Wunder der Urzeit: Sieben spektakuläre Fossilien aus Deutschland

Fliegende Saurier, winzige Urpferdchen, menschliche Vorfahren: Diese Fossilien aus Deutschland haben die Evolutionsforschung revolutioniert.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 8. Apr. 2024, 11:43 MESZ
„Schwäbischer Lindwurm“:: Eine Illustration zeigt zwei Dinosaurier der Art Plateosaurus engelhardti an einem Gewässer

Plateosaurus lebte vor 217 bis 201 Millionen Jahren im heutigen Europa (Illustration).

 

Foto von dottedyeti / Adobe Stock

1. Plateosaurus engelhardti: Der Schwäbische Lindwurm

Im Jahr 1834 entdeckte der Chemieprofessor Johann Friedrich Engelhardt in der Nähe von Nürnberg den ersten Dinosaurier in Deutschland. Als „Schwäbischer Lindwurm“ sorgte der Fund bald international für Aufsehen. Seitdem fand man mehr als hundert weitere fossile Skelette der Art, viele davon in Süddeutschland. Damit ist Plateosaurus engelhardti einer der am besten erforschten Dinosaurier. Der zweibeinige Pflanzenfresser lebte vor 217 bis 201 Millionen Jahren im heutigen Europa. Plateosaurus besaß einen langen Hals, einen kleinen Kopf und starke Greifhände. Ausgewachsene Tiere wurden bis zu zehn Meter lang und wogen gut vier Tonnen.

Schädel von von Plateosaurus engelhardti im Naturhistorischen Museum Nürnberg

Foto von "Eva K. / Eva K. - Eigenes Werk, CC BY-SA 2.5, commons.wikimedia.org

2. Archaeopteryx: Der Urvogel aus dem Altmühltal

Vor rund 150 Millionen Jahren waren weite Teile des heutigen Deutschlands von einem flachen Meer bedeckt, aus dem unzählige Inseln ragten. Das subtropische Paradies war Heimat einer rabengroßen Kreatur, die bis heute die Wissenschaft beschäftigt: Archaeopteryx gilt als Bindeglied zwischen Dinosauriern und heutigen Vögeln. War er mehr Dino oder Vogel? Konnte er überhaupt richtig fliegen? Darüber streiten sich Forschende seit dem ersten Fund – einer versteinerten Feder, die 1860 im bayerischen Altmühltal freigelegt und ein Jahr später wissenschaftlich beschrieben wurde. Klar ist: Die Entdeckung von Archaeopteryx war wegweisend für die Evolutionsforschung. 

BELIEBT

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    Rekonstruktion eines Archaeopteryx im Naturhistorischen Museum Basel

    Foto von Dr. Nachtigaller - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, commons.wikimedia.org

    3. Compsognathus: Der rasend schnelle Dinosaurier-Zwerg 

    Aus bayerischen Fossillagerstätten stammt auch eines der ersten nahezu vollständigen Dinosaurier-Skelette der Welt. Es wurde 1859 entdeckt und gehört einem Zwergdinosaurier aus der Gattung Compsognathus. Der Fleischfresser lebte vor rund 150 Millionen Jahren, war etwa 90 Zentimeter lang, bewegte sich auf zwei Beinen und erinnert an einen heutigen Laufvogel. Compsognathus ernährte sich unter anderem von kleinen Echsen. Davon zeugen die Überreste, die in der Bauchregion des bayerischen Fossils entdeckt wurden. Forschende gehen davon aus, dass Compsognathus ein überaus agiler und schneller Jäger war. Womöglich brachte er es auf über 60 km/h. 

    Abguss des Compsognathus-Fossils aus Bayern

    Foto von Ballista. Image edited in Adobe PhotoShop CS2 by Firsfron - Own work. From English Wikipedia., CC BY-SA 3.0, commons.wikimedia.org

    4. Sciurumimus albersdoerferi: Das intakte Dino-Baby

    Noch makelloser war ein versteinertes Skelett, das um 2010 im niederbayerischen Painten gefunden wurde. Es gilt als besterhaltenes Dinosaurierfossil Europas. Fast alle Knochen des 150 Millionen Jahre alten Raubsauriers blieben intakt. Sogar Haut- und Haarstücke sind sichtbar. Die Forschung sprach von einer Sensation – auch, weil es sich bei dem 72 Zentimeter langen Dinosaurier um ein Baby handelte. Fossilien von Jungtieren liefern wichtige Informationen über die Abläufe der Evolution. Wegen seines buschigen Schwanzes tauften Paläontologen die neue Art auf den Namen Sciurumimus albersdoerferi – nach Sciurus, dem lateinischen Wort für Eichhörnchen.

    Das besterhaltene Dinosaurierfossil Europas: Sciurumimus

    Foto von Ghedoghedo, CC BY-SA 3.0, creativecommons.org, via Wikimedia Commons

    5. Propalaeotherium: Das Urpferdchen aus Hessen

    Die Grube Messel bei Darmstadt zählt zu den bedeutendsten Fossilienfundstätten der Welt. Vor 47 Millionen Jahren war der stillgelegte Ölschiefer-Tagebau ein tropischer Vulkansee. Der faulige Schlamm konservierte unzählige Tiere und Pflanzen nach Ende des Dinosaurierzeitalters. Berühmt geworden ist die Grube Messel vor allem durch ihre spektakulären Funde urzeitlicher Säugetiere. Bis heute stoßen Forschungsteams dort zum Beispiel auf die fossilen Skelette von winzigen Urpferdchen. Die prähistorischen Säuger aus der Gattung Propalaeotherium waren etwa so groß wie ein Schäferhund. Mit den heutigen Pferden sind sie zwar verwandt, gelten aber nicht als direkte Vorfahren.

    Die Grube Messel in der Urzeit: Ein sumpfiges Ökosystem mit einer überbordenden Artenvielfalt. In der Mitte hinten eines der charakteristischen Urpferdchen (Illustration). 

    Foto von Hessisches Landesmuseum Darmstadt HLMD. Illustration: Oscar Sanisidro

    6. Darwinius masillae: Das Urzeitäffchen aus dem Vulkansee

    Ein weiterer Star aus Messel ist ein Urzeitäffchen, das als „Ida“ weltbekannt wurde. Das 47 Millionen Jahre alte Fossil wurde 1983 entdeckt, aber erst 2009 wissenschaftlich beschrieben. Es erinnert an die heutigen Lemuren auf Madagaskar. Ida war nur 24 Zentimeter groß. Alt wurde das Äffchen nicht. Das lässt sich am gut erhaltenen Gebiss ablesen. Die bleibenden Zähne waren gerade erst durchgebrochen, als das Jungtier plötzlich ums Leben kam. Tatsächlich handelt es sich um eines der vollständigsten Skelette eines urzeitlichen Primaten. Als einziges jemals gefundenes Fossil der Art Darwinius masillae ist Ida im Naturhistorischen Museum in Oslo ausgestellt.

    Der ausgestorbene Primat Darwinius masillae, besser bekannt als „Ida“. Weltweit existiert nur ein einziges Exemplar. Es wurde in der Grube Messel gefunden. 

    Foto von Jens L. Franzen, Philip D. Gingerich, Jörg Habersetzer1, Jørn H. Hurum, Wighart von Koenigswald, B. Holly Smith / CC BY 2.5

    7. Homo neanderthalensis: Unser ausgestorbener Verwandter

    Im Sommer 1856 stießen Steinbrucharbeiter im Neandertal bei Düsseldorf zufällig auf rätselhafte Knochenfragmente. Der Besitzer des Steinbruchs sicherte die Funde und übergab sie dem Lehrer und Naturforscher Johann Carl Fuhlrott. Der erkannte bald: Es handelte sich um menschliche Knochen. Allerdings wirkten sie ungewöhnlich robust und massiv. Die flache Schädeldecke mit den wulstigen Augenhöhlen erinnerte eher an einen Menschenaffen. Fuhlrott kam zum Schluss: Es musste sich um eine ausgestorbene Urzeitmenschenart handeln. Die Fundstätte gab ihm seinen Namen: Neandertaler oder Homo neanderthalensis

    Schädeldecke des 1856 entdeckten Neandertalers

    Foto von Hans Weingartz - CommonsHelper., CC BY-SA 2.0 de, commons.wikimedia.org

    Bei Nachgrabungen in den Jahren 1997 und 2000 entdeckte ein Forschungsteam am ursprünglichen Fundort im Neandertal 60 weitere Knochenfragmente und Zähne, die dem ersten Fossil „Neandertal 1“und zwei weiteren Neandertalern zugeschrieben werden konnten. Heute weiß man: „Neandertal 1“ war ein knapp 170 Zentimeter großer Mann, der zum Todeszeitpunkt vor rund 40.000 Jahren etwa 40 Jahre alt war und in einer kleinen Grotte bestattet wurde. 

    Auch ein weiterer Verwandter des modernen Menschen wurde in Deutschland entdeckt. Es ist der Heidelberger Mensch oder Homo heidelbergensis, dessen Fossilien erstmals 1907 bei Heidelberg gefunden wurden. Er lebte wahrscheinlich schon vor weit über 500.000 Jahren in Europa und entwickelte sich vermutlich vor etwa 200.000 Jahren zum Neandertaler weiter. 

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