Drogen im Mittelalter: Im Rausch der Klosterküche

Auch im Mittelalter konsumierten die Menschen berauschende Stoffe. Einige davon sind heute in vielen Küchen und Apotheken zu finden – anderen sollte man tunlichst aus dem Weg gehen.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 24. Aug. 2023, 10:25 MESZ
Gemälde eines mittelalterlichen Kräutergartens um 1410.

Gemälde eines mittelalterlichen Kräutergartens um 1410.

Foto von Gemeinfrei

Sie gilt als wohl bekannteste deutsche Frau des Mittelalters: Hildegard von Bingen (1098 – 1179). Die Gründerin des Nonnenklosters auf dem Rupertsberg erlangte nicht nur durch ihre geistigen Schriften, ihre Gedichte und Musikkompositionen weltweit Berühmtheit. Auch ihre Abhandlungen über Naturheilkunde und Ernährung der Äbtissin finden bis heute Anklang bei zahlreichen Menschen.

Die katholische Kirche hat sie 2012 offiziell heilig gesprochen. Doch schon zu Lebzeiten galt Hildegard vielen als Heilige. Mit ihrem Wissensfundus über Lebensmittel, Gewürze und Heilkräuter hatte sie eine neue Form der Klostermedizin erschaffen – und dabei offenbar vieles richtig gemacht. Immerhin wurde Hildegard von Bingen für damalige Verhältnisse fast unvorstellbare 80 oder 81 Jahre alt. 

Sie empfahl Sellerie und Kichererbsen, würzte mit Ingwer und Galant und kochte Porridge aus Hafer, Hirse und Buchweizen – fast 1000 Jahre, bevor all das als Superfood gefeiert wurde. Ja, sie soll sogar Glückskekse mit anregender und nervenstärkender Wirkung gebacken haben. 

Hildegard von Bingen empfängt eine göttliche Inspiration (um 1180).

Foto von Gemeinfrei

Hildegards Gute-Laune-Plätzchen

Space Cookies á la Hildegard: Man verrühre Mehl, Wasser, Zimt, Nelke und Muskatnuss zu einem Teig und backe daraus knusprige Plätzchen. Tatsächlich hat Muskatnuss eine berauschende Wirkung, wenn man das Gewürz in größeren Mengen konsumiert. Eine Prise im Kartoffelpüree reicht da nicht. Wie so oft macht allerdings die Menge das Gift. Zu viel Muskatnuss führt zu Übelkeit und Erbrechen. 

Klar ist: Die berauschende Wirkung von Pflanzen und Pilzen war auch den gottesfürchtigen Menschen des Mittelalters nicht fremd. Vermutlich wurde die anregende Begleiterscheinung verschiedener Heilmittel gern in Kauf genommen. Im Überblick: Fünf berauschende Substanzen aus der mittelalterlichen Drogenküche – Risiken und Nebenwirkungen inklusive.

BELIEBT

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    Alraune (Mandragora officinarum): Die violett blühende Gift- und Heilpflanze wurde oft in Erzählungen und Mythen verewigt und wegen ihrer knollenförmigen Wurzeln geschätzt. Sie enthalten Alkaloide mit starken halluzinogenen Eigenschaften. Die Alraune wurde sich nicht nur genutzt, um Schmerzen zu lindern. Auch ihre ekstatische Wirkung der Pflanze ist seit langem bekannt. Hildegard von Bingen widmete ihr in ihrer Physica ein ganzes Kapitel. Ich glaubte, dass der Teufel in der unbehandelten Pflanze wohne. Wenn diese durch tagelanges Einlegen in Quellwasser vom Bösen gereinigt werde, könne sie für Heilriten verwendet werden.

    Beifuß (Artemisia vulgaris): Als Bestandteil vieler magischer Rezepturen galt Beifuß im Mittelalter als Mittel gegen – aber auch für – Hexerei. Es wehrte Blitze ab und hielt Seuchen fern. Die krautige Pflanze enthält das giftige Thujon, das stimulierende und halluzinogene Effekte haben kann. Heute wird Beifuß unter anderem bei Magen-Darm-Beschwerden eingesetzt. Aus dem verwandten Wermut (Artemisia absinthium) entstehen das gleichnamige alkoholische Getränk und der Absinth.

    Bilsenkraut (Hyoscyamus niger): Im Mittelalter wurde es oft als Heil- und Rauschmittel verwendet. Die Pflanze enthält Alkaloide, die halluzinogene und sedierende Wirkungen haben. In geringen Dosen wurde Bilsenkraut im Mittelalter vor allem zur Linderung von Zahnschmerzen eingesetzt. Höhere Dosen konnten zu intensiven Visionen und Wahnvorstellungen bis hin zum Tod durch Atemlähmung führen.

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    Fliegenpilz (Amanita muscaria): Der ebenso bekannte wie gefürchtete Fliegenpilz war und ist seit Jahrtausenden ein begehrtes Rauschmittel. Er enthält psychoaktive Verbindungen, die Euphorie, Entspannung und Halluzinationen hervorrufen können. Fliegenpilze wurden oft in rituellen Kontexten verwendet, um spirituelle Erfahrungen zu sammeln – angesichts der starken Giftigkeit des Pilzes ein Ritt auf der Rasierklinge.

    Schlafmohn (Papaver somniferum): Seit dem Altertum wird Schlafmohn zur Schmerzlinderung verwendet. Die mittelalterliche Medizin verwendete Blätter, Kapseln und Samen. Das aus den angeritzten Samenkapseln gewonnene Opium wurde bereits damals zur Narkose bei chirurgischen Eingriffen benutzt. Opium enthält Morphin, das eine stark schmerzlindernde Wirkung hat, aber auch euphorische und sedierende Effekte erzeugen – und stark abhängig machen kann.

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