haben seit Jahren fallende Grundwasserspiegel in Brandenburg“, sagt Axel Kruschat, Geschäftsführer vom BUND Brandenburg. Er fordert einen vorgezogenen Kohleausstieg bis 2030. 

    Offiziell soll spätestens 2038 Schluss sein. Kruschat warnt, vor allem die Lausitz und andere Regionen mit sandigen Böden drohten zu versteppen. Zwar gibt es technische Lösungen, um das Wasserreservoir im Boden wieder aufzufüllen. Eine Möglichkeit besteht zum Beispiel darin, das Grundwasser künstlich anzureichern, zum Beispiel mit Wasser aus Starkniederschlägen. Dennoch: Die Lage ist kritisch.

    Galerie: Leben in der ältesten Wüste der Welt

    Frisches Wasser für die „Streusandbüchse“

    Mit einer Klimaanpassungsstrategie will die Landesregierung die künftige Wasserversorgung sicherstellen. Dabei geht es nicht nur um einen sorgsamen Umgang mit dem wertvollen Nass. Ebenso wichtig sei es, den Wasserhaushalt in der Landschaft zu stabilisieren. „Waldumbau, Moorschutz und der Renaturierung von Flussläufen kommen hier Schlüsselfunktionen zu“, erklärt Landwirtschaftsminister Axel Vogel. Auch die Äcker sollen lebendiger werden.

    Experten sind davon überzeugt: Gesunde, humusreiche Böden sind der Schlüssel für einen guten Wasserhaushalt. Humus gilt als echter Wunderstoff. Er entsteht, indem Bodenlebewesen abgestorbene Pflanzen- und Tierreste zersetzen und dabei in hochwertige Erde umwandeln. Je mehr Humus, desto fruchtbarer und wasseraufnahmefähiger der Boden.

    Das Problem: Brandenburgs Böden sind sandig, trocken und nährstoffarm. Der Humusanteil in den Äckern liegt oft nur bei einem Prozent. Nicht von ungefähr wird das Bundesland auch als „Streusandbüchse“ bezeichnet. Monokulturen, Kunstdünger und Pestizideinsatz schwächen die Äcker zusätzlich. Denn sie schaden dem Bodenleben. So werden die ohnehin kargen Sandböden immer unfruchtbarer und können kaum noch Wasser speichern. 

    BUND-Geschäftsführer Kruschat fordert: „Wir müssen bei der Landwirtschaft extrem umsteuern.“ Im Klartext bedeute das: In Kreisläufen denken. Weg von den riesigen Monokulturen, hin zu kleinteiligen sogenannten Agroforst-Systemen. Fachleute verstehen darunter die Verbindung von Land- und Forstwirtschaft auf einer Fläche. Baumreihen werden in geeigneten Abständen auf den Acker gepflanzt. Die Bäume beschatten die Böden und schützen vor Erosion und Austrocknung. „Schatten ist die neue Ressource in Brandenburg“, sagt Kruschat. Alles in allem kann der Boden den raren Regen so besser speichern. 

    Der Klang der Wüste
    Die besondere Beschaffenheit ihres Sands sorgt dafür, dass die Eureka Dünen im Death Valley Nationalpark einen ganz eigenen Sound haben. Szenen aus Das schöne Amerika.

    Rebellion auf dem Acker

    Wie das in der Praxis funktionieren kann, zeigt ein Quereinsteiger in einem kleinen Dorf in Brandenburg, 80 Kilometer östlich von Berlin. Benedikt Bösel hatte als Investmentbanker in Frankfurt gearbeitet, bevor er 2016 den Bauernhof seiner Eltern übernahm. Heute zählt er zu den Pionieren der regenerativen Landwirtschaft, die auf gesunde Böden zielt. 2022 wurde er zum „Landwirt des Jahres“ ausgezeichnet. Auf seinem Hof „Gut und Bösel“ in Alt Madlitz ist er verantwortlich für 3.000 Hektar Land- und Forstwirtschaft – an einem der trockensten Orte Deutschlands. Die Auswirkungen des Klimawandels sind dort längst spürbar. Drei Dürrejahre in Folge bescherten Bösel einen existenzbedrohenden Start.

    Schnell wurde ihm klar: Nur mit grundlegenden Veränderungen hat sein Hof eine Zukunft. „Damals verstand ich zum ersten Mal, dass ich all meine Kraft auf den Aufbau gesünder Böden und gesunder Ökosysteme leiten musste“, erinnert sich der Landwirt. Flankiert von viel Forschungsarbeit entwickelte er ein neuartiges Betriebskonzept, bei dem die Forschung, eine vielschichtige Art der Landnutzung und die Gesundheit der Böden im Fokus stehen.

    Benedikt Bösel und Mitarbeiterin Rosanna Gahler inspizieren die neu bepflanzten Agroforst-Anlagen.

    Foto von © 2021 The Walt Disney Company

    Agroforst spielt darin eine wichtige Rolle. „Agroforstsysteme können ganze Ökosysteme regenerieren“, sagt Bösel. In seiner Baumschule zieht er die Bäume vor, die später in die Agroforstflächen gesetzt werden. Das hofeigene Kompostierungssystem produziert Humus für die kargen Sandböden. 

    Einen gesunden Wasserhaushalt – den will Bösel auch für seinen 2.000 Hektar großen Wald. Aktuell sei der Forst in Alt Madlitz „eine ökologische Wüste“ und damit anfällig für Dürren, Stürme und Brände. Bösels Ziel: Die Kiefernmonokulturen zu einem Mischwald umzugestalten, der dem Klimawandel trotzen kann. „Wir müssen wieder auf die Natur zugehen und ihre Stärken in unsere Philosophie von Landnutzung einbinden“, sagt er. Gerade in einer dürrebedrohten Region wie Brandenburg gibt es in seinen Augen keine Alternative.

    Erlebt Benedikt Bösel mit seinem jungen Team und sein visionäres Engagement für eine neue Form der Landwirtschaft in einer außergewöhnlichen Doku-Serie: FARM REBELLION – ab dem 14. Juni 2023 alle sechs Folgen exklusiv auf Disney+ streamen.

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