Soja: Der Fluch der Bohne

Immer mehr Regenwald fällt dem Sojaanbau zum Opfer. Grund dafür ist nicht der Veggie-Trend, sondern der Hunger auf Fleisch. Sind heimische Nutzpflanzen eine Alternative?

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 13. Feb. 2020, 12:02 MEZ
Sojafelder im brasilianischen Bundesstaat Mato Grasso
Eine Bohne zerfrisst den Regenwald: Sojafelder im brasilianischen Bundesstaat Mato Grasso.
Foto von George Steinmetz

Flammendes Inferno soweit das Auge reicht. Die Bilder des brennenden Amazonas-Regenwaldes haben im vergangenen Sommer weltweit für Entsetzen gesorgt. Allein im brasilianischen Teil Amazoniens wurden zwischen 1988 und 2019 fast 450.000 Quadratkilometer Regenwald vernichtet – eine Fläche, größer als Deutschland und die Benelux-Länder zusammen. Das hat eine Satellitendaten-Auswertung der brasilianischen Weltraumagentur INPE ergeben.

Tropenholz, Bodenschätze, Rinderweiden und Sojaanbau: Es gibt viele Gründe für die fortschreitende Zerstörung. Vor allem die kleine Bohne gilt als Brandbeschleuniger. In Brasilien ging der meiste Wald in den Soja-Bundesstaaten Mato Grosso, Para und Rondonia verloren, erklärt die Tropenwaldstiftung OroVerde. Auch wenn aktuell keine Rauchwolken mehr zu sehen sind: „Das Abholzen und Zerstören geht weiter“, warnt OroVerde-Regenwaldexpertin Elke Mannigel. „Schuld daran ist vor allem die aktuelle Politik der brasilianischen Regierung.“ Sie fördere gezielt die Agrarlobby und großindustrielle Landwirtschaft.

Riesige Sojaplantagen, wie hier im brasilianischen Mato Grosso, sind oft die direkten oder indirekten Gründe für die Umwandlung von Regenwald in Landwirtschaftsflächen.
Foto von OroVerde, E. Mannigel

„Die Entwaldung des Amazonas hat auch etwas mit unserem Konsum in Europa zu tun“, sagt Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Und der ist ungebrochen. Die Sojabohne zählt zu den bedeutendsten Nutzpflanzen überhaupt. Sie ist nicht nur ein begehrter Proteinlieferant, sondern auch die wichtigste Saat zur Ölgewinnung. In den vergangenen 50 Jahren wurde die jährliche Produktion um das Zehnfache auf 269 Millionen Tonnen gesteigert, berichtet die Umweltschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF). 80 Prozent davon stammen aus den USA, Brasilien und Argentinien.

Wenn der Regenwald für Tierfutter stirbt

Viele Menschen verbinden die proteinreiche Hülsenfrucht mit einem vegetarischen Lebensstil und Nahrungsmitteln wie Tofu, Sojamilch oder Veggie-Schnitzel. Dabei landet das meiste Soja als Tierfutter direkt in der Fleischindustrie. Rund 95 Prozent der Sojaimporte in der EU sind für den Einsatz als Futtermittel bestimmt, erklärt der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Neben der Rinder- und Schweinemast spielt Soja nicht zuletzt in der Geflügelindustrie eine große Rolle. Fast ein Kilo Soja braucht man, um mit anderen Futtermitteln ein Kilo Masthuhn-Fleisch zu erzeugen. Ein Großteil dieses Import-Sojas ist gentechnisch verändert.

Galerie: Katastrophale Abholzung der Regenwälder schreitet fast ungebremst voran

Umweltverbände wie BUND, WWF und OroVerde verlangen ein Verbot oder zumindest die Reduzierung von Sojaimporten. Die Einfuhr müsse zertifiziert werden und den Nachweis erbringen, dass der Anbau nicht auf gerodeten Regenwaldflächen erfolgt ist. Auch Umweltministerin Schulze fordert solche Zertifizierungen: „Soja und Rindfleisch sollten nur dann importiert werden, wenn die Produktion nachweislich nicht dem Regenwald schadet.“

Doch die Realität sieht anders aus. Zwar will die EU die Abhängigkeit von importiertem Soja grundsätzlich verringern und die Produktion von Eiweiß aus heimischen Pflanzen ankurbeln. Doch Naturschützern ist das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay ein Dorn im Auge. Sie rechnen damit, dass südamerikanische Fleisch- und Sojaproduzenten zu den größten Profiteuren zählen würden.

Brandrodungen in der brasilianischen Amazonasregion finden oft für die Ausweitungen landwirtschaftlicher Flächen wie hier für Viehzucht oder für den Sojaanbau statt.
Foto von OroVerde, E. Mannigel

Sojaersatz aus Deutschland?

Als Alternative führen viele Umweltorganisationen heimische Eiweißpflanzen ins Feld. Der Anbau von Ackerbohnen, Lupinen, Erbsen und anderen geeigneten Pflanzen wie Klee, Luzerne oder Wicke müsse gezielt gefördert werden. Die Bundesregierung hat dazu die Eiweißpflanzenstrategie EPS ins Leben gerufen. Mit dem Förderprogramm will sie nicht nur die Abhängigkeit von Sojaimporten verringern. Sie verspricht sich auch positive Umweltwirkungen. Ein verstärkter Anbau der sogenannten Leguminosen leiste „einen wichtigen Beitrag zum Schutz, zum Erhalt und zur nachhaltigen Nutzung der biologischen und genetischen Vielfalt und damit zur Vielfalt der Agrarökosysteme“.

Auch die Produktion von nachhaltig erzeugtem Soja auf deutschen Äckern soll vorangetrieben werden. Soja aus Deutschland? Für viele Menschen mag das exotisch klingen. Dabei ist der Anbau vor allem in Baden-Württemberg und Bayern längst Realität. Zwar ist die Ackerfläche mit 24.000 Hektar im Jahr 2018 noch vergleichsweise gering. Doch sie wächst – laut Statistischem Bundesamt um immerhin 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch in anderen europäischen Ländern wie Italien, Frankreich, Rumänien oder Kroatien ist der Sojaanbau auf dem Vormarsch. Dass die EU-Äcker gentechnikfreie Zone sind, sehen Anbaubefürworter als zusätzlichen Vorteil.

All das ändert allerdings nichts an einer Tatsache: Unmengen an Futterpflanzen fließen in die industrielle Fleischerzeugung. Und die ist nach Angaben von Greenpeace für rund 20 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Geht es nach BUND-Chef Olaf Bandt, müssen wir deshalb zuerst unseren Lebensstil hinterfragen: „Weniger Fleisch und Milch, dafür die Tiere artgerecht gehalten und mit fairen Preisen für die Bauernhöfe, das ist wichtig.“

 

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