Vorbildliche Papas: Wie Tierväter für ihren Nachwuchs sorgen

Ochsenfrösche, die zum Schutz der Kaulquappen Gräben graben. Füchse, die ihren Welpen alles beibringen, was sie wissen müssen. Manche Väter im Tierreich geben sich mehr Mühe, als man denkt.

Ein Silberrücken und ein junger Gorilla fressen Bambusrohre im Mount Gahinga-Nationalpark in Uganda.

Foto von Chris Schmid, Nat Geo Image Collection
Von Brian Handwerk
Veröffentlicht am 9. Juli 2021, 09:40 MESZ

Mit ihrer muskulösen Brust und den scharfen Zähnen stehen Silberrücken in erster Linie für eines: rohe Kraft. Doch wenn es um den Nachwuchs geht, zeigen sich die männlichen Gorillas von ihrer sanften Seite.

Das hat nicht nur uneigennützige Gründe: Es gibt Hinweise darauf, dass kinderliebes Verhalten für die über 180 Kilogramm schweren Menschenaffen von Vorteil ist: Es macht sie für die Weibchen in der Gruppe besonders attraktiv. „Wir vermuten, dass Gorillaweibchen Männchen bevorzugen, die freundlich zu den Jungen sind und viel Zeit mit ihnen verbringen“, sagt Stacy Rosenbaum, biologische Anthropologin an der Universität von Michigan, die das Sozialverhalten zentralafrikanischer Berggorillas erforscht.

Die Opfer, die Tiermütter bringen, sind umfassend dokumentiert. Ein gutes Beispiel ist das Kraken-Weibchen, das seine Eier fast fünf Jahre lang behütet. Doch die Mühen der Männchen werden oft nicht registriert. Das liegt laut Rosenbaum teilweise auch daran, dass den meisten Menschen nur die Extreme der Vaterschaft im Tierreich bekannt sind.

Seltene Aufnahmen eines neugeborenen Gorillas

„Das ganze Spektrum ist abgedeckt: Vom Seepferdchen-Vater, der bekanntermaßen alle elterlichen Fürsorgeaufgaben übernimmt, bis hin zu männlichen Säugetieren, die nach der Paarung sofort von der Bildfläche verschwinden“, sagt sie. „Je länger der Beobachtungszeitraum und je größer die Anzahl der Arten, die wir beobachten, desto klarer wird, dass die Vaterschaft im Tierreich eine komplexe Angelegenheit ist.“

Beispiele für Tierväter, die sich für die nächste Generation aufopfern, ohne dass es bemerkt wird, gibt es einige.

Alleinerziehender Ochsenfrosch

Wenn der Regen kommt, erwacht der Afrikanische Ochsenfrosch aus seiner unterirdischen Starre und begibt sich an die Erdoberfläche. Der Startschuss zu einer stürmischen Paarungszeit, in der das Männchen ein oder mehrere Weibchen mit Paarungsrufen anlockt, einen Haufen Eier befruchtet und Rivalen vertreibt – manchmal, indem es sie tötet.

Je erfolgreicher der männliche Ochsenfrosch war, desto größer ist die Aufgabe, die nun auf ihn wartet. Plötzlich trägt er die Verantwortung für mehrere tausend Eier, die in den Pfützen darauf warten, zu Kaulquappen zu werden. Sowohl um die Eier als auch um die Kaulquappen kümmert sich der Vater über Wochen fürsorglich und weicht nicht von ihrer Seite. Er vertreibt Fressfeinde wie Schlangen und passt auf, dass der Nachwuchs nie auf dem Trockenen liegt.

Beginnt das nasse Zuhause unter der heißen Sonne zu verdunsten, bringt der Ochsenfroschvater seinen Nachwuchs an eine tiefere, kühlere Stelle der Pfütze. Wenn auch das nicht ausreicht, verbindet er die schrumpfende Pfütze über einen selbstgebauten Bewässerungsgraben mit einer größeren Wasserstelle. Nicht nur, um Eier und Quappen mit Wasser zu versorgen, sondern auch, um einen Fluchtweg zu schaffen.

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    Ein Ochsenfroschmännchen lässt im Central Kalahari-Wildreservat in Botswana seinen Paarungsruf hören.

    Foto von Chris & Monique Fallows, Nature Picture Library

    Die aufopfernde Rund-um-die-Uhr-Betreuung hat für die neue Generation allerdings auch ihren Preis: Da er sich ausschließlich bei seinem Nachwuchs aufhält, kann der Ochsenfrosch nicht auf Futtersuche gehen. Um bei Kräften zu bleiben, kommt er deshalb nicht umhin, die eine oder andere Kaulquappe zu verspeisen.

    Hingebungsvolle Stachelschweine

    Das Liebeswerben des Gewöhnlichen Stachelschweins kann durchaus etwas stachelig ausfallen. Doch wenn sich erst einmal ein Paar gefunden hat, ist diese Verbindung eine zuneigungsvolle Partnerschaft fürs Leben. Das sei selten in der Tierwelt, sagt Emiliano Mori, Evolutionsbiologe der Nationalen Italienischen Forschungsgemeinschaft in Rom.

    Das Gewöhnliche Stachelschwein (hier ein Tier in Italien) kann mehr als 20 Kilogramm wiegen und ist damit eines der größten Nagetiere der Welt. 

    Foto von Klein & Hubert, Nature Picture Library

    „Eine Stachelschwein-Beziehung hält ein Leben lang. Dabei finden immer wieder unabhängig von der Jahreszeit Paarungsakte statt, teilweise jedoch ohne Penetration, also nicht zum Zweck der Fortpflanzung“, sagt Mori, der die in Italien beheimateten Angehörigen der Spezies erforscht.

    Den Nachwuchs ziehen die Eltern voller Zuneigung als Team groß.

    „Wenn die Jungtiere den Bau verlassen, erkunden sie gemeinsam mit ihren Eltern die Umgebung“, sagt Mori. „Mutter und Vater haben die Kinder dabei immer schützend in der Mitte.“

    Lernen vom schlauen Fuchsvater

    Auch für Rotfuchsväter steht die Familie ganz oben auf der Prioritätenliste. Mit ihrer Partnerin haben die Fleischfresser von der Nordhalbkugel eine enge, in gewisser Weise monogame Verbindung. Ihr Revier verteidigen sie mit Zähnen und Klauen gegen männliche Eindringlinge.

    Bringt ein Fuchsweibchen Junge zur Welt, kümmert sich der Vater um die Verpflegung. Über Stunden ist er unterwegs, um Nahrung zu finden, während Mutter und Kinder sicher in ihrem Versteck auf ihn warten. Sind die Welpen groß genug, um den Bau zu verlassen, wechselt Vater Fuchs in die Rolle des geduldigen Lehrers.  Er zeigt den Kleinen, wie man richtig springt und jagt.

    Ein Fuchswelpe „küsst” seinen Vater im Yellowstone-Nationalpark in Montana.

    Foto von Robbie George, Nat Geo Image Collection

    Er versteckt zum Beispiel Beute, die die Jungen finden müssen, und verübt spielerische Überfälle auf sie, damit sie lernen wie sie Angreifern entkommen.

    Brutpflege bei den Anemonenfischen

    Fische sind allgemein nicht unbedingt als fürsorgliche Eltern bekannt. Von den Arten, die sich überhaupt um ihren Nachwuchs kümmern, überlässt die Hälfte diese Aufgabe dem Vater. Darunter auch 30 Arten aus der Gattung der Anemonenfische.

    Ein Weißbinden-Glühkohlen-Anemonenfisch pflegt seinen Nachwuchs auf den Philippinen.

    Foto von David Doubilet, Nat Geo Image Collection

    Der männliche Orangeringel-Anemonenfisch, Amphiprion ocellaris, lockt Weibchen an, indem er in der Nähe einer Seeanemone den Meeresboden putzt, und so ein Nest entstehen lässt. Anemonenfische leben mit Seeanemonen in Symbiose.

    Ist das Weibchen von dem Männchen angetan, laicht sie in dem vorbereiteten Nest ab und das Männchen befruchtet die Eier. Es ist nun seine Aufgabe, das Gelege zu beschützen, bis der Nachwuchs schlüpft. Bis es soweit ist, entfernt er Parasiten und wedelt mit seinen Flossen über dem Nest, um das Wasser in diesem Bereich mit Sauerstoff anzureichern.

    Forschungen haben ergeben, dass dieses fürsorgliche Verhalten des Anemonenfischs auf ein Hormon zurückzuführen ist, das mit dem Oxytocin (dem sogenannten Kuschelhormon) vergleichbar ist, dass im Elternverhalten der Menschen eine große Rolle spielt. 

    Pinguine – Papas mit Substanz

    Adeliepinguine kreieren nicht nur wunderschöne Nester für ihre Weibchen. Sie bauen oft gleich mehrere, um am Ende das auszusuchen, das am besten gelungen ist, erzählt Emma Marks von der New Zealand’s University in Auckland.

    Ein Adeliepinguin füttert sein Küken. Die Eltern wechseln sich mit dem Bebrüten der Eier ab, damit diese jederzeit warm und geschützt sind.

    Foto von IRA BLOCK, Nat Geo Image Collection

    „Ich habe junge Männchen dabei beobachtet, wie sie aus den Knochen und Flügeln verstorbener Pinguine ihre Nester gebaut haben. Das hat etwas sehr Makaberes, aber in diesem Moment war es das einzige Baumaterial, das zur Verfügung stand“, so Marks. „Trotzdem war es keine Überraschung, dass sie so keine Partnerin gefunden haben.“

    Angehende Pinguinväter müssen nicht nur gute Heimwerker sein – auch die Stimme muss stimmen. Dabei wirkt sich der Körperfettanteil auf den Klang des Paarungsrufes aus und Beobachtungen haben gezeigt, dass die Weibchen korpulentere Männchen bevorzugen. Der Grund dafür ist, dass stämmigere Männchen mehr Energiereserven haben. Das hilft ihnen wiederum, die Fastenzeit während des Brütens zu überstehen und macht sie zu zuverlässigeren Partnern.

    Galerie: Tierbabys von schleimig bis struppig

    Hat das Weibchen ihre Eier gelegt, wechseln sich beide Elternteile über lange Zeiträume mit dem Bebrüten der Eier ab. Nach dem Schlüpfen versorgt der Vater die Küken mit nahrhaften Mahlzeiten aus unverdautem Fisch und Krill.

    Albatrosse sind Langstrecken-Väter

    Obwohl Wanderalbatrosse den größten Teil ihres Lebens mit Flügen über das Meer verbringen, kehren sie doch immer wieder auf dieselbe Insel zu demselben Partner zurück. Damit sind sie Meister der Fernbeziehung im Tierreich. Heimisch am Pazifischen Ozean geht aus der Paarung dieser langlebigen Art alle zwei Jahre genau ein kostbares Ei hervor.

    Ein Wanderalbatros-Pärchen auf der Insel Südgeorgien. Die Art hat eine Lebenserwartung von bis zu 50 Jahren.

    Foto von Frans Lanting, Nat Geo Image Collection

    Der Albatrosvater wählt die Lage des Nests und beide Eltern bebrüten das Ei gemeinsam. Auch die Aufzucht des Jungen, die ein Jahr in Anspruch nimmt, ist eine Teamaufgabe. Während dieser Zeit ist der Nachwuchs komplett von den Eltern abhängig. Aufgrund seiner Größe und seines Jagdtalents ist der Vater Haupternährer.

    Albatrosse haben eine Lebenserwartung von über 50 Jahren und ziehen demnach viele Küken groß. Sie verbringen mehr Lebenszeit mit der Aufzucht ihrer Nachkommen als die meisten anderen Lebewesen dieser Welt – einschließlich uns Menschen.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

    Tierväter

    Alleinerziehende Väter im Tierreich

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