High Protein: Wie gesund ist der Eiweiß-Hype?
Immer mehr Hersteller werben mit besonders eiweißreichen Lebensmitteln. Wie sinnvoll sind solche High-Protein-Produkte? Brauchen wir überhaupt einen zusätzlichen Eiweißschub?
Beliebt, aber umstritten: Fitnessriegel und andere hochverarbeitete High-Protein-Produkte enthalten oft viel Fett und Zucker.
Proteinreiche Lebensmittel werden immer beliebter. Viele Menschen sehen sie als gesündere Alternative zu herkömmlichen Produkten. Die Extraportion Eiweiß soll den Körper fit machen, beim Muskelaufbau und beim Abnehmen helfen. High Protein – das steht für einen aktiven Lebensstil.
Für die Lebensmittelindustrie ist das ein Milliardengeschäft. Spezielle Proteinprodukte gibt es inzwischen in fast jedem Supermarkt. Das Angebot ist riesig. Es reicht von Eiweißbrot über High-Protein-Joghurt bis hin zu Fitnessriegeln. Sogar Protein-Puddingpulver und Proteineis kann man kaufen.
High Protein: Was bedeutet das?
Hersteller dürfen Lebensmittel als „Proteinquelle“ bezeichnen, wenn mindestens zwölf Prozent des Energiegehalts, also der Kalorien, aus Protein stammen. Auch von Natur aus eiweißreiche Lebensmittel wie Käse oder Fisch werden inzwischen häufig mit einem Proteinhinweis auf der Verpackung beworben.
Bei Angaben wie „High Protein“ oder „reich an Protein“ müssen wenigstens 20 Prozent der Kalorien aus Eiweiß stammen. Solchen Produkten wird häufig Eiweißkonzentrat aus Milch, Soja oder Erbsen zugesetzt. Oft sind High-Protein-Produkte deutlich teurer als herkömmliche Lebensmittel. Doch sind sie es auch wert?
Wie viel Protein braucht der Körper?
Fakt ist: Wir brauchen Proteine nicht nur für den Muskelaufbau. Sie sind lebenswichtig für Knochen, Bindegewebe, Immunsystem und Blutgerinnung. „Proteine sind der wichtigste Baustoff unseres Körpers“, sagt der Sportwissenschaftler und Kölner Universitätsprofessor Ingo Froböse.
Muskelaufbau oder Abnehmen funktionieren aber nicht allein durch mehr Protein. Bewegung, Training und eine ausgewogene Ernährung sind der Schlüssel.
Ist zu viel Eiweiß schädlich?
Ob zu viel Protein gesundheitliche Risiken mit sich bringt, ist umstritten. Der Körper wandelt überflüssiges Eiweiß zu Harnstoff um, der über die Nieren mit dem Urin ausgeschieden werden muss. Viel Trinken ist deshalb bei hoher Proteinzufuhr wichtig. Möglicherweise kann eine übermäßige Eiweißzufuhr auf lange Sicht die Nierenfunktion beeinträchtigen. Bislang fehlen dazu aber Langzeitstudien.
Erwachsene sollten täglich 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen. Das empfiehlt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit. Bei einer 68 Kilo schweren Person sind das 54 Gramm pro Tag.
Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) steckt so viel Protein zum Beispiel in zwei Scheiben Vollkornbrot mit Erdnussmus (15 Gramm Protein), 250 Gramm Ofenkartoffeln mit 150 Gramm Quark (25 Gramm Protein) und 150 Gramm gegarten Linsen (14 Gramm Protein). Oder auch in einem 200 Gramm schweren Rindersteak.
Brauchen Sportlerinnen und Sportler mehr Protein?
Der tägliche Proteinbedarf lässt sich also problemlos durch gewohnte Lebensmittel decken. Ohnehin nehmen viele Menschen mehr Eiweiß zu sich als nötig.
Selbst Fitnessbewusste, die mehrmals in der Woche Sport treiben, können ihren erhöhten Proteinbedarf mit normalen Lebensmitteln decken. Vegan lebende Menschen sind mit herkömmlichen pflanzlichen Proteinen ebenfalls gut versorgt.
„Mit einer ausgewogenen Ernährung bieten wir unserem Organismus alles, was er braucht“, sagt Froböse. „Ein breites Spektrum natürlicher Lebensmittel ganz ohne Zusatzstoffe ist die beste Wahl, um den körpereigenen Proteinbedarf zu decken.“
Welche Alternativen zu Eiweißprodukten gibt es?
Die DGE sieht das genauso. „Aus ernährungsphysiologischer Sicht sind High-Protein-Produkte überflüssig“, sagt Sprecherin Antje Gahl. „Wer die Vielfalt herkömmlicher Lebensmittel nutzt, bekommt genug Protein und spart sich das Geld für die meist teureren Produkte.“
Als gute pflanzliche Eiweißlieferanten gelten Hülsenfrüchte wie Soja, Linsen und Erbsen, aber auch Vollkorngetreide und Kartoffeln. Tierische Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier enthalten ebenfalls viel Eiweiß.
Was hinzukommt: Hochverarbeitete Fertigprodukte wie Chips, Pudding und Schokoriegel sind keine gesunden Snacks, nur weil „High Protein“ auf der Verpackung steht. Im Gegenteil: Eigentlich stecken hier hochkalorische Dickmacker drin.
High-Protein-Produkte: Gesund oder überflüssig?
Auch die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisiert den Hype ums Protein. „Die Lebensmittelindustrie nutzt den Fitness-Trend aus und dreht Verbraucherinnen und Verbrauchern nutzlose und völlig überteuerte Proteinprodukte an“, sagt Laura Knauf von Foodwatch. Das sei dreiste Abzocke. „Ein bisschen zugesetztes Proteinpulver und Süßstoff statt Zucker macht aus einem Pudding noch lange kein gesundes Lebensmittel.“
Dass Proteinprodukte tatsächlich oft teurer sind, zeigt ein Marktcheck der Verbraucherzentrale. Für die Untersuchung wurden 59 Lebensmittel mit „Protein“ im Namen sowie 57 Vergleichsprodukte ohne derartige Proteinwerbung unter die Lupe genommen. Ergebnis: Fast alle Proteinprodukte kosteten mehr – sogar, wenn sie gar nicht mehr Eiweiß enthielten als ein vergleichbares Produkt.
Da wirbt dann zum Beispiel ein Hüttenkäse (Cottage Cheese) mit einem hohen Proteingehalt, obwohl ein günstigeres Produkt ohne Proteinhinweis ähnlich viel Eiweiß enthält. Hilfreicher als das Marketingversprechen der Hersteller wäre also ein Blick auf die Nährwerttabelle auf der Verpackung.