Wie wird die Welt 2070 aussehen? Zwei Perspektiven für die Zukunft

Bis zum 100. Earth Day wird sich viel verändern: Werden wir in die Rettung der Natur investieren – oder lieber darin, ihre Grenzen zu überwinden? Beides hat seinen Preis.

Von David Beard
Veröffentlicht am 15. Apr. 2020, 15:47 MESZ
Foto von Jeff William, NASA

Heute versuchen wir, eine Welt zu retten, die durch eine globale Pandemie aus den Fugen geraten ist. Vor 50 Jahren gingen die Menschen zum ersten Earth Day auf die Straße, um den ganzen Planeten zu retten.

Inmitten der aktuellen Ausnahmesituation befasst sich National Geographic mit einer Frage, die weit in die Zukunft blickt: In was für einer Welt werden wir zum 100. Earth Day in 50 Jahren leben?

Sowohl Optimisten als auch Pessimisten glauben, dass wir uns an einem Wendepunkt befinden. Je nachdem, wie wir handeln (oder nicht handeln), schlagen wir einen von mehreren möglichen Wegen ein. Die aktuelle Ausgabe von National Geographic erkundet in diese unterschiedlichen Perspektiven.

National Geographic Magazine April 2020

Foto von National Geographic Germany

Wie sähe unsere Welt aus Sicht derer aus, für die das Glas halbvoll ist? Die Autorin Emma Marris verweist auf die erhöhte Effizienz von Autos, Solar- und Windenergie und Batteriekapazitäten – Bausteine für eine bessere Welt. Sie stellt sich ein Ende der Subventionen für die Fleischindustrie vor, die unsere Gesellschaft zu einem gesteigerten Konsum pflanzlicher Nahrungsmittel motivieren würde. Marris schreibt, dass staatliche Interventionen – getrieben von einem erhöhten Bewusstsein sowohl junger als auch älterer Bürger – Firmen und Privatpersonen dazu bringen könnten, Gebäude zu sanieren, Öl- und Gasöfen abzuschaffen und bis zu 1,3 Milliarden Benzinfresser aus dem Verkehr zu ziehen.

BELIEBT

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    „Dafür wäre auch nicht mehr Geld nötig als für die Bankenrettung“, schreibt Marris und zitiert Jonathan Foley vom Project Drawdown, das Kosten-Nutzen-Analysen für Klimawandellösungen erstellt. Foley bezog sich dabei auf die Bankenrettung nach der Rezession 2008 und 2009 (auch wenn durch die COVID-19-Pandemie wohl demnächst ähnliche Rettungsprojekte anstehen).

    Aber zurück zu den guten Nachrichten: Laut Marris konnte Bildung unsere Welt bereits umfassend verändern – auch wenn die Ergebnisse nicht immer offensichtlich sind. Kenianische Frauen erhielten beispielsweise in weiten Teilen des Landes Zugang zu Bildung und Geburtenkontrolle. Dadurch sank die durchschnittliche Zahl der Kinder pro Frau von 8,1 in den 1970ern auf 3,7 im Jahr 2015.

    Der Japanese Friendship Garden in San Diego soll den Besuchern Ruhe bringen und sie dazu anregen, über die Natur nachzusinnen. Emma Marris hofft auf eine Zukunft im Gleichgewicht, die sie in ihrem optimistischen Essay über die Erde im Jahr 2070 beschreibt.

    Foto von George Michael, Nat Geo Image Collection

    Schwarz-weiße Absolutismen werden von hybriden Denkweisen abgelöst, wenn es um unsere Einstellung zur Natur geht, argumentiert sie. Grenzen werden durchlässiger sein, Gärten unaufgeräumter. Wildniskorridore werden sich durch Ackerland und Städte ziehen. Flussniederungen werden CO2 speichern, Nahrung erzeugen und Überschwemmungen kontrollieren. Kinder werden auf die Bäume in schuleigenen Obstgärten steigen und Obst pflücken.

    Sie betrachtet unsere größte Bedrohung – den Klimawandel – als eine Chance für die reichen Nationen, den armen zu helfen. Es sei „eine Gelegenheit für uns“, so schreibt Marris, „als Spezies erwachsen zu werden“. Ihr Earth Day im Jahr 2070 ist eine Party in einer Welt, in der sich alle Politiker darüber einig sind, dass fossile Brennstoffe ein Frevel sind, in der aller Kaffee Fair Trade ist und in der Vogelgesänge klar und deutlich die leiseren Geräusche des Stadtverkehrs übertönen.

    Aber nicht so schnell, findet Elizabeth Kolbert, Autorin des Buches „Das sechste Sterben: Wie der Mensch Naturgeschichte schreibt“. Sie rechnet damit, dass der steigende Meeresspiegel die Marshall-Inseln und die Malediven bis 2070 unbewohnbar macht, dass Norfolk in Virginia die Hälfte des Jahres überschwemmt sein wird und dass bestimmte Gebiete in Australien und Kalifornien durch längere und heftigere Waldbrandsaisons nachhaltig verändert werden.

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    Unsere Zukunft, erklärt Kolbert, hängt davon ab, wie viel CO2 wir in den nächsten 50 Jahren ausstoßen werden. Und alles, was nicht mindestens einen vollständigen Stopp des CO2-Ausstoßes zur Folge hätte, wird dafür sorgen, dass die Menge des Kohlendioxids in unserer Atmosphäre ansteigt – und damit auch die Temperatur des Planeten. Die Entwaldung schreitet weiter voran, ebenso das Artensterben der Flora und Fauna um uns herum. „Für jede Spezies, die in Vergessenheit zu geraten droht, scheinen sich etliche weitere darauf zuzubewegen“, schreibt sie.

    Kolbert kann sich keinen optimistischen Blick auf unsere Zukunft abringen oder sich der Vision eines freudigen Earth Day 2070 anschließen, auch wenn sie anerkennt, dass technische Fortschritte einige unserer Probleme lösen könnten.

    „Vielleicht werden Drohnen in Zukunft Pollen transportieren; sie werden bereits getestet. Vielleicht werden wir auch Wege finden, mit ansteigenden Meeresspiegeln, schwereren Stürmen und ärgeren Dürren fertig zu werden. Vielleicht werden neue, gentechnologisch erzeugte Nahrungspflanzen es möglich machen, die wachsende Erdbevölkerung selbst in einer wärmeren Welt weiter zu ernähren. Vielleicht werden wir herausfinden, dass das „alles miteinander verknüpfende Netz des Lebens“ für die menschliche Existenz doch nicht lebenswichtig ist“ schreibt Kolbert.

    Verbrannte Erde nach dem Duncan Fire in Boise im US-Bundesstaat Idaho. Elizabeth Kolbert rechnet mit einer düsteren Zukunft für die Erde im Jahr 2070, wenn längere und heftigere Waldbrandsaisons wüten werden.

    Foto von Charlie Hamilton James, Nat Geo Image Collection

    Dann schließt sie: „Für manche mag das ein glücklicher Ausgang sein. Für mich ist dieses Szenario noch beängstigender. Es hieße, dass wir unbegrenzt so weitermachen könnten wie bisher – die Atmosphäre verändern, Feuchtgebiete trockenlegen, die Ozeane leeren und alles Leben aus dem Himmel tilgen. Und wenn wir uns dann von der Natur befreit hätten, würden wir merken, dass wir allein sind, abgesehen vielleicht von unseren Insektendrohnen.“

    Welche Zukunft wird uns gehören? Werden wir die Möglichkeit erhalten, sie mitzubestimmen – oder liegt sie nicht länger in unseren Händen? Als ich mich anschicke, diesen Arten noch vor Tagesanbruch an einem Dienstag zu beenden, zwitschert vor meinem Haus ein Singvogel. Ich nehme den dünnen Einband mit den gesammelten Reden Greta Thunbergs aus meinem Bücherregal, „No One Is Too Small to Make a Difference“.

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    Seit 1888 fördert die National Geographic Society engagierte Forscher und Entdecker wie Jane Goodall und Amelia Earhart. Gemeinsam finden wir Wege in eine nachhaltige Zukunft, um das zu bewahren, was wir lieben.

    In einer ihrer Reden sagt Thunberg, dass die Hoffnung in unserem Widerstand liegt, in unserer Weigerung, uns dem Vergessen zu fügen.

    „Wir sind diejenigen, die einen Unterschied machen“, erzählt die schwedische Jugendliche ihrem jungen Londoner Publikum im April 2019. „Das sollte nicht so sein, aber da niemand sonst etwas unternimmt, werden wir es tun müssen. […] Wir werden niemals aufhören, für diesen Planeten, für uns selbst, für unsere Zukunft und für die Zukunft unserer Kinder und Enkel zu kämpfen.“

    Womöglich ist das ein Punkt, in dem sich beide Autorinnen – ebenso wie Thunberg und ihre Gegner – einig werden können: Unsere Erde ist es wert, dass wir für sie kämpfen.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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