Nachhaltig einkaufen: 7 Umwelt-Mythen im Check

Papier oder Plastik, bio oder regional: Wer umweltbewusst im Supermarkt einkaufen will, steht manchmal vor einem Dilemma. Welche Produkte und Verpackungen sind wirklich gut für Klima und Umwelt?

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 6. Dez. 2024, 14:06 MEZ
Zwei Menschen mit Einkaufsplastiktüten in beiden Händen

Symbol der Wegwerfgesellschaft: Wohl keine Verpackung hat ein derart schlechtes Image wie die Plastiktüte.

Foto von Nabu/Sebastian Hennigs

Soll ich den Joghurt im Plastikbecher kaufen oder im Glas? Ist ein Apfel aus der Region automatisch besser für die Umwelt als sein Pendant aus Neuseeland? Gehören die Tomaten in eine Papiertüte oder in einen Beutel aus (Bio)-Plastik?

Umweltbewusst einkaufen spielt für viele Menschen eine immer größere Rolle. Doch was hilft wirklich, um Klima, Ressourcen und Umwelt zu schützen? Wir nehmen sieben Bio-Mythen unter die Lupe und zeigen: Nicht alles ist so nachhaltig, wie es scheint.

Inhalt

1. Mythos: Bio ist gesünder

Viele Menschen kaufen Bio nicht nur, weil sie die Umwelt schützen wollen oder aufs Tierwohl achten. Sie halten ökologisch erzeugte Lebensmittel auch für gesünder. Doch stimmt das wirklich? Tatsächlich: Vor gut 15 Jahren kam ein EU-Forschungsprojekt zu dem Ergebnis: In frischen Bioprodukten stecken mehr gesundheitsfördernde Stoffe als in herkömmlichen Lebensmitteln. 

Nur drei Jahre später die Ernüchterung: Forschende der Universität Stanford fanden keinen Beweis dafür, dass Öko-Essen gesünder oder nährstoffreicher sei. Immerhin reduziere Bio das Risiko, schädliche Pflanzenschutzmittel zu konsumieren. Bis heute streiten die Wissenschaft darüber, ob Bio gesünder ist. 

Nach Ansicht vieler greift die Diskussion aber zu kurz. Mindestens ebenso wichtig sei der positive Einfluss des Ökolandbaus auf Tierschutz, gesunde Böden und Artenvielfalt. 

2. Mythos: Regionale Lebensmittel sind besser fürs Klima

Klar, wenn ein Apfel um den halben Globus reisen muss, bevor er in einem deutschen Obstkorb landet, sollte man sich Gedanken machen. Ein längerer Transportweg muss nicht immer schlechter fürs Klima sein. Frische Äpfel aus Übersee im Frühling zum Beispiel hätten eine bessere Klimabilanz als heimische Früchte, die schon ein halbes Jahr gelagert wurden, erklärt das Bundeszentrum für Ernährung. Denn auch die Lagerung verschlingt viel klimaschädliche Energie.

Ähnlich sieht es mit Früchten aus, die in Südeuropa unter freiem Himmel wachsen, hierzulande aber aus beheizten Gewächshäusern stammen. Der Transport verursacht eben nur einen Teil der Emissionen. Am besten für die Klimabilanz: Regional und saisonal.

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    3. Mythos: Veganes Essen ist grundsätzlich umweltfreundlicher

    Fleisch gilt als Klimakiller. Den größten CO2-Fußabdruck hat Rindfleisch. Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) hat errechnet: Für jedes Kilogramm, das in Deutschland verkauft wird, entstehen im Schnitt 13,6 Kilo CO2. Die gleiche Menge Linsen, eine wichtige pflanzliche Proteinquelle, verursacht etwa 1,5 Kilo CO2. Und bei Karotten sind es gerade einmal 0,1 Kilo.

    Klimafreundlich heißt aber nicht unbedingt umweltfreundlich. Vegetarische Lebensmittel sind zwar meist besser für die Umwelt als Fleischerzeugnisse. Aber eben nicht immer. Obst, Gemüse oder Nüsse, die in Deutschland auf den Tisch kommen, stammen oft aus Anbaugebieten, in denen Wasser knapp ist. Dort müssen sie künstlich bewässert werden, was die Trockenheit in den Regionen zusätzlich verschärft. Forschende sprechen hierbei von kritischem Wasserverbrauch. Beispiel: Mandeln aus Kalifornien, Erdbeeren aus Spanien oder Kartoffeln aus Ägypten.

    Gerade die Mandel wird immer beliebter. Die Kernfrucht gilt als Superfood, Mandelmilch als klimabewusste Alternative zur Kuhmilch. Klar ist: Der Anteil an pflanzlicher Nahrung muss deutlich steigen. Die derzeitigen Anbaumethoden in vielen Ländern bringen aber bislang wenig beachtete Umweltrisiken mit sich. Die Lösung: Mehr Obst und Gemüse aus Deutschland.

    4. Mythos: Papiertüten sind besser als Plastik 

    Wohl keine Verpackung hat ein so mieses Image wie die Plastiktüte. Sie steht für Rohstoffverschwendung und umweltschädlichen Konsum. Kein Wunder, dass viele Menschen am Gemüseregal inzwischen lieber zur Papiertüte greifen. Aber sind Papierverpackungen grundsätzlich umweltfreundlicher?

    Nein, lautet das Fazit einer Untersuchung des ifeu-Instituts im Auftrag des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu). Demnach hat eine Einweg-Papiertüte eine schlechtere Öko-Bilanz als ein vergleichbarer Beutel aus Plastik. Die Klima- und Schadstoffbelastung bei der Plastikproduktion sei deutlich geringer. Vorteil von Papier: Es verrottet schneller. Tipp: Wer möglichst umweltfreundlich einkaufen möchte, sollte immer zur Mehrwegtüte greifen.

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    5. Mythos: Glasverpackungen schonen die Umwelt

    Joghurtbecher und Gemüsekonserven aus Glas: Viele Menschen halten sie für umweltfreundlicher als Plastikverpackungen. Das liegt vermutlich auch an der hohen Recyclingquote von Glas. Ökobilanzen kommen aber zu einem anderen Ergebnis. 

    Einwegglas belaste die Umwelt deutlich mehr als Papier oder Kunststoff, heißt es in der ifeu-Nabu-Studie. Das liege am hohen Gewicht von Glasverpackungen und den damit verbundenen Schadstoffemissionen bei Herstellung und Transport. Auf Einwegglas sollte deshalb unbedingt verzichtet werden, rät der Nabu. „Bei Mehrweggläsern kauft man am besten Angebote aus der Region.“

    6. Mythos: Bioplastik ist bio

    Die Idee klingt gut: Verpackungen aus natürlichen Rohstoffen – noch dazu kompostierbar. Tatsächlich gibt es inzwischen viele Verpackungen aus sogenanntem Bioplastik. Zum Beispiel Verpackungsbeutel am Gemüseregal, Joghurtbecher oder Kaffeekapseln. Doch Umweltverbände wie der BUND warnen: Das Label führe in die Irre. Bioplastik sei nicht umweltfreundlicher als herkömmliche Kunststoffe.

    Mit dem, was die meisten Menschen unter „Bio“ oder „Öko“ verstehen, hat Bioplastik nichts zu tun. Es ist ein Kunststoff und wird, wie zum Beispiel auch Biodiesel, aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais, Kartoffeln oder Zuckerrohr erzeugt. Dafür braucht man viel Wasser, Dünger und Pestizide. 

    Auch beim Recycling sprechen Fachleute vom Umweltbundesamt von einer Mogelpackung: Selbst Biokunststoffe, die als „kompostierbar“ gekennzeichnet sind, dürfen nicht einfach auf den Komposthaufen. Sie müssen in besonderen Anlagen kompostiert werden. Doch die gibt es kaum. 

    Frisches Obst und Gemüse in Hülle und Fülle. Die Auswahl an Obst und Gemüse ist riesig. ...

    7. Mythos: Jute statt Plastik!

    „Jute statt Plastik“, lautete ein Motto der frühen Umweltbewegung gegen Ende der 1970er. Einkaufstaschen aus der kratzigen Naturfaser wurden zum Symbol gegen die Wegwerfgesellschaft und die Ausbeutung der Entwicklungsländer. Heute bestehen die meisten Stoffbeutel nicht mehr aus Jute, sondern aus Baumwolle. Ob sie umweltfreundlicher sind als Plastiktüten, hängt davon ab, wie oft man sie benutzt. 

    Zunächst einmal braucht ein Stoffbeutel viel mehr Ressourcen als eine Plastiktüte. Insgesamt verschlingt der Anbau von Baumwolle sehr viel Wasser, Dünger, Pestizide und Fläche. Es gibt verschiedene Ökobilanzen: Je nach Studie muss ein Baumwollbeutel etwa 50 bis 150 mal benutzt werden, damit er ökologisch besser abschneidet als eine Einwegtüte aus Plastik. Die Voraussetzungen dafür hat er: Die Lebensdauer ist wesentlich höher. Außerdem kann man ihn in die Waschmaschine stecken. 

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