Warum der Titanic-Tourismus nicht nur für Menschen gefährlich ist

Seit etwa zwei Jahrzehnten finden touristische Tauchfahrten zum Wrack der Titanic statt. Zu einem hohen Preis – nicht nur für die Passagiere, sondern auch für das, was von dem Schiff noch übrig ist.

Von Allie Yang
Veröffentlicht am 31. Juli 2023, 10:44 MESZ
Die Titanic ist seit mehr als einem Jahrhundert unter Wasser und geht immer mehr kaputt – ...

Die Titanic ist seit mehr als einem Jahrhundert unter Wasser und geht immer mehr kaputt – wichtige Strukturen sind mittlerweile eingestürzt, weil Bakterien den Rumpf zerstört haben. Tourismus zum Wrack des Schiffes könnte den Verfall beschleunigen.

Foto von Emory Kristof, Nat Geo Image Collection

Um zum Wrack der R.M.S. Titanic zu gelangen, also an den Meeresboden rund 600 Kilometer vor der Küste von St. John’s, Neufundland, benötigt man zwei Dinge: acht Stunden Zeit und 250.000 US-Dollar.

Im Juni 2023 brechen fünf Personen an Bord des Tauchbootes Titan zu einer solchen Reise auf. Nach nur einer Stunde und 45 Minuten Fahrt bricht der Kontakt zu dem Unterwasserfahrzeug ab. Nachdem Tage später Trümmerteile gefunden werden, die wahrscheinlich von der Titan stammen, erklärte man alle Insassen für tot.

Eine Tauchfahrt in fast 4.000 Metern Tiefe ist ein riskantes Unterfangen. Doch sie ist auch eine einzigartige Gelegenheit – schließlich haben nur sehr wenige Menschen auf der Welt das Wrack der Titanic je mit eigenen Augen gesehen.

Mehr als ein Jahrhundert nach dem Untergang des Schiffs ist das Interesse an ihm weiterhin groß. Die meisten befriedigen ihre Neugier mit den Besuchen von Museen und Ausstellungen, die sich dem berühmten Wrack verschrieben haben. Doch trotz ethischer Bedenken und der Gefahr, dass dadurch das, was von dem Wrack übrig ist, weiteren Schaden nehmen könnte, finden seit ungefähr zwanzig Jahren regelmäßig Tauchfahrten zur Titanic statt. 

Goldgräberstimmung und Bergungsrechte

Obwohl sie bereits im Jahr 1912 sank, wurde das Wrack der Titanic erst 1985 im Rahmen einer Expedition unter der Leitung von Robert Ballard, Unterwasserarchäologe und National Explorer, und dem Ozeanographen Jean-Louis Michel aufgespürt.

Bald darauf drängte Ballard den US-Kongress, Wrack und Fundstelle zu deren Schutz zum Meeresdenkmal zu erklären. Im Juli 1986 brachte er eine Plakette an dem Schiff an und äußerte seinen Wunsch, den Fund in Gedenken an die über 1.500 Menschen, die beim Untergang ihr Leben verloren hatten, nicht weiter zu stören.

Aber es kam anders. Statt respektvollen Abstand zu halten, begann ein wahres Wettrennen um die Bergungsrechte. Teilweise mit der Absicht, die Artefakte zu dokumentieren und für die Nachwelt zu bewahren – aber auch Profitgier spielte eine Rolle.

Die erste Bergungsexpedition fand im Jahr 1987 statt. Durchgeführt wurde sie von dem Unternehmen Titanic Ventures Limited Partnership (TVLP) und dem Meeresforschungsinstitut L'Institut Français de Recherche pour l'Exploitation de la Mer (Ifremer). Über 1.800 Artefakte wurden bei dieser Gelegenheit geborgen, dokumentiert und konserviert. Im Jahr 1992 übertrug ein Bundesgericht TVLP die exklusiven Bergungsrechte – doch das reichte dem Unternehmen nicht.

Inzwischen operiert es unter dem Namen RMS Titanic Inc., hat insgesamt acht Titanic-Expeditionen unternommen und dabei über 5.000 Objekte – darunter Schmuck und ein Stück der großen Treppe – aus dem Wrack geborgen und bei Auktionen veräußert.

Während die Bergungsrechte vor Gericht mit harten Bandagen verhandelt wurden, entstand ein kleiner, aber höchst lukrativer Nischenmarkt für touristische Ausflüge zum Wrack.

Das Wrack der Titanic in Bildern:

Was kosten Tauchfahrten zur Titanic?

Forschende, Bergungsunternehmer und sogar Filmschaffende wie der Regisseur James Cameron, der im Jahr 1997 mit Titanic einen aufsehenerregenden Blockbuster in die Kinos brachte: Sie alle haben entgegen dem Willen von Robert Ballard das Wrack inzwischen besucht. Ein berufliches Interesse muss dabei nicht zwangsläufig vorliegen: Viele machen den Tiefsee-Ausflug einfach zum Spaß – vorausgesetzt, sie können es sich leisten.

Das britische Unternehmen Deep Ocean Expeditions war 1998 eines der ersten, das Fahrten zum Wrack der Titanic anbot. Tickets kosteten damals 32.500 US-Dollar pro Passagier. Nach 197 Tauchgängen kündigte der Expeditionsleiter Rob McCallum an, den Betrieb einzustellen. Die letzten Fahrten zum Wrack, die jeweils 12 Tage dauerten und eine Kapazität von 20 Gästen hatten, fanden 2012 statt und schlugen pro Person mit 59.000 US-Dollar zu Buche.

Ab 2002 bot auch das in Los Angeles ansässige Reiseunternehmen Bluefish Tauchfahrten zur Titanic an – in den folgenden vier Jahren nahmen aber nur acht Passagiere daran teil. Seit 2012 hat die Firma das Angebot wieder im Programm und bietet Tickets zu einem Preis von 59.680 US-Dollar an.

Das ist viel Geld, jedoch ein Schnäppchen im Vergleich zu dem Angebot des Londoner Unternehmens Blue Marble. Im Jahr 2019 musste man hier 105.129 US-Dollar für die Fahrt bezahlen – im Verhältnis entspricht das etwa dem, was die Überfahrt auf der Titanic in einer Kabine der ersten Klasse gekostet hat. Die Expeditionen von Blue Marble fanden in Zusammenarbeit mit OceanGate Expeditions statt – dem Unternehmen, dessen Tauchboot nun im Atlantik verschollen ist.

OceanGate hat in den Jahren 2021 und 2022 mehrere erfolgreiche Tauchfahrten durchgeführt, für das Jahr 2023 waren insgesamt 18 in Planung.

Schutz für das Titanic-Wrack

Aber welche Folgen haben die touristischen Tauchgänge für das Wrack des 111 Jahre alten Schiffs?Als die Titanic auf den Grund stieß, wurde sie durch den Aufprall stark beschädigt. Eisenfressende Bakterien nagen seitdem an dem, was von ihr übrig ist. Kaum ein Jahrzehnt nach dem Fund des Wracks wurde bereits ein stark fortschreitender Verfall dokumentiert. Im Jahr 2019 stellte man fest, dass unterdessen große Teile des Wracks eingebrochen waren.

Die Wrackstelle ist heute stark vermüllt. Überall liegen Bier- und Limonadenflaschen, Gewichte, Ketten und Schleppnetze, die bei vergangenen Bergungen zurückgelassen wurden. Besucher haben Plaketten und Andenken hinterlassen. Im Jahr 2001 ließ sich ein Paar in einem Tauchboot trauen, das zu diesem Zweck auf dem Bug des Schiffs festmachte.

Zwar kann man das Wrack von Bord eines Tauchboots nicht berühren, riskant sind die Fahrten aber trotzdem. Ein Expeditionsboot kollidierte mit der Titanic. Die Schäden, die dieser Zusammenstoß verursachte, wurden geheim gehalten.

Weiterhin wird sich darum bemüht, das Wrack zu bewahren. Weil es sich in internationalen Gewässern befindet, untersteht es seit 2012 der Konvention zum Schutz des Kulturerbes unter Wasser der UNESCO. Im Jahr 2020 einigten sich Großbritannien und die USA darauf, in Zukunft bei Entscheidungen über die Vergabe von Lizenzen zum Betreten des Wracks oder der Erlaubnis für die Entnahme von Artefakten eng miteinander zusammenzuarbeiten.

Taucht mit uns ein in die Geschichte des berühmtesten Wracks der Welt: Am 5.8. ab 00:45 Uhr startet auf National Geographic „Die lange Nacht der Titanic" mit spannenden Reportagen. National Geographic und National Geographic WILD empfangt ihr über unseren Partner Vodafone im GigaTV Paket.

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    Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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