Spaß unter Physikern: Von Meerjungfrauenbiologie & Zombiemigration
Für gute Feen, Vampire und Superman hat die Wissenschaft ein Wort der Warnung parat: Naturgesetze ignoriert man auf eigene Gefahr.
Berechnungen zeigen, dass Aschenputtels Glaspantoffel zerbrochen wäre – genau wie ihre Träume.
Wir alle kennen die Geschichte: Die Uhr schlägt Mitternacht und Aschenputtel flieht angesichts eines drohenden Garderoben-Kollapses vom königlichen Ball. Zurück bleibt ein einzelner gläserner Pantoffel. Der Prinz reist durch das ganze Königreich, bis er die Frau findet, deren Fuß perfekt in den Schuh passt – und die beiden heiraten.
Aber Aschenputtels Chance auf ein glückliches Leben hätte genauso gut in einem Scherbenhaufen enden können. Das zumindest ist die Erkenntnis von Physikstudierenden, die anhand von Belastungsberechnungen die Haltbarkeit ihrer gläsernen Schuhe beurteilt haben.
„Wenn sie steht, nehmen wir an, dass die nach unten wirkende Kraft gleichmäßig auf ihre beiden Füße verteilt ist“, erklären sie. Wenn sie jedoch geht oder rennt, wirkt die Kraft nur auf jeweils einen Fuß.
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Das Ergebnis? Aschenputtels gläserne Pantoffeln wären zerbrochen (genau wie ihr Herz), wenn ihre Absätze mehr als 1,2 Zentimeter hoch gewesen wären. Ein guter Tipp für angehende Prinzessinnen wäre also, sich immer für flache Schuhe statt für Pumps zu entscheiden.
Diese und andere aufschlussreiche Geschichten rund um imaginäre Charaktere findet man im „Journal of Physics Special Topics“. Das von der University of Leicester herausgegebene Online-Journal veröffentlicht die Arbeiten von Studierenden, die reale Physik auf kreative Probleme anwenden und dann einer „Peer-Review“ unterziehen.
Einige ihrer Arbeiten befassen sich mit Phänomenen aus der realen Welt, beispielsweise warum Türen zuschlagen, wenn man die Fenster im Haus offenlässt. Aber die meisten sind in der Fantasie und Fiktion verwurzelt, einschließlich Märchen, griechischer Mythologie, Comics, Filmen und Videospielen.
„Es gibt nur eine reale Welt“, sagt Physikprofessor Mervyn Roy, der den Kurs betreut. „Den Studierenden können die relativ einfachen Probleme ausgehen, weil andere Gruppen sie in der Vergangenheit bereits gelöst haben. Aber sobald man anfängt, sich mit Fiktion zu beschäftigen, gibt es ein riesiges Reich an Dingen zu erforschen.“
Im Film Superman von 1978 macht der Mann aus Stahl einen Superfehler, als er die Erddrehung umkehrt.
Dabei befinden sich die Studierenden in guter Gesellschaft. Im Laufe der Jahrzehnte haben prominente Wissenschaftler durchaus die ein oder andere fantasievolle Abhandlung geschrieben. Der angesehene Ozeanograph Karl Banse veröffentlichte einen Beitrag mit dem Titel „Meerjungfrauen: ihre Biologie, Kultur und ihr Untergang“. Thomas Woolley vom Mathematischen Institut der University of Oxford zeigte, wie Diffusionsgleichungen genutzt werden können, um die Migrationsmuster von Zombies vorherzusagen.
Wissenschaftler lieben es, Probleme zu lösen, sagt Roy. Und gerade Forschung, die von Neugier motiviert ist, kann zu unerwarteten Einsichten führen. Als Beispiel führt er einige Arbeiten an, die in den Neunzigern über die Physik von ringförmigen Kaffeeflecken geschrieben wurden. „Ich kann mir vorstellen, dass damals viele Leute sagten: Was soll das bringen?“, sagt er. „Aber heute werden die Modelle, die sie ausgearbeitet haben, zum Beispiel für Techniken zur Selbstorganisation von Nanopartikeln verwendet.“
Und natürlich ist da die einfache Tatsache, dass Wissenschaftlerinnen, wie jeder andere auch, einfach nur Spaß haben wollen.
„Im Laufe meiner Karriere habe ich erlebt, dass sowohl andere Wissenschaftler als auch die Öffentlichkeit Wissenschaftler dafür kritisierten, dass sie ‚Spaß‘ haben“, erklärt der Ozeanograph Craig McClain, der Gründer und Chefredakteur des Blogs Deep-Sea News. „Ich für meinen Teil bin in die Wissenschaft gegangen, um Spaß zu haben. Und wenn mein Doktortitel mir die Fähigkeit verleiht, die Urinproduktion von Godzilla zu berechnen, dann werde ich dieses Nerd-Abzeichen mit Freude an der Brust tragen.“
In diesem Sinne gibt es hier eine Auswahl der anderen Forschungsarbeiten, die im „Journal of Physics Special Topics“ veröffentlicht wurden.
Supermans tödlicher Irrtum
Im Film von 1978 reist Superman aus Trauer über den Tod von Lois Lane in der Zeit zurück, indem er mit so hoher Geschwindigkeit fliegt, dass die Erde sich rückwärts zu drehen beginnt.
Natürlich ist es Quatsch, dass er auf diese Weise rückwärts durch die Zeit reisen kann. Aber könnte der letzte Sohn von Krypton die Rotation eines ganzen Planeten umkehren?
Tatsächlich ist das möglich. Nach Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie nimmt die Masse eines bewegten Objekts zu, wenn es sich der Lichtgeschwindigkeit nähert. Wenn Superman nur schnell genug fliegen würde, entspräche seine relativistische Masse dem 13,7-Millionenfachen seiner normalen Masse. Das würde ein Gravitationsfeld erzeugen, das ausreichen würde, um die Polarität der Erddrehung zu ändern.
Leider würde dieses Gravitationsfeld auch nahegelegene Asteroiden anziehen, die Supermans Wahlplaneten in den Untergang stürzen würden. „Also denkt daran: Bitte nicht zu Hause nachmachen!“, warnen die Studierenden.
Das Weihnachtsmannparadoxon
Einsteins Theorie besagt auch, dass sich die Zeit für ein bewegtes Objekt langsamer bewegt als für ein stillstehendes (das Zwillingsparadoxon).
Was würde das für den Weihnachtsmann bedeuten? Um alle seine Geschenke in einer Nacht (etwa zwölf Stunden) auszuliefern, müsste er während der gesamten Zeit mit 0,76 % der Lichtgeschwindigkeit unterwegs sein.
Nachdem der Weihnachtsmann 194 Jahre damit verbracht hat, an Heiligabend Geschenke zu transportieren, müsste er nach dem Prinzip der Zeitdilatation 242 Sekunden jünger sein als wir alle.
Wenn der Weihnachtsmann Geschenke verteilt, reist er so schnell, dass er langsamer altert als wir.
Trinketikette bei Vampiren
Vampire, die ihre Trinkgewohnheiten optimieren wollen, sollten nicht mehr als 15 % vom Blut eines Menschen trinken. Jenseits dieser Schwelle beginnt sich die Herzfrequenz des Menschen zu verändern, was dazu führt, dass mehr Blut durch die Einstichlöcher in der äußeren Halsschlagader (aus der der Vampir trinkt) verloren geht. Das wäre ungefähr so, als würde sich ein Trinkhalm in einen Feuerwehrschlauch verwandeln.
Mit Hilfe der Fluiddynamik berechneten die Studierenden, dass es etwa 6,4 Minuten dauern würde, bis ein Vampir so viel Blut getrunken hat und schnell wieder verschwinden kann.
Die richtigen Schuhe für den Flash
In der Fernsehserie „The Flash“ rennt der blitzschnelle Superheld so schnell, dass in einer Szene seine Schuhe Feuer fangen.
Sofern seine Schuhe Gummisohlen haben, müsste er eine Geschwindigkeit von 6.911 Metern pro Sekunde erreichen, um genug Reibungswärme zu erzeugen, um seine Gummisohlen anzukokeln. Im „wirklichen Leben“ hätten sich die Schuhe des Flashs jedoch schon völlig abgenutzt, sobald er eine Geschwindigkeit von 394 Metern pro Sekunde erreicht.
Teure Orbital-Laser
Im James-Bond-Film „Stirb an einem anderen Tag“ bedroht der Antagonist Gustav Graves die Welt mit seinem Ikarus-Satelliten, der das Sonnenlicht nutzt, um einen tödlichen Laserstrahl zu erzeugen. Wie groß müsste das Solarpanel des Satelliten sein?
Berücksichtigt man sowohl die anfängliche Energie des Lasers als auch die zusätzliche Energie, die benötigt wird, um atmosphärischen Effekten entgegenzuwirken, müsste das Panel 4.870 Quadratmeter groß sein. Zum Vergleich: Ein Fußballfeld hat nach FIFA-Norm eine Fläche von 7.140 Quadratmetern.
„Es wäre möglich, den Satelliten in Etappen zu bauen“, schlussfolgern die Studenten. „Allerdings wäre die Finanzierung sehr aufwendig, da mehrere Starts nötig wären, um ihn fertigzustellen.“
Vielleicht wäre Crowdfunding für den modernen Bösewicht eine Option?
Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.
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