Vielfalt dank Pumas: Käfer im Kadaverparadies

Die Kleinkatzen fördern den Artenreichtum in ihrem Ökosystem auf überraschende Weise.

Von Jason Bittel
Veröffentlicht am 26. März 2019, 10:43 MEZ
Ein vier Monate alter Puma namens Lucky sitzt auf einem Kadaver in der Yellowstone-Region.
Ein vier Monate alter Puma namens Lucky sitzt auf einem Kadaver in der Yellowstone-Region.
Foto von Steve Winter, Nat Geo Image Collection

Wenn ein Puma einen mächtigen Wapiti reißt, endet das Leben für diesen Hirsch. Aber sein Tod ist für Hunderte andere Arten der Beginn des Lebens.

Obwohl die Raubkatzen mehr als 45 Kilogramm Fleisch verschlingen können, bleibt von dem über 300 Kilogramm schweren Hirsch eine Menge übrig. Aus diesen Resten entsteht eine überraschend artenreiche Oase für zahllose Organismen, deren Überleben von verrottendem Fleisch abhängt, wie eine aktuelle Studie nun herausfand.

Puma stürzt sich auf einen Hirsch

Wissenschaftler sammelten im Greater Yellowstone Ecosystem 2016 mit Hilfe von Barber-Fallen Käfer aus dem Umkreis von 18 Pumarissen. Nachdem das Team die Zahl der Exemplare einzelner Arten festgestellt hatte, verglich es die Zusammensetzung der Käferansammlung mit der an einem Kontrollpunkt in 20 Metern Entfernung.

Die Ergebnisse waren verblüffend.

Insgesamt sammelte das Team mehr als 20.000 Käfer rund um die Kadaver, während es am Kontrollpunkt, wo kein verrottendes Fleisch lag, knapp über 4.000 waren. Bei mehr als der Hälfte handelte es sich um Aaskäfer der Art Thanatophilus lapponicus. Insgesamt zählten die Forscher 215 Käferarten aus insgesamt acht Familien.

„Das zeugt wirklich von der Komplexität dessen, was sich an diesen Orten abspielt“, sagt der Co-Autor der Studie Mark Elbroch, der für die Artenschutzgruppe Panthera als Programmdirektor für Pumas tätig ist.

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    Käfer der Art Thanatophilus lapponicus legen ihre Eier in verwesendem Fleisch ab.
    Foto von Darlyne A. Murawski, Nat Geo Image Collection

    „Wir haben all diese Arten gefunden, von deren Existenz ich nicht mal wusste“, sagt Elbroch, der außerdem ein National Geographic Explorer ist.

    Zu Hause ist, wo das Fleisch verwest

    Ein Großteil der Forschung an Pumarissen hatte sich bislang auf größere Tiere konzentriert. Eine frühere Studie von Elbroch zeigte, dass 39 Arten von Vögeln und anderen Säugetieren die Kadaver aufsuchten, darunter Schwarzbären, Weißfußmäuse und Diademhäher.

    Dieses Mal wollten die Forscher einen Blick auf die Käfer werfen – die leicht zu fangen und zu bestimmen sind –, um herauszufinden, was sich dort im Kleinen abspielt.

    Spannenderweise fanden die Forscher auch Käfer aus der Familie Curculionidae, die hauptsächlich als Pflanzenfresser gelten. Womöglich haben es die Tiere auf den Mageninhalt der Hirsche abgesehen.

    Darüber hinaus entdeckten die Wissenschaftler Käfer, die sich auf die Schneckenjagd spezialisiert haben – die Weichtiere finden sich in großer Zahl unter Kadavern. Auch andere Insekten entdecken sie reichlich: „In der warmen Jahreszeit sind die Kadaver teils zentimeterhoch mit Maden bedeckt“, sagt Elbroch.

    All das deutet darauf hin, dass diese Kadaver nicht einfach nur Nahrungsquellen sind, sondern wirbellosen Tieren als ganze Ökosysteme dienen.

    „Diese Kadaver sind ihr Zuhause. Dort suchen sie ihre Partner. Dort ziehen sie ihre Jungen auf und verstecken sich vor Fressfeinden“, sagt Elbroch, dessen Studie vor Kurzem in „Oecologia“ erschien.

    Ein Beitrag zur Artenvielfalt

    Die Ergebnisse könnten eine spannende Schlussfolgerung zulassen.

    Wenn Pumarisse einen Lebensraum für Käfer schaffen, könnten die Raubkatzen eventuell als Ingenieure des Ökosystems gelten – ein Begriff, der ansonsten Tieren vorbehalten ist, die ihre Umwelt aktiv verändern, beispielsweise Biber, Termiten und Elefanten.

    Der Biologe Justin Wright von der Duke University, der sich seit Jahrzehnten mit den Ingenieuren von Ökosystemen beschäftigt, hält die Schlussfolgerungen der Studie für solide. Allerdings ist es für ihn mittlerweile nicht mehr so wichtig, diese Bezeichnung wie einen Titel zu vergeben.

    Vielmehr, so argumentiert er, sollten wir die komplexen Beziehungen zwischen Arten weiter erforschen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben – so wie es auch die aktuelle Studie tat.

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    Wright fragt sich auch, was mit den Käfern geschehen würde, wenn die Pumas verschwänden. Schließlich würden nach wie vor Hirsche sterben.

    Elbroch verweist darauf, dass die meisten Huftiere im Winter versterben, wenn viele Insekten nicht so aktiv sind. Außerdem würden Pumas besondere Kadaver hinterlassen, da sie nicht das gesamte Tier fressen, wie es ein Bär tun würde, und den Kadaver auch nicht zerlegen, wie das bei Wolfsrudeln der Fall ist.

    Elbroch hofft, dass er damit auch das Image der Tiere verbessern kann.

    „Wir können natürlich sagen, dass das furchtbare Tiere sind, weil sie ein paar Hirsche töten“, sagt er. „Oder wir könnten sagen, es sind großartige Tiere, weil sie diese ganze Artenvielfalt fördern.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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