Wer waren die Mauren?

Der Begriff ist aus Kunst und Literatur bekannt, aber schwer zu definieren – aus gutem Grund.

Von Erin Blakemore
Veröffentlicht am 20. Dez. 2019, 09:24 MEZ
In William Shakespeares „Othello“ spielt ein maurischer Feldherr der venezianischen Armee die Hauptrolle. Der afrikanische Schauspieler Ira Aldridge, hier abgebildet in der Hauptrolle, war im 19. Jahrhundert der erste schwarze Mann, der in Großbritannien in einer Shakespeare-Aufführung zu sehen war.
Foto von Hi-Story, Alamy

Den Begriff „Maure“ könnten wohl die Wenigsten aus dem Stegreif erklären, und das hat einen guten Grund: In Literatur, Kunst und Geschichte kommt er zwar häufig vor, beschreibt tatsächlich aber keine spezifische Ethnie. Stattdessen wurde er über die Jahrhunderte verwendet, um die herrschenden Muslime in Spanien zu beschreiben, Europäer afrikanischer Abstammung und noch andere Bevölkerungsgruppen.

Womöglich geht der Begriff auf das griechische Wort „mauros“ (dt.: dunkel) zurück. Ursprünglich wurde er verwendet, um die Berber und andere Völker der alten römischen Provinz Mauretanien im heutigen Nordafrika zu bezeichnen. Im Laufe der Zeit wurde er aber häufiger genutzt, um in Europa lebende Muslime zu beschreiben. Mit Beginn der Renaissance wurde zunehmend auch der Begriff „Mohr“ für Menschen mit dunkler Hautfarbe verwendet.

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Im Jahr 711 eroberten nordafrikanische Muslime unter der Führung des Berbergenerals Tāriq ibn Ziyād die Iberische Halbinsel. Das Territorium wurde unter dem Namen Al-Andalus ein wohlhabendes kulturelles und wirtschaftliches Zentrum, in dem Bildung, Kunst und Wissenschaft florierten.

Im Laufe der Zeit verlor das muslimische Reich an Stärke und ebnete so den Weg für feindliche Einfälle der Christen, denen die maurische Herrschaft ein Dorn im Auge war. Über Jahrhunderte hinweg kämpften christliche Gruppen gegen die muslimische Dominanz in Al-Andalus an und weiteten ihr eigenes Territorium Stück für Stück aus. Im Jahr 1492 eroberten die katholischen Monarchen Ferdinand II. und Isabella I. schließlich das Königreich Granada im Süden der Iberischen Halbinsel. Damit war die Rückeroberung vollständig und die Mauren wurden aus Spanien verbannt.

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    Die Alhambra, eine maurische Stadtburg im spanischen Granada, wurde von Dichtern als „in Smaragden gesetzte Perle“ beschrieben.
    Foto von Joe Scherschel, Nat Geo Image Collection

    Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Begriff der Mauren schon in ganz Westeuropa verbreitet und bezeichnete alle Menschen, die entweder Muslime oder dunkelhäutig waren. In manchen Gegenden Europas unterschied man mitunter zwischen schwarzafrikanischen „Mohren“ und „weißafrikanischen“ (nördlich der Sahara angesiedelten) Mauren.

    Einer der bekanntesten Mauren der Literatur ist vermutlich Shakespeares „Othello, der Mohr von Venedig“, ein Feldherr der venezianischen Armee. (Zu Shakespeares Zeiten war Venedig von großer kultureller Vielfalt geprägt, und die Mauren verkörperten den zunehmenden Austausch zwischen dem Nahen Osten, Asien und Afrika.) Trotz seines militärischen Geschicks wird Othello auch als exotisch, hypersexuell und unzuverlässig dargestellt – „ein lasziver Mohr“, der im Geheimen eine weiße Frau heiratet. Damit reflektiert er rassistische Stereotype, mit denen dunkelhäutige Menschen belegt wurden.

    In jüngerer Zeit wurde der Begriff auch von einigen Teilen der Sovereign Citizen-Bewegung in den USA annektiert, die ähnlich wie Reichsbürger den Staat nicht anerkennen, in dem sie leben. Mitglieder bestimmter Strömungen innerhalb der Bewegung behaupten, sie wären Nachfahren von Mauren, die vor den weißen Siedlern in Nordamerika waren. Daher seien sie Teil einer eigenständigen, unabhängigen Nation und den Gesetzen der USA nicht unterworfen. Das zeigt, wie gern der Begriff heute noch verwendet wird, um bestimmte Ethnien zu bezeichnen – obwohl er im Grunde nie eine eindeutige Bedeutung hatte.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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