Biologische Vielfalt schwindet rasant

Die Tropen sind das Lebenserhaltungssystem der Erde und daher ein sinnvoller Fokus für Schutzmaßnahmen.

Von Stephen Leahy
Veröffentlicht am 6. Aug. 2018, 14:18 MESZ
Bäume im Regenwald bei Rabi, Gabun. Gabun hat einen Großteil seines ursprünglichen Regenwaldes erhalten und in ...
Bäume im Regenwald bei Rabi, Gabun. Gabun hat einen Großteil seines ursprünglichen Regenwaldes erhalten und in den frühen 2000ern neue Nationalparks etabliert, die zusätzlichen Schutz bieten.
Foto von Carlton Ward JR., National Geographic Creative

In den Tropen leben fast 80 Prozent aller Arten der Welt. Diese Arten in ihrem ganzjährig warmen Lebensraum sehen sich einer doppelten Bedrohung gegenüber: Zum einen müssen sie dem Druck der Überfischung und der Waldrodung durch den Menschen standhalten, zum anderen belasten sie Umweltfaktoren wie Dürren und Hitzewellen, die durch den Klimawandel entstehen oder verstärkt werden.

Infolgedessen scheint ein Zusammenbruch der weltweiten Artenvielfalt unmittelbar bevorzustehen, schlussfolgert eine aktuelle Studie in „Nature“. Nur eilige und aufeinander abgestimmte Maßnahmen können dem Artenschwund entgegenwirken, der insbesondere die Tropen bedroht.

Veränderungen in den Niederschlagsmustern können einen artenreichen Tropenwald in weniger als einem Jahrzehnt in ein Grasland mit geringer Artenvielfalt verwandeln, erzählte der Hauptautor Jos Barlow von der Lancaster University. „Die beunruhigendste Erkenntnis ist, dass wir in manchen Regionen einen Verlust von tropischen Ökosystemen zu verzeichnen haben“, sagte er.

Die biologische Vielfalt oder Biodiversität umfasst als Begriff unter anderem alle Tier- und Pflanzenarten, die das Lebenserhaltungssystem unserer Erde ausmachen. Pflanzen, Wirbeltiere, Insekten, Fische und viele mehr bilden die Ökosysteme, die uns mit Nahrung, Wasser, Luft und Energie versorgen.

Die Tropen sind eine exemplarische Fallstudie dafür, wie aus sehr wenig sehr viel werden kann. Obwohl die Tropen nur etwa 40 Prozent der eisfreien Landfläche der Erde ausmachen, sind dort etwa 91 Prozent aller Vögel angesiedelt, die entweder flugunfähig sind oder trotz Flugfähigkeit vorwiegend am Boden leben. Korallenriffe bedecken sogar nur etwa 0,1 Prozent des Meeresbodens, und dennoch sind bis zu 200 Millionen Menschen auf die darin lebenden Fische und den Küstenschutz durch die Riffe angewiesen. Die Feuchtigkeit in den Tropenwäldern und Savannen speist den Niederschlag in einigen der wichtigsten Landwirtschaftsregionen der Welt.

Barlow zufolge wird der Verlust der Arten hauptsächlich durch die nicht nachhaltige Gewinnung von Rohstoffen wie Holz, Mineralien oder Palmöl sowie durch den globalen Klimawandel verursacht. „Das Schicksal der Tropen wird größtenteils davon bestimmt, was anderswo auf dem Planeten geschieht.“

Industrieländer wie die USA sind die größte Verbraucher von Ressourcen aus den Tropen. Noch dazu sind sie die Hauptverursacher der Kohlendioxidemissionen, die den Klimawandel vorantreiben.

Wie aber können wir diesen freien Fall bremsen? Um dem Verlust der biologischen Vielfalt in den Tropen Einhalt zu gebieten, ist eine Kombination von regionalen bis hin zu globalen Maßnahmen nötig – und sie alle müssen möglichst zeitnah erfolgen. Die Verbesserung und Ausweitung von Schutzgebieten kann zur Erneuerung der Lebensräume beitragen und anfällige Ökosystemen retten. Globale Maßnahmen wie das Übereinkommen von Paris und die Verpflichtung internationaler Unternehmen zu abholzungsfreien Lieferketten können den Fortschritt im großen Maßstab beeinflussen. (Was man schon heute tun kann: weniger Fleisch essen.)

Das Übereinkommen von Paris, das auf die Reduzierung der CO2-Emissionen abzielt, ist allerdings nur ein erster Schritt. Industrieländer, darunter auch China, werden noch mehr tun müssen, um den globalen Temperaturanstieg auf 2 °C zu begrenzen. Einige Studien haben aber bereits gezeigt, dass schon diese zusätzlichen 2 °C für tropische Korallen zu viel sind.

Lokale und internationale Bemühungen zum Schutz der Biodiversität sollten auf überzeugenden wissenschaftlichen Belegen fußen und dürfen die Lokalbevölkerung nicht negativ beeinträchtigen, sagt die Umwelt- und Sozialwissenschaftlerin Christina Hicks. Umweltschutzmaßnahmen, die von den Gemeinden selbst ausgehen, sind oft am effektivsten. Den Forschern der Lancaster University zufolge gebe es gute Beweise dafür, dass die biologische Vielfalt auf Ländereien, die von indigener und lokaler Bevölkerung verwaltet werden, generell gut geschützt wird.

Allerdings werden verstärkte Schutzmaßnahmen allein nicht ausreichen, sofern tropische Länder ihre Projekte zur baulichen und wirtschaftlichen Erschließung nicht von den Wildnisgebieten fernhalten, erzählte William Laurance. Der Wissenschaftler ist der Chefermittler des Centre for Tropical Environmental and Sustainability Science an der James Cook University in Australien. „Wir sehen den großen Einfluss von neuen Straßen, Dämmen und anderer Infrastruktur, die den tropischen Lebensraum fragmentiert“, sagte Laurance, der an der Studie nicht beteiligt war.

Fast all diese Projekte werden von ausländische Investitionen gelenkt, beispielsweise von Chinas mehr als eine Billion Dollar teurem Projekt „Belt and Road“, auch als „Neue Seidenstraße“ bekannt. Anstatt die Ressourcen in der Wildnis auszuschöpfen, von denen nur wenige profitieren, sollte in die Verbesserung von Infrastruktur investiert werden, zum Beispiel in Straßen innerhalb und zwischen ländlichen Gebieten und Stadtzentren, die vorteilhafter und nachhaltiger seien, wie er sagt. Dieser Art von intelligenter Infrastruktur kann Bauern dabei helfen, ihre Erträge schneller und mit geringerem Verlust an den Markt zu bringen.

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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