Erfolg beim Artenschutz: Riesenpanda in China nicht mehr gefährdet

Die Population der wilden Pandabären in China erholt sich seit Jahren. Doch während Wildhüter alles für den Schutz des schwarzweißen Nationaltiers tun, wächst in den Wäldern eine neue Bedrohung heran.

Von Kyle Obermann
Veröffentlicht am 9. Sept. 2021, 11:36 MESZ
Ein in Gefangenschaft lebender Panda und sein Junges erkunden ihr Gehege im Wolong China Conservation and ...

Ein in Gefangenschaft lebender Panda und sein Junges erkunden ihr Gehege im Wolong China Conservation and Research Center in der Sichuan-Provinz.

Foto von Ami Vitale, Nat Geo Image Collection

Der Riesenpanda ist nicht nur Chinas Nationaltier, sondern auch ein internationales Symbol für Niedlichkeit. Lange waren die schwarzweißen Bären großen Bedrohungen ausgesetzt: Wilderer jagten sie wegen ihrer Felle, die Jungen wurden außer Landes geschmuggelt und in Ländern wie den USA und Japan von „Sammlern“ teilweise wie Aktien gehandelt. Das Ergebnis: In den 1980er Jahren existierten nur noch knapp über tausend Tiere in freier Wildbahn, der Riesenpanda war vom Aussterben bedroht.

Im Sommer 2021 ist der Pandabär erneut zum Symbol geworden, allerdings für etwas ganz Anderes: den Erfolg beim Artenschutz. Die chinesische Regierung teilte mit, dass die Spezies nicht länger Gefahr läuft, auszusterben: Die Population hat sich dank intensiver Bestrebungen von staatlicher Seite innerhalb von 30 Jahren verdoppelt.

Schon im Jahr 2016 stufte die Weltnaturschutzorganisation (IUCN) den Status der Riesenpandas von bedroht auf gefährdet ab, begründet durch einen stetig zunehmenden Bestand und eine Ausweitung der Lebensräume. Einige chinesische Wissenschaftler und Behörden kritisierten die Einschätzung als verfrüht und befürchteten, sie könne die Schutzbemühungen torpedieren.

Viele große Prädatorenspezies sind aus den Wäldern Chinas verschwunden, was zu einer starken Vermehrung von Beutetieren wie Takinen und Wildschweinen geführt hat.

Foto von Kyle Obermann, Conservation International

Doch diese Angst war unbegründet, denn auch nach 2016 brachten die Rettungsmaßnahmen große Erfolge hervor. Zum Beispiel richtete China in der Wenchuan- und Sichuan-Provinz das Wolong-Naturreservat ein: Ein Gebiet, so groß wie Sizilien, das 70 Prozent der Riesenpanda-Habitate einschließt. Zusätzlich hat sich die Zahl der Pandabären, die in Zuchtprogrammen überall auf der Welt leben, mit 633 Tieren ebenfalls fast verdoppelt. Derzeit gibt es demnach zweimal so viele Pandas, wie mindestens nötig wären, um die genetische Vielfalt zu erhalten, die für das Überleben der Art erforderlich ist.

Eine Studie zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Bambus, der 99 Prozent des Panda-Speiseplans ausmacht, hat außerdem gezeigt, dass sowohl die Bären als auch die Pflanze eine weitaus größere Toleranz gegenüber Temperaturschwankungen und Änderungen der Niederschlagsmengen zeigen, als bisher vermutet.

„Man muss ehrlich sagen, dass noch vor 20 Jahren niemand mit einer solchen Erholung der Spezies gerechnet hat“, sagt Fang Wang, Artenschutzbiologe an der School of Life Sciences an der Fundan University in Shanghai.

Ein Erfolg, aber kein Ende der Bemühungen, denn gesichert ist die Erholung der Pandabären-Population Experten zufolge noch nicht. Der Bestand befindet sich immer noch erst bei einem Prozent des historischen Wertes. Grund dafür sind unter anderem die Folgen umfassender Entwaldung und die Zerschlagung von Lebensräumen. Und neues Unheil droht.

Takin und Wildschwein: Es wird eng im Reservat

Von dem Einrichten von Schutzzonen durch die chinesische Regierung profitierten nicht nur die Pandabären, sondern auch Sichuan-Takine – hellbraune, langhaarige Huftiere, die aussehen wie eine Mischung aus Kuh und Bergziege und ein Gewicht von bis zu 400 Kilogramm erreichen können. Im Tangjiahe-Nationalpark, einem wichtigen Panda-Schutzgebiet, hat sich ihre Population von 500 Tieren im Jahr 1986 auf über 1.300 Tiere im Jahr 2015 fast verdreifacht. Männliche Takine können, insbesondere in der Brunftzeit, gefährlich sein: In einem Zeitraum von neun Jahren töteten sie im Gebiet des Qin Ling-Gebirgszugs 22 Menschen und verletzten 184.

„Wir haben bemerkt, dass Takine aktiv das Wachstum der Vegetation beeinflussen“, erklärt Diao Kunpeng, Gründer der Non-Profit-Organisation Qingye Ecology mit Sitz in Sichuan, die bei der Planung und Umsetzung von Forschungen in Naturreservaten hilft.

Takine fressen die Rinde von Bäumen und machen sie so anfällig für den Befall durch Insekten oder gefährliche Pilze. Dadurch ändert sich der Baumbestand in den Wäldern, weg von hochwachsenden Bäumen hin zu buschigem Unterholz. „Riesenpandas bevorzugen aber Wälder, in denen sie große hohle Bäume finden. Diese nutzen sie als Verstecke, in denen sie ihre Jungen gebären und großziehen“, erklärt Diao Kunpeng.

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    Obwohl sich die Population der wildlebenden Pandabären erholt hat, liegt sie bei nur einem Prozent des historischen Bestands.

    Foto von Kyle Obermann, Conservation International

    Indem sie Bäume mit einer wachsartigen Substanz aus den Drüsen unter ihrem Schwanz markieren, kommunizieren Pandabären mit ihren Artgenossen und suchen und finden Partner. Takine reiben sich allerdings an der Baumrinde, um Juckreiz zu bekämpfen, und verwischen auf diese Weise die Duftspuren.

    Laut Diao Kunpeng ist die Datenlage noch nicht ausreichend, um zu erkennen, wie stark sich die Veränderung des Waldes auf die wildlebenden Pandabären auswirkt. Von einer Langzeitstudie im Tangjiahe-Nationalpark werde erwartet, dass sie in dieser Hinsicht demnächst Klarheit bringt.

    Nicht nur die Takine machen dem Riesenpanda das Leben schwer. Fang Wang zufolge hat auch das Nordchinesische Wildschwein Potenzial, die Tiere in große Bedrängnis zu bringen. Es gäbe zwar keine offiziellen Schätzungen, wie groß deren Zahl derzeit sei, doch Berichten zufolge dürfte sie die der Takine sogar übersteigen. Grund für die Annahme ist, dass Wildschweine generell weiterverbreitet sind. Dabei sei ihr Einfluss auf die Natur weitaus gravierenderer als der der Takine, so Fang Wang.

    Junge, im Frühling wachsende Bambustriebe sind für Pandabären eine wertvolle Protein- und Nährstoffquelle. Besonders wichtig sind sie für Bärenmütter in der Trag- und Säugezeit. Doch die Pflanzen stehen auch bei Wildschweinen hoch im Kurs und Forschungen haben gezeigt, dass Pandas Gebieten fernbleiben, in denen Wildschweine leben. Ein Anwachsen der Pandapopulationen in Gebieten mit nur wenigen Wildschweinen belegt das. 

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    Wildschweine sind außerdem oft Träger von Krankheitserregern wie Staupe oder der afrikanischen Schweinepest, die sie auch auf andere Arten übertragen. „Es gilt als sicher, dass sich Pandas mit diesen Viren infizieren können“, sagt Fang Wang.

    Dass die Wildschweine die Felder der Bauern durchwühlen, ist ein weiterer Aspekt, der ihm Sorge macht. Das könne dazu führen, dass der Artenschutz die Unterstützung der Bevölkerung in der Nähe der Schutzzonen verliert.

    Riesenpandas haben kaum natürliche Feinde. Die Wildschwein- und Takinebestände wurden in der Vergangenheit durch Schneeleoparden, Rothunde und Wölfe im Gleichgewicht gehalten. Doch diese Spitzenprädatoren sind laut einer Studie aus dem Jahr 2020 inzwischen fast vollständig aus den chinesischen Wäldern verschwunden. William McShea, Wildtierökologe am Smithsonian Conservation Biology Institute in Front Royal, Virginia und Co-Autor der Studie, begründet das damit, dass die meisten dieser Tiere Wilderern zum Opfer gefallen seien oder ihr Habitat verloren hätten. Er arbeitet seit mehr als 20 Jahren in China und setzt sich dafür ein, dass mehr dafür unternommen wird, den Bestand der Fleischfresser wieder wachsen zu lassen.

    Laut Fang Wang fehlen den Wildtierbehörden jedoch zuverlässige Daten über Takine und Wildschweine. Diese seien jedoch nötig, um verlässliche Pläne dazu zu erstellen, wie die Größe der Populationen dieser Arten sich mit den Bedürfnissen der Pandabären in Einklang bringen ließe.

    Die chinesische Behörde Sichuan Forestry and Grassland Administration, die für Wildtiere und den Schutz ihrer Lebensräume zuständig ist, reagierte auf Anfragen von National Geographic zu dem Thema nicht.

    Netzwerk der Panda-Retter

    Im 20. Jahrhundert ließen sich mit Pandapelz auf dem internationalen Schwarzmarkt große Summen von über 80.000 Euro pro Fell verdienen. In seinem Buch „Der letzte Panda“ beschreibt der Naturforscher George Schaller eine unter Wilderei, Verlust des Lebensraums und schlechtem Schutzmanagement leidende Spezies. Damals sagte er voraus, dass „die Wilderer den Pandabären ausrotten werden – und das lange, bevor Inzucht überhaupt zu einem Problem werden kann.“

    Er hat sich geirrt, zum Glück: Gewildert wird heute kaum noch und auch die Abholzung der Wälder innerhalb und außerhalb der Schutzgebiete wurde fast komplett gestoppt. George Schaller ist nun Ende 80 und viel optimistischer. Würde er heute ein Buch schreiben, „müsste es eines über die rosige Zukunft der Pandabären sein“, sagt er.

    Galerie: China – Freiheit für die Pandas

    Zu verdanken ist die Entwicklung auch einem großen Netzwerk von Wildhütern, die sich dem Verschwinden des Riesenpandas leidenschaftlich entgegengestellt haben: In der Sichuan-Provinz, in der die meisten wildlebenden Pandabären zu Hause sind, patrouillieren in den 166 Naturreservaten mindestens 4.000 Wildhüter. „Sie sind die Knautschzone zwischen Gesetz und Tradition“, erklärt Fang Wang.

    Sie unterstützen außerdem Artenschützer und Biologen beim Sammeln aussagekräftiger Informationen über die Tiere. Die Wildhüter leben für gewöhnlich in den Reservaten, durchstreifen über Wochen die bergigen Bambuswälder, warten Wildkameras und dokumentieren das Verhalten der Tiere in freier Wildbahn. Die Daten, die sie bei ihrer Arbeit erheben, sind Berechnungsgrundlage der offiziellen Größe der wildlebenden Riesenpandapopulation und Basis für Forschungen und Strategien der Artenschützer. Der nächste offizielle Bericht soll im Jahr 2022 erscheinen.

    Kontroverse Zuchtprogramme

    Eine der Maßnahmen, die die chinesischen Artenschützer zur Rettung des Pandabären ergriffen haben, ist die Züchtung der Tiere in Gefangenschaft. Wenn sie ausgewachsen sind, sollen sie in die Freiheit entlassen werden und den wildlebenden Populationen beim Wachsen helfen.

    Diese Rückführung von Riesenpandas wird kontrovers diskutiert. Tiere in Gefangenschaft aufzuziehen ist teuer und kostet viel Zeit.

    Und die bisherigen Ergebnisse der Bemühungen waren durchwachsen. Zwölf Pandabären, die in Gefangenschaft geboren wurden, sind bisher ausgewildert worden – neun von ihnen überlebten. Außerdem wurden zwei weitere Riesenpandas freigelassen, bei denen es sich um gerettete Tiere handelt, die eine Zeit lang in Gefangenschaft lebten. Von allen ausgewilderten Tieren konnte sich nur einer der ehemals wilden Pandas fortpflanzen.

    In den späten 2019er Jahren kündigte das China Conservation and Research Center for Giant Pandas an, man wolle drei Riesenpandas in der Jiangxi-Provinz auswildern. Dort sind die Tiere seit mindestens 10.000 Jahren ausgestorben. Es wäre der erste Auswilderungsversuch dieser Art außerhalb der Sichuan-Provinz gewesen, wären die Pläne nicht aufgrund der erhitzten Debatte zwischen chinesischen Forschern und Behörden über die Effizienz solcher Programme im Sande verlaufen.

    „Innerhalb der chinesischen Expertengemeinschaft, aber auch unter Mitarbeitenden der Zuchtprogramme, gibt es zu dem Thema äußerst unterschiedliche Meinungen“, erklärt Fang Wang. „Was die Auswilderungen betrifft, existiert also noch kein einheitlicher Plan.“

    Er selbst hofft darauf, dass in Zukunft mehr Pandabären systematisch und gezielt ausgewildert werden, um kleine Populationen zu stärken. Außerdem wünscht er sich, dass die Wildtierkorridore miteinander verbunden werden, damit die Tiere sich frei zwischen den geschützten Lebensräumen bewegen können.

    „Was wir ganz sicher nicht brauchen, sind 600 Riesenpandas in Gefangenschaft“, sagt er. „Vielleicht ist eine bestimmte Anzahl von Fehlschlägen nötig, um herauszufinden, wie wir bei der Auswilderung richtig vorgehen.“

    „Das Zuchtprogramm wird die Welt nicht verändern“, sagt hingegen William McShea. „Es wäre besser, mehr Reservate einzurichten, in denen sich die Riesenpandas fleißig vermehren, und dann Teile dieser Populationen einfach umzusiedeln.“

    Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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