Sauberer Brauch: Warum machen wir Frühjahrsputz?

Die Tiefenreinigung nach dem Winter ist in vielen Kulturen Teil wichtiger Feste. Die Deutschen hingegen machen auch ohne traditionellen Anlass sauber. Was treibt uns an?

Von Lola Méndez
Veröffentlicht am 22. März 2024, 15:52 MEZ
Ein Mann wäscht in Vorbereitung auf das persische Neujahrsfest Nouruz nahe dem afghanischen Dorf Kohna Deh ...

Ein Mann wäscht in Vorbereitung auf das persische Neujahrsfest Nouruz nahe dem afghanischen Dorf Kohna Deh einen Teppich. Er befolgt damit einen Brauch namens khāne-takānī, der Böses abwenden und Raum für frische Energie im neuen Jahr schaffen soll.

Foto von Kiana Hayeri, National Geographic Image Collection

Wenn der Frühling in der nördlichen Hemisphäre Einzug hält, löst das bei manchen Menschen den plötzlichen Drang aus, Staub zu wischen und Schränke auszumisten. Der Frühjahrsputz, bei dem das Zuhause bis in die Tiefe gereinigt wird, hat in vielen Kulturen dieser Welt seinen festen Platz. Und die Wurzeln dieser Tradition reichen bis in uralte Zeiten zurück.

Der intensive Hausputz hat auch eine symbolische Bedeutung. Er steht für Neuanfang und den Übergang von der Dunkelheit und Kälte des Winters in den Frühling, in dem das Leben wieder aufblüht. Indem man Unnötiges, das sich über die letzten Monate angehäuft hat, aus dem Zuhause entfernt und das, was bleibt, neu ordnet, schafft man sich nicht nur ein sauberes Umfeld, sondern verhilft auch dem Geist zu mehr Klarheit.

„Mit jedem Zimmer, das wir fegen, und jeder Oberfläche, die wir zum Glänzen bringen, folgen wir einer Tradition, die die Menschen seit Jahrhunderten begleitet“, sagt Danielle Patten, Kuratorin am Museum of the Home in London. „Dadurch werden wir eins mit den vielen Generationen, die vor uns auf dieselbe Weise nach diesem Gefühl der Erneuerung gestrebt haben.“

Tiefenreinigung für Haus und Seele

Die Natur und ihr Kreislauf haben seit eh und je einen starken Einfluss auf das menschliche Verhalten. In den Wintermonaten fehlt uns oft die Energie, um unser Zuhause von Grund auf zu säubern. Das hat nichts mit Faulheit zu tun. Schuld ist das Hormon Melatonin, das der Körper als Reaktion auf fehlendes Tageslicht bildet. Es macht uns träge und schläfrig.

“Wenn das Frühjahr beginnt, nimmt die Trägheit ab. Wir haben wieder mehr Energie und geradezu Lust darauf, unser Umfeld in Ordnung zu bringen.”

von Eloise Skinner
Psychotherapeutin

„Das Melatonin sorgt dafür, dass uns der Antrieb für große Putzaktionen fehlt. Wenn das Frühjahr beginnt, nimmt diese Trägheit ab. Wir haben wieder mehr Energie und geradezu Lust darauf, unser Umfeld in Ordnung zu bringen“, erklärt die Psychotherapeutin Eloise Skinner. „Dieses Gefühl, neu anzufangen, weckt unseren Ehrgeiz und treibt uns an.“

Studien konnten zeigen, dass das Putzen eine therapeutische Wirkung haben kann. Das hat auch eine neue Generation sogenannter „Cleanfluencer“ erkannt. Sie geben auf Social Media Tipps für ein sauberes Zuhause, misten Schränke aus und schrubben dreckige Ecken – und lassen sich dabei von Millionen Menschen zuschauen.

„Beim Putzen müssen wir uns vollkommen auf eine Aufgabe konzentrieren. Dadurch sind wir ganz im Hier und Jetzt, was unsere Aufmerksamkeit erhöht“, so Skinner. „Außerdem hat das Saubermachen viele sich wiederholende Elemente – und das kann auf manche Menschen sehr beruhigend wirken.“

Kulturelle Wurzeln des Saubermachens

Eine der ältesten Traditionen, die einen Frühjahrsputz einschließt, ist Pessach. Das jährlich stattfindende Fest gehört zu den wichtigsten des Judentums und fällt entweder in den März oder den April. In Vorbereitung auf das Pessachfest müssen alle gesäuerten Lebensmittel – genannt Chametz –, die währenddessen verboten sind, verzehrt, verkauft oder verschenkt werden. Um sicherzugehen, dass sich kein Chametz mehr im Haus befindet, wird dieses intensiv gereinigt. Die Tradition symbolisiert die Flucht der Israeliten aus Ägypten, die so überstürzt geschehen musste, dass keine Zeit blieb, Sauerteig gären zu lassen, um daraus Brote als Reiseproviant zu backen.

Für Katholiken ist der Gründonnerstag vor Karfreitag der Tag, an dem traditionell die Altäre in den Kirchen geputzt werden. Und auch zum persischen Neujahrsfest Nouruz, das jährlich zur Frühlings-Tagundnachtgleiche am 20. oder 21. März stattfindet, wird ordentlich sauber gemacht: Vor dem Fest, das rund 3.000 Jahre alt ist und bis in den Zoroastrismus zurückverfolgt werden kann, werden Kleidung, Decken und andere Textilien gründlich gewaschen. Der Name dieses Brauchs – khāne-takānī – bedeutet übersetzt so viel wie „das Haus durchschütteln“.

BELIEBT

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    In China ist es Tradition, das Haus in Vorbereitung auf das Mond-Neujahrsfest von Pech und Unglück zu reinigen. Durch das Putzen soll Patten zufolge Platz für das Glück und den Wohlstand, die das neue Jahr bringt, geschaffen werden. Wichtig ist jedoch der Zeitpunkt: Die Reinigung muss unbedingt vor den Feierlichkeiten – im Januar oder Februar – durchgeführt werden. Schwingt man erst danach den Besen, kann es sein, dass man das schöne neue Glück, das das neue Jahr gebracht hat, direkt wieder vor die Tür kehrt.

    Das Neujahrfest Songkran, das über mehrere Tage im April gefeiert wird, geht in Thailand traditionell mit der Säuberung von Privathäusern, aber auch von Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden einher. Außerdem übergießen die Menschen auf den Straßen einander mit Wasser, um das Pech des alten Jahres abzuwaschen – und auch die Buddha-Statuen bekommen eine Dusche, die Glück im neuen Jahr verspricht.

    Putzen nach dem Winter: früher Muss, heute Kann

    Bevor der Strom aus der Steckdose kam, wurde mit dem Verbrennen von Kohle, Öl oder Holz für Wärme und Licht gesorgt – dadurch gab es in den Häusern viel Ruß. Fenster blieben in den Wintermonaten geschlossen, um die Kälte draußen zu halten. Sobald es im Frühling wieder wärmer wurde, lüftete man das muffige Zuhause, beseitigte Verbrennungsrückstände zu beseitigen und reparierte, was in der dunklen Jahreszeit kaputt gegangen war.

    Dank moderner Errungenschaften wie Elektrizität, Staubsauger, Waschmaschinen und Reinigungsmittel ist dieser Prozess nun sehr viel einfacher und effizienter geworden – und muss nicht zwangsläufig im Frühling stattfinden. Doch trotz oder vielleicht auch wegen dieses Wandels, ist die Tradition des Frühjahrsputzes in vielen Teilen der Welt erhalten geblieben.

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