Habichtskauz in Bayern: Eine ausgestorbene Art kehrt zurück
Hoffnungsschimmer im Daunenkleid: Das Habichtskauz-Projekt des VLAB hat bereits 106 junge Käuzchen ausgewildert. Im Jahr 2024 wurden erstmals seit 100 Jahren außerhalb des Nationalparks Bayerischer Wald Jungtiere geboren.
Mit seinem markant gemusterten Gefieder und den durchdringenden, im hellen Gesichtsschleier eingebetteten Augen ist der Habichtskauz (Strix uralensis) ein echter Meister der Tarnung. Dass man ihn hierzulande kaum zu Gesicht bekommt, hat allerdings noch einen weiteren Grund: die große Eule galt in Deutschland lange Zeit als ausgestorben.
Obwohl sich mittlerweile durch Wiederauswilderung eine kleine Population im Bayerischen Wald etablieren konnte, sind Habichtskäuze in Deutschland immer noch extrem selten. Das möchte der Verein für Landschaftspflege, Artenschutz und Biodiversität e.V. (VLAB) mit einem Projekt zur Wiederansiedlung der Art ändern. 23 Jungvögel wurden dafür im August 2024 im Nordosten Bayerns in die Natur entlassen.
Junge Habichtskäuze erobern bayerische Wälder zurück
Die Wiederansiedlungsinitiative ist Teil des Habichtskauz-Projekts des VLAB, das darauf abzielt, die bedrohte Eulenart in den deutschen Wäldern wieder heimisch zu machen und ihre Population nachhaltig zu stärken. Dafür werden Jungvögel aus deutschen sowie französischen Zoos und Wildparks auf ihren natürlichen Lebensraum – die Mittelgebirgswälder der Oberpfalz und Oberfrankens – vorbereitet. Vier Wochen lang gewöhnen sich die jungen Habichtskäuze in speziellen Volieren mehr und mehr an das Leben im Wald, bevor sie sich dann im Alter von 100 bis 120 Tagen auf sich alleine gestellt beweisen müssen.
Galerie: Erfolgreiche Wiederansiedlung der Habichtskäuze in Bayern
Tatsächlich überleben nur etwa 50 Prozent der Jungvögel in der freien Natur: „Leider ist die Sterblichkeitsrate in den ersten beiden Jahren – wie bei allen Vogelarten – sehr hoch. Wir schätzen, dass nur jeder zweite ausgewilderte Habichtskauz überlebt“, sagt Johannes Bradtka, Vorsitzender des VLAB. Haupttodesursache sei der Straßenverkehr. Da die Tiere während der Jagd sehr niedrig fliegen, kommt es dabei immer wieder zu tödlichen Kollisionen. Weitere große Risiken sind laut Bradtka Prädatoren wie Uhu, Habicht, Marder oder Waschbär, sowie Krankheiten ausgelöst durch bakterielle oder virale Infektionen.
Auch deshalb wurden bei den jüngsten Auswilderungen im August 2024 neun der 23 Käuzchen mit GPS-Ortungsgeräten besendert. Etwa ein Jahr lang kann der Verein die Wanderbewegungen der Tiere mitverfolgen, bevor die nur wenige Gramm schweren Sender abfallen und erneut eingesetzt werden können. „Die Telemetrie ist ein Fortschritt für unser Projekt, um Einblicke in das Leben der Habichtskäuze nach ihrer Freilassung zu gewinnen. Wir sind gespannt auf die ersten Ergebnisse“, sagt Johannes Bradtka.
Seit Beginn des Projekts im Jahr 2017 konnten auf diese Weise insgesamt 106 Käuzchen ausgewildert werden. Mit Erfolg: In diesem Jahr vermeldete der Verein erstmals zwei erfolgreiche Freilandbruten in Nordostbayern, bei denen fünf junge Habichtskäuze das Licht der Welt erblickten. Es handelt sich um die ersten Nachkommen außerhalb der unmittelbaren Region des Nationalparks Bayerischer Wald. „Diese Freilandbruten unterstreichen den Erfolg unserer bisherigen Arbeit“, sagt Bradtka.
Nachhaltiges Comeback der Habichtskäuze: Populationen sollen vernetzt werden
Damit kommt der Verein seinem Hauptziel, einen kleinen, eigenständig überlebensfähigen Bestand zu etablieren und die Vernetzung der bestehenden Populationen im bayerisch-böhmischen Wald zu fördern, einen großen Schritt näher. Damit sich der Genpool der Jungtiere sowie der wilden Bestände möglichst vergrößern und Inzucht vermieden werden kann, führt das Projekt vor der Auswilderung DNA-Untersuchungen durch. „Die genetische Vielfalt ist ein zentraler Faktor für das langfristige Überleben einer jeden Art. Mit der DNA-Sequenzierung können wir künftig gezielt darauf hinwirken, die Habichtskauz-Population gesund zu erhalten und ihr Aussterberisiko zu verringern“, sagt Projektleiterin Michaela Domeyer.
Um den Bruterfolg der Eulenvögel zusätzlich zu beschleunigen, wurden im Kerngebiet des Auswilderungsgebiets zudem 200 Nistkästen installiert. Im Idealfall benötigen die Käuze diese allerdings nicht, sondern bedienen sich an den natürlichen Gegebenheiten, die ihnen Wald und Flur bieten. Deshalb vermittelt der Verein Waldbesitzern Wissen über die Bedeutung typischer Strukturelemente für den Habichtskauz und setzt sich dafür ein, Gewässer, offene Flächen im Wald sowie Totholz zu erhalten und neu zu schaffen. Das Projekt kommt somit auch dem Lebensraum der Tiere mit all seiner Pilz- und Pflanzenwelt, Amphibien, Fledermäusen und Insekten zugute.
Rund 100 Jahre nach dem letzten Abschuss auf deutschem Boden im Jahr 1923 am Kaitersberg im Bayerischen Wald kehrt der Habichtskauz somit nach und nach in seine ursprünglichen deutschen Lebensräume des Bayerischen-, Böhmer- und Oberpfälzerwaldes zurück.