Schokolade fürs Klima: Wie der Kakaoanbau in Agroforsten dem Regenwald helfen soll

Weihnachtszeit ist Schokoladenzeit. Doch für Kakaoplantagen wird oft tropischer Regenwald zerstört und in Monokulturen umgewandelt. Sind naturnahe Waldgärten, so genannte Agroforste, eine umweltfreundliche Alternative?

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 5. Dez. 2022, 13:54 MEZ
Der Sohn eines Kleinbauern probiert eine Kakaobohne aus Agroforstanbau in Ecuador.

Schmeckt auch frisch vom Baum: Der Sohn eines Kleinbauern probiert Kakao aus einem Agroforst in Ecuador.

Foto von Gabriel Vanerio / WWF Ecuador

Kaum ein anderes Land verarbeitet so viel Kakao wie Deutschland. Rund 440.000 Tonnen pro Jahr, wie der Bundesverband der deutschen Süßwarenindustrie errechnet hat. Um die hohe Nachfrage zu decken, wird Kakao meist in Monokultur angebaut. Dafür muss Regenwald weichen. Doch der ist nicht nur der artenreichste Lebensraum auf unserem Planeten, sondern als gigantischer Kohlenstoffspeicher auch ein wichtiger Verbündeter beim Klimaschutz.

Werden aber Wälder gerodet und verbrannt, gelangt ein Großteil des Kohlenstoffs als Kohlendioxid in die Atmosphäre. Das Klima heizt sich auf, weil der Mensch mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre freisetzt, als andere Wälder, Moore oder Meere speichern.

Können wir überhaupt von der Natur leben, ohne sie zu zerstören? Neue Hoffnung weckt die Agroforstwirtschaft. Bei dieser Anbaumethode wachsen Nutzpflanzen wie Ananas, Bohnen oder Kakao im Schatten von Bäumen und Sträuchern. Ökologische Landwirtschaft im Dschungel: Als Vorbild dient der artenreiche Stockwerkbau des tropischen Regenwalds.

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Agroforst: Ackern unter Bäumen

Ähnlich wie der natürliche Wald sollen Agroforste das Regenwasser besser speichern als Monokulturen und so auch den Nährstoffkreislauf wieder in Schwung bringen. Weil viele verschiedene Pflanzen gemeinsam in solchen Waldgärten angebaut werden können, gilt die Anbaumethode nicht nur als umweltfreundlich. Sie soll auch die Widerstandsfähigkeit des gesamten Systems stärken: Wird eine Nutzpflanze krank, gibt es noch andere Arten, die geerntet werden können.

Ecuador ist der drittgrößte Kakaoproduzent der Welt. Ein Projekt des WWF soll zeigen, wie der Kakaoanbau die Biodiversität in dem südamerikanischen Land positiv beeinflussen kann. „Entscheidend für die nachhaltige Produktion von Kakao ist der Anbau von vielschichtigen Agroforstsystemen“, erklärt Michelle Neuhaus, Projektleiterin für Südamerika beim WWF Deutschland. Monokulturen würden zwar kurzfristig mit hohen Erträgen locken. „Langfristig laugen sie aber die Böden aus und lassen keinen Raum für Artenvielfalt.“

Galerie: Abenteuer Dschungel

BELIEBT

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    Umweltfreundlicher Kakaoanbau: „Ein Gewinn für alle“

    In der Provinz Napo entwickelt und erprobt die Umweltorganisation die Agroforstwirtschaft gemeinsam mit lokalen Kleinbauern. Anders als bei Monokulturen müsse den Plantagen kein Wald weichen. „Das Geschäftsmodell ist ein Gewinn für alle Beteiligten“, sagt Neuhaus. Indigene Landwirte würden den Kakao nach ökologischen Standards anbauen. Die Erzeugerfamilien könnten einer nachhaltigen Produktion nachgehen, die ihren Lebensunterhalt sichert und ihr traditionelles Wissen bewahrt. „Gleichzeitig bietet es Abnehmern die Gewissheit, hochwertige Bohnen aus ökologischem Anbau zu erhalten.“

    OroVerde sieht das genauso. Auch die Tropenwaldstiftung setzt auf Agroforstprojekte mit lokalen Kleinbauern. Das Ziel: Naturnahe Grünflächen, die über Jahrzehnte verlässliche Ernten sichern und zugleich wichtige ökologische Funktionen der ursprünglichen Urwälder übernehmen.

    „Als Tropenwaldstiftung sind uns zwei Aspekte von Baumpflanzungen besonders wichtig: die Artenvielfalt und die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung vor Ort“, unterstreicht Vorständin Martina Schaub. „Es gilt, die kleinbäuerlichen Familien und lokale Initiativen dabei zu unterstützen, naturnah zu wirtschaften und zugleich die Ernährungssicherheit zu erhöhen.“ Das Interesse den Wald zu schützen, werde umso größer, je mehr Menschen vom Wald leben können.

    Waldgärten wie dieser in der Gemeinde La Tecnica in Guatemala sichern der lokalen Bevölkerung ein Einkommen und bilden ein waldnahes Ökosystem.

    Foto von Michael Metz

    Agroforstwirtschaft in Deutschland

    Klar ist aber auch: Ein Agroforst besitzt nicht die ökologische Komplexität eines natürlichen Waldes. Wie umweltfreundlich er tatsächlich ist, hängt davon ab, ob er aus offener Landschaft oder aus natürlichem Wald entstanden ist. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende der Universität Göttingen. Wenn Bauern etwa ihre Äcker in Agroforste umwandeln, hat das positive Auswirkungen auf die Umwelt. Müssen aber intakte Wälder für Waldgärten weichen, wäre der ökologische Sinn verfehlt.

    Skeptiker wenden außerdem ein, die Agroforstwirtschaft sei vergleichsweise aufwändig und kostspielig. Und möglicherweise ist auch das  Klimaschutzpotenzial gar nicht hoch wie erhofft. Zu dieser Annahme kommt eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamts.

    Nach Ansicht der Behörde ändert das aber nichts an den grundsätzlichen Vorteilen der Anbaumethode für Mensch und Umwelt. Agroforstsysteme sollten deshalb „aktiv gefördert werden“. Nicht nur in den Tropen – auch in Deutschland könnte das Ackern unter Bäumen künftig Schule machen. Die Bundesregierung will die Agroforstwirtschaft ab 2023 öffentlich fördern.

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