Baby-Wombats im Wohnzimmer: So geht Tierpflege während Corona

Für eine australische Tierretterin erschwerte der Lockdown ihre Reise in die Pflegestelle. Also nahm sie ihre possierlichen Schützlinge kurzerhand mit in ihre Einraumwohnung.

Von Misha Jones
bilder von Doug Gimesy
Veröffentlicht am 25. Aug. 2020, 14:39 MESZ
Emily Small hält Wombatbaby

Emily Small, die Gründerin des Goongerah Wombat Orphanage, hält den sechs Monate alten Wombat Landon in ihrem Wohnzimmer. Während des australischen COVID-19-Lockdowns konnte Small die 450 Kilometer lange Reise von ihrer Wohnung in Melbourne zum Orphanage in Goongerah nicht bewältigen. Deshalb kümmert sie sich zu Hause um Landon und zwei andere Nacktnasenwombats.

Foto von Doug Gimesy

Es ist nicht ungewöhnlich, in Australien am Straßenrand auf einen Wombat zu stoßen. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass Emily Small sie mitnimmt, wenn sie verwaist, krank oder verletzt sind. In ihrem Wombat-Waisenhaus, dem Goongerah Wombat Orphanage, pflegt sie die Tiere, damit sie wieder in die Wildnis entlassen werden können.

Ungewöhnlich ist jedoch, dass Small während des COVID-19-Lockdowns ihre kleine Wohnung in Melbourne mit drei verwaisten, Nacktnasewombats teilt.

„Wie könnten Babywombats denn keine gute Gesellschaft sein?“, sagt sie.

Burnt signs warning of kangaroo and wombat crossings stand among the skeletons of trees in South Buchan, which burned during the 2019-2020 catastrophic bushfire season. Many of the wombats that Small’s orphanage takes in were orphaned when their mothers were killed by cars.

Foto von Doug Gimesy

Abby Smith (links) ist eine Forst- und Wildschutzbeauftragte der Umweltabteilung von Victoria. Sie besuchte Small im Februar im Wombat-Waisenhaus, bevor der Pandemie-Lockdown die Reisen dorthin für Small erschwerte.

Foto von Doug Gimesy

Im Jahr 2002 gründete Small das Goongerah Wombat Orphanage in East Gippsland, das sie gemeinsam mit ihrer Mutter leitet. Pro Jahr nehmen sie sechs bis acht Wombats in der Pflegeeinrichtung auf – in der Regel Waisen, deren Mütter bei Autounfällen starben.

Sie teilt sich ihre Arbeitszeit im Wombat-Waisenhaus mit ihrer Vollzeitbeschäftigung als Einsatzleiterin bei Wildlife Victoria, einer gemeinnützigen Organisation zur Rettung und Förderung von Wildtieren in Melbourne. Aber der Lockdown erschwerte die 450 Kilometer langen Reisen von Preston – ihrem Wohnort nördlich von Melbourne – zum Waisenhaus in East Gippsland. Daher beschloss Small, sich in ihrer Einzimmerwohnung um die Wombats zu kümmern.

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    Wombats sind bei der Geburt nur knapp über einen Zentimeter groß. Die gedrungenen Beuteltiere sind in Australien und auf nahe gelegenen Inseln heimisch und buddeln für ihr Leben gern. Im Gegensatz zu Kängurus öffnet sich der Beutel des weiblichen Wombats in Richtung Hinterleib, damit der Nachwuchs den ganzen Dreck vom Graben nicht ins Gesicht bekommt. Normalerweise schaut das Jungtier mindestens die ersten sechs Monate lang nicht einmal aus dem Beutel heraus. Auch danach bleibt es noch für weitere drei oder vier Monate in der sicheren, warmen Körpertasche. Wenn das Jungtier den Beutel schließlich verlässt, bleibt es bis zum Alter von etwa einem Jahr oder noch länger bei seiner Mutter.

    Die Pflege der hilflosen Wombats mache viel Arbeit, sagt Small. Sie müssen, genau wie menschliche Kinder, ununterbrochen beaufsichtigt werden. Und durch die Pandemie sei es schwieriger, die Ressourcen zu besorgen, die sie benötigen, um in der ungewöhnlichen Umgebung ein glückliches Leben zu führen.

    Landon und Bronson schlafen in Smalls Wohnung in einem selbstgemachten Beutel. Wie alle Beuteltiere bringen auch Wombats unterentwickelten Nachwuchs zur Welt, der zunächst in den Beutel am Bauch der Mutter kriecht. Dort bleibt er gut geschützt bis zu sechs Monate, bevor er sich heraustraut.

    Foto von Doug Gimesy

    Kleine Wombats mit großer Persönlichkeit

    Jeder der Wombats in Smalls Obhut hat eine eigene Persönlichkeit. Landon, der jüngste der Gruppe, wurde Ende März von einer Tierarzthelferin gerettet. Er ist erst zehn Monate alt.

    „Landon ist meine kleine Legende“, sagt Small. „Er wird super aufgeregt. Er strahlt dann einfach regelrecht und kann überhaupt nicht mehr an sich halten. Und dann schreit er richtig vor Glück. Das habe ich eigentlich noch nie bei einem anderen Wombat gesehen.“

    Landon und Bronson knabbern Schmutz und Gras, das Small in ihr Gehege gelegt hat. Small wird sich um sie kümmern, bis sie bereit sind, mit etwa 18 Monaten wieder in die Wildnis entlassen zu werden.

    Foto von Doug Gimesy

    Small arranges grass and soil she collected from the orphanage to give to three rescued wombats as part of their diet. It has microbes and fungi that are important for their gut health.

    Foto von Doug Gimesy

    Der elf Monate alte Bronson kann ein bisschen zurückhaltender sein. Ein Passant fand ihn im Beutel seiner toten Mutter.

    „Er kommt manchmal nicht mit Situationen zurecht, die für Wombats normalerweise kein Problem sind“, sagt Small. „Er ist dann ein bisschen unsicher.“ Wenn er ein neues Geräusch hört oder eine neue Umgebung betritt, orientiert sich Bronson an Small, was ihm Halt gibt und ihn beruhigt. Aber sobald er es sich bequem gemacht hat, liebt er es, „herumzuwuseln und zu kuscheln“.

    Die einjährige Beatrice ist das, was Small als „eine unabhängige Wombatkriegerin“ bezeichnet. Auch sie wurde im Beutel ihrer Mutter gefunden.

    „Als sie frisch in die Pflege kam, knurrte sie und versuchte, mich anzugreifen“, sagt Small. „Ich wusste, dass das aus Angst geschah, weil sie schon etwas älter war. Ältere Tiere haben ein besser ausgeprägtes Bewusstsein für Gefahren, und sie versuchte, so furchterregend wie möglich zu wirken – was sie auch war.“

    Jetzt, wo sie sich an ihre neue Umgebung gewöhnt hat, hält Small sie für das „süßeste, sanfteste Waisenkind überhaupt, das von Herzen verspielt und vertrauensselig ist“.

    Die einjährige Beatrice läuft durch Smalls Küche. Als Small sie bei sich aufnahm, hatte sie bereits einen ausgeprägten Überlebensinstinkt. Zunächst versuchte sie, Small einzuschüchtern. Mit der Zeit lernte sie aber, dass Small keine Bedrohung darstellt.

    Foto von Doug Gimesy

    Tierpflege im Ausnahmezustand

    Im Normalfall können Wombats laut Small bis zu drei Jahre bei ihren Müttern in der Wildnis bleiben.

    „Ich versuche, diese Bindung so weit wie möglich zu reproduzieren und gleichzeitig auf ihre individuellen Bedürfnisse einzugehen und sicherzustellen, dass sie über die notwendigen Fähigkeiten verfügen, um ausgewildert zu werden“, sagt Small.

    In ihrer Wohnung im obersten Stockwerk tat Small ihr Bestes, um die Außengehege nachzubilden, in denen die Wombats normalerweise leben. Sie brauchen Zugang zu Gras und Erde. Beides enthält wichtige Nährstoffe für ihre Darmgesundheit, weshalb Small beides vom Orphanage mit nach Hause brachte. Sie züchtet das Gras in einem Pflanzkasten auf ihrem Balkon. Außerdem stellt sie Rinde und Stöckchen bereit, an denen die jungen Wombats nagen können. Nur die Reinigung dieses Naturbereichs sei „ein bisschen problematisch“.

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    Auch die Fütterung der Tiere bereitet Schwierigkeiten. Das Trio benötigt spezielle Flaschennahrung, die wegen der Pandemie schwer zu beschaffen ist. „Ich warte eigentlich auf 15 Kilo davon“, sagt Small. „Die Lieferstelle wurde gerade erst wieder besetzt und funktioniert überhaupt nicht.“

    Trotz der Herausforderungen hätten sich alle drei Wombats gut entwickelt, sagt sie. Und so unterschiedlich ihre Persönlichkeiten sind, so unterschiedlich sind auch ihre Bedürfnisse. „Einige werden viel schneller als die anderen bereit sein, um zur nächsten Stufe überzugehen“, sagt sie. „Es liegt ganz an ihnen.“ Small erklärt, dass sie wahrscheinlich dann für die nächste Stufe des Prozesses bereit sind, wenn sie anfangen, „erwachsene Verhaltensweisen" zu zeigen. Das können zum Beispiel normale Aggression, defensives Verhalten oder Angst sein.

    Dann wird Small sie ins Freigehege des Wombat-Waisenhaus bringen und sie von der Flasche entwöhnen. Wenn sie im Alter von etwa 18 Monaten zwischen 15 und 25 Kilogramm wiegen, können sie zurück in die Wildnis.

    Von Erfolg und Misserfolg

    Leider ist die Rehabilitation nicht immer erfolgreich – manche Wombats erholen sich nicht. Tatsächlich starb der erste Wombat, den Small und ihre Mutter gepflegt haben. „Er war wie mein Bruder. Meine Mutter hat sich um ihn fast mehr als um mich gekümmert“, sagt sie.

    Small füttert zwei Wombats in ihrem Schlafzimmer. Die Jungtiere benötigen eine spezielle Milch, die aufgrund der pandemiebedingten Verzögerungen im Postverkehr schwer zu beschaffen ist.

    Foto von Doug Gimesy

    Als er starb, schworen sich die beiden, nie wieder ein verwaistes Tier aufzunehmen. Lange hielten sie sich aber nicht daran. „Das haben wir jedes Jahr gesagt, und sie kommen einfach immer wieder. Wir können nicht nein sagen“, sagt Small.

    „Wenn sie glücklich sind und spielen, ist es das Schönste, das ich je erlebt habe“, sagt sie. „Wer dabei nicht lächeln oder lachen kann, kann kein Mensch sein.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

     

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