Mysteriöse Lady: Woran starb die schwangere Mumie?

Was führte zum Tod der mumifizierten Frau aus dem Alten Ägypten – und dem ihres ungeborenen Kindes? Neue Untersuchungen zeigen, dass sie vermutlich an einer Krankheit starb, die viele für eine Erscheinung der modernen Zeit halten.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 26. Juli 2022, 10:11 MESZ
Die Mysteriöse Lady befindet sich im Besitz der Universität Warschau und wird im Nationalmuseum der Stadt ...

Die Mysteriöse Lady befindet sich im Besitz der Universität Warschau und wird im Nationalmuseum der Stadt ausgestellt. Seit dem Jahr 2015 versuchen Forschende, ihre Geheimnisse mithilfe modernster Technik zu lüften.

Foto von A. Leydo / Warsaw Mummy Project

Sie lebte und starb vor rund 2.000 Jahren in der altägyptischen Stadt Theben. Hier wurde ihre Mumie Anfang des 19. Jahrhunderts entdeckt und im Jahr 1826 der Universität Warschau in Polen als Geschenk übergeben: Die sogenannte Mysteriöse Lady. Geheimnisvoll ist vieles an ihr – allem voran die Art, wie sie bestattet wurde. Denn dass Frauen nach ihrem Tod mumifiziert wurden, war im Alten Ägypten äußerst ungewöhnlich. Zudem trug ihr Sarg Inschriften, die darauf schließen ließen, dass darin der Körper eines Mannes aufbewahrt wurde. Dass dem nicht so war, unterstrichen computertomografische Untersuchungen im Jahr 2018, die eine echte Sensation zutage förderten: Die Mysteriöse Lady war zum Zeitpunkt ihres Todes schwanger, der Fötus im mumifizierten Körper seiner Mutter ebenfalls mumifiziert.

Das Forschungsteam, das die Mysteriöse Lady unter der Leitung von Dr. Wojciech Ejsmond, Archäologe an der polnischen Akademie der Wissenschaften, und der Anthropologin Marzena Ozarek-Szilke seit dem Jahr 2015 untersucht, informiert die Öffentlichkeit regelmäßig in dem Blog Warsaw Mummy Project über ihre Fortschritte. Dort wurde nun ein neues Forschungsergebnis enthüllt: Die Mysteriöse Lady ist mit großer Wahrscheinlichkeit an Krebs gestorben.

CT-Scans zeigen Hinweise auf Tumor

Bei der Analyse von Daten aus Röntgenuntersuchungen und CT-Scans der Mysteriösen Lady stellten die Forschenden Veränderungen an Schädel- und Gesichtsknochen fest, die auf Nasopharynxkrebs (NPC) hindeuten – eine Krebsart, die im Nasen- und Rachenraum entsteht. Auf CT-Scans des Knochens fanden sie außerdem Hinweise auf einen kleinen Tumor hinter der linken Augenhöhle, der vermutlich auf die Bildung von Metastasen zurückgeführt werden kann.

„Nach jetzigem Stand der Untersuchung können wir sagen, dass es sich bei den Veränderungen an den Knochen um eine neoplastische Erkrankung handeln könnte, die in diesem Fall wahrscheinlich zum Tod der jungen schwangeren Frau geführt hat“, erklären die Wissenschaftler. Gewissheit könne jedoch – wie auch bei lebenden Krebspatienten – erst eine histopathologische Untersuchung – also eine mikroskopische Diagnose des Gewebes – bringen. Anhand dieser ließe sich die Erkrankung bestätigen und der Krebs auf zellulärer und genetischer Ebene genauer untersuchen.

Röntgenuntersuchungen und CT-Scans des Schädels der schwangeren Mumie zeigten Veränderungen der Knochenstruktur, die wahrscheinlich durch eine Krebserkrankung verursacht wurden.

Foto von M. Ozarek-Szilke / Warsaw Mummy Project

Genetische Veranlagung seit Jahrtausenden

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen dürften auch deswegen interessant sein, weil sie in Hinblick auf die Erkrankung eine Verbindung zwischen dem Alten Ägypten und der modernen Zeit herstellen könnten: NPC ist eine Krebsform, die in bestimmten Regionen Ostasiens und Afrikas besonders häufig vorkommt. Bei Menschen, die aus diesen Teilen der Welt in ein anderes Land migrieren, tritt die Krankheit auch im Vergleich zur Ursprungsbevölkerung häufiger auf. Das lässt darauf schließen, dass bei einer NPC-Erkrankung die starke genetische Veranlagung ein wichtiger Faktor ist. Allerdings dürften auch bei dieser Krebsform virale und ernährungsbedingte Faktoren ebenso eine Rolle spielen. Die genaue Analyse dieses Krebses im Gewebe der schwangeren Mumie – die zu Lebzeiten keinen hochprozentigen Alkohol und Zigaretten konsumiert haben dürfte – könnten wichtige neue Erkenntnisse zu den auslösenden Faktoren von NPC liefern.

Krebs: keine moderne Krankheit

Der Fund bestätigt einmal mehr, dass Krebs keine moderne Krankheit ist. Die ältesten Nachweise für eine Krebserkrankung stammen aus rund 1,7 Millionen Jahre alten Knochen von Hominiden, die in Südafrika gefunden wurden. Erst etwa 1,4 Millionen Jahre später breitete sich Homo sapiens auf der Welt aus – man kann also davon ausgehen, dass Menschen seit Beginn ihrer Existenz an Krebs erkranken. Vermutlich sind die Krankheitsfälle durch veränderte Umweltbedingungen und Lebensgewohnheiten jedoch häufiger geworden.

Ob dies wirklich der Fall ist, könnte durch die Erforschung von altem, konserviertem Gewebe – wie dem der schwangeren Mumie – ermittelt werden. Die Forschenden des Warsaw Mummy Project wollen deswegen Gewebeproben und Teile der mumifizierten inneren Organe entnehmen und diese histopathologischen, genetischen und molekularen Tests unterziehen. Auf diese Weise könnte die Mumienforschung die Krebsforschung auf unerwartete Weise unterstützen.

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