Jagen, Spielen, Lernen: So geschickt nutzen Narwale ihre Stoßzähne

Mithilfe von Drohnenaufnahmen haben Forschende bislang unbekanntes Verhalten der arktischen Wale dokumentiert. Vom gezielten Jagen bis hin zum Spielverhalten.

Nur wenige Menschen konnten bisher beobachten, wie Narwale ihre ikonischen Stoßzähne nutzen. Die Drohnenaufnahmen von National Geographic Explorer Greg O’Corry-Crowe zeigen bisher unbekanntes Verhalten der scheuen Tiere.

Foto von O'Corry-Crowe, FAU/Watt, DFO
Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 21. März 2025, 07:40 MEZ

Mit ihren bis zu drei Meter langen, spiralförmigen „Hörnern“ scheinen Narwale (Monodon monoceros) direkt den Mythen und Sagen vergangener Zeiten entsprungen zu sein. Ihr geheimnisvolles Erscheinungsbild hat schon früh die Fantasie der Menschen beflügelt – auch, weil die arktischen Wale weitestgehend im Verborgenen leben.

Tatsächlich konnten bisher nur wenige Menschen beobachten, wie und wofür die Meeressäuger ihre Stoßzähne nutzen. Ebenso ist kaum etwas über ihre sozialen Interaktionen, mögliches Spielverhalten oder Fortpflanzung bekannt. Eine Studie US-amerikanischer und kanadischer Forschenden in Zusammenarbeit mit Inuit-Gemeinden in Nunavut, ganz im Norden Kanadas, gibt nun neue Einblicke in das Leben der Tiere: „Unsere Beobachtungen liefern klare Beweise dafür, dass Narwale ihre Stoßzähne nutzen, um Fische zu jagen, direkt mit ihnen zu interagieren und deren Verhalten zu beeinflussen“, sagt Greg O’Corry-Crowe, Hauptautor der Studie und National Geographic Explorer. Die Untersuchung wurde unter anderem von der National Geographic Society unterstützt.

Stoßzähne werden gezielt zum Jagen genutzt

Obwohl auch etwa drei Prozent der Narwal-Weibchen einen Stoßzahn vorweisen, werden die gewaltigen Zähne hauptsächlich von Männchen ausgebildet. Daher wurde bisher davon ausgegangen, dass sie für das Balzverhalten und die Wahl der Partnerschaft eine große Rolle spielen könnten.

Dass Narwale ihre Stoßzähne aber tatsächlich äußerst geschickt als Werkzeug für den Fang von Beute einsetzen, konnten die Forschenden um O’Corry-Crowe vom Harbor Branch Oceanographic Institute der Florida Atlantic University nun erstmals nachweisen. Mittels Drohnenaufnahmen analysierten sie die Bewegungen der Wale und konnten insgesamt 17 unterschiedliche Verhaltensweisen unter Narwalen sowie zwischen den Meeressäugern, ihrer Beute und Eismöwen dokumentieren. So beobachteten sie etwa, dass die Wale das Verhalten und die Bewegungen von Arktischen Saiblingen (Salvelinus alpinus) gezielt steuerten: Für die Manipulation der Schwimmrichtung der Fische nutzten sie kurze Berührungen, die sie hauptsächlich mit der Spitze der Stoßzähne ausführten.

Bewegungsmuster von Narwalen und Möwen
Möwen verfolgen Narwale bei der Jagd
Links: Oben:

Die dokumentierten Verhaltensweisen zeigen Interaktionen zwischen Narwalen, Arktischen Saiblingen und Eismöwen in der Creswell Bay, Somerset Island, Nunavut. Die Pfeile kennzeichnen die Bewegungen einzelner Tiere.

Foto von O’Corry-Crowe et al. 2025
Rechts: Unten:

Zwar waren die Möwen beim Stehlen der von den Walen verfolgten Fische nur selten erfolgreich – trotzdem schmälerte die Anwesenheit der fliegenden Konkurrenz die Fangquote der Narwale.

Foto von O'Corry-Crowe, FAU/Watt, DFO

Außerdem vollführten die Wale ihre schnellen Bewegungen und Wendungen mit äußerster Präzision und Geschicklichkeit: Für Drehungen um 360 Grad benötigten die Tiere weniger als drei Sekunden. Zum Teil verfügten die Bewegungen mit den Stoßzähnen über so viel Kraft, dass die Saiblinge betäubt oder gar getötet wurden.

Soziales Lernen und spielerisches Verhalten

Weiter konnten die Forschenden Hinweise auf soziales Lernen und Instruktion sowie Persönlichkeitsunterschiede zwischen einzelnen Narwalen erkennen. „Einige der beobachteten Begegnungen wirkten so, als ob die Wale miteinander um den gleichen Fisch kämpften, wobei ein Wal versuchte, dem anderen den Zugang zu blockieren“, sagt O’Corry-Crowe. „Andere Interaktionen könnten möglicherweise kommunikativer oder sogar freundschaftlicher Natur gewesen sein. Keine der Interaktionen wirkte offen aggressiv.“

Im Gegenteil: Erstmals konnten durch die Studie Belege für Spielverhalten von Narwalen gesammelt werden. So zeigten viele der beobachteten Interaktionen der Wale untereinander und mit den Fischen Anzeichen für exploratives Objektspiel – also spielerisches Untersuchen ihrer Beute: „Unsere Beobachtungen im Verlauf der Feldstudie deuten darauf hin, dass die Narwale in der inneren Bucht nicht intensiv mit Nahrungssuche, Raubtierflucht oder Paarung beschäftigt waren“, heißt es in der Studie. Zudem bewegten sich die Wale langsam und verbrachten viel Zeit an der Oberfläche, um mit anderen Tieren zu interagieren.

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    Derartige soziale Interaktionen, bei denen die Narwale ihr Wissen an andere Tiere der Gruppe weitergeben, könnten laut der Studie dazu dienen, dass sich die Art schneller an die Veränderungen der Arktis anpasst. „Um zu verstehen, wie Narwale von den Veränderungen in der Arktis beeinflusst werden und sich an sie anpassen, sind Feldstudien mit innovativen, nicht-invasiven Instrumenten wie Drohnen unerlässlich, um sie in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten, ohne sie zu stören“, sagte O’Corry-Crowe.

    Narwal
    • Name: Narwal
    • Wissenschaftlicher Name: Monodon monoceros
    • Klasse: Säugetiere
    • Größe: 3,96 bis 6,1 Meter
    • Gewicht: 1.5 Tonnen
    • Größe im Verhältnis zu einem Bus: Größe im Verhältnis zu einem Bus
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