Veganes Deutschland: Das passiert, wenn wir keine tierischen Produkte mehr essen

Keine Kühe, keine Eier, kein Fleisch: Was wäre, wenn Deutschland komplett auf tierische Produkte verzichtet? Ein PETA-Paper zeigt, warum das mehr verändert, als wir denken.

Von Anna-Kathrin Hentsch
Veröffentlicht am 22. Mai 2025, 08:42 MESZ
Was passiert wenn Deutschland auf vegane Landwirtschaft umstellt.

Utopie oder reelles Szenario: Wie sähe Deutschland aus, wenn wir ab morgen auf sämtliche tierische Produkte verzichten würden? 

Foto von unsplash.com/ Ja Branding

Keine Milch im Kühlregal, kein Käse auf dem Brot, keine Wurst in der Metzgerei. Stattdessen: Haferdrinks, Lupinensteaks, vegane Käsealternativen – und ziemlich viel Agrarfläche, die anders genutzt werden könnte. Wie sähe Deutschland aus, wenn wir ab morgen auf sämtliche tierische Produkte verzichten würden?

Konkreter Ausstiegsplan für eine tierfreie Landwirtschaft

Ein aktuelles Whitepaper der Tierschutzorganisation PETA entwirft genau dieses Szenario – nicht als Science-Fiction, sondern als konkreten Ausstiegsplan. „Das Paper zeigt, wie ein Ausstieg aus der Tierwirtschaft aussehen und welche Vorteile die tierfreie Landwirtschaft für Tiere, Menschen und Umwelt haben kann“, erklärt Lisa Kainz, Fachreferentin für Ernährung und Agrarwissenschaften bei PETA Deutschland und Mitautorin des Whitepapers neben Hauptautor Martin Müller.

Tatsächlich wären die ökologischen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen eines Ausstiegs aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Deutschland konkret spürbar. Wie würde sich unsere Ernährung, unser Klima, unsere Landschaft verändern – und was würde es kosten, diesen radikalen Wandel umzusetzen? 

Das Szenario klingt visionär und wirft tiefgehende Fragen auf: über unser Verhältnis zur Natur, über die Zukunft der Landwirtschaft und über die ethischen Grundlagen unseres Ernährungssystems.

Tierhaltung in Deutschland – ein System mit Nebenwirkungen?

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg begann in Deutschland eine strukturelle Entwicklung, die von der Selbstversorgung zu einer kapitalintensiven und hoch spezialisierten Lebensmittelproduktion führte.

Heute gilt die Nutztierhaltung als zentrales Standbein der deutschen Landwirtschaft und ist von hoher Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung: So hielten deutsche Landwirtinnen und Landwirte im November 2024 laut dem Bundesministerium für Landwirtschaft 10,5 Millionen Rinder, 21,3 Millionen Schweine, 1,5 Millionen Schafe und 167 Millionen Geflügel (Stand 2023). 

Veganes Deutschland Nutztierhaltung als zentrales Standbein der deutschen Landwirtschaft

Der Großteil der landwirtschaftlich genutzten Tiere wird in Deutschland konventionell, bzw. industriell oder in Intensivtierhaltung gehalten. Was würde mit den Ställen passieren, wenn Deutschland plötzlich vegane Landwirtschaft betreiben würde?

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Der Großteil der landwirtschaftlich genutzten Tiere wird in Deutschland konventionell, bzw. industriell oder in Intensivtierhaltung gehalten. Darunter versteht man die „technisierte Tierhaltung in Großbetrieben zur Gewinnung möglichst vieler tierischer Produkte“. Laut PETA stammt 89 Prozent des in Deutschland verkauften Fleischs aus den Haltungsformen 1 und 2, umgangssprachlich auch mit Massentierhaltung gleichgesetzt. 

Bereits im frühen 20. Jahrhundert kam allerdings die Diskussion über die ökologischen Folgen dieser Entwicklung auf, von der sichtbaren Umgestaltung der Agrarlandschaft und der „Massentierhaltung“, bis zum chemischen Pflanzenschutz oder künstlichen Düngern. Daraus entwickelte sich das alternative Konzept der ökologischen Landwirtschaft. 

Laut Umweltbundesamt wächst in Deutschland seit den 1990er Jahren die Zahl der Ökolandbaubetriebe ebenso wie die von ihnen bewirtschaftete Fläche langsam, aber kontinuierlich: Im Jahr 2023 wurden 11,2 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche ökologisch bewirtschaftet. Doch trotz dieses stetigen Wachstums ist man vom 30-Prozent-Ziel der Bundesregierung für den Ökolandbau noch weit entfernt.

Flächennutzung: Hoher Ressourcenverbrauch durch Tiere

Weil all diese gehaltenen Nutztiere Hunger haben, wachsen in Deutschland auf etwa 60 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche keine Lebensmittel für Menschen, sondern Futtermittel für Tiere, darunter Mais, Soja und Getreide. Zusätzlich importiert Deutschland große Mengen Soja aus den USA und Südamerika

Auf den verbleibenden landwirtschaftlich genutzten Flächen in Deutschland werden auf rund 17 % nachwachsende Rohstoffe für die Erzeugung von Biogas (vor allem Mais) und Biokraftstoffe (vor allem Raps) angebaut. Die verbleibenden Ackerflächen stehen direkt für den Anbau von Lebensmitteln für die menschliche Ernährung zur Verfügung.

Die Tierhaltung verursacht nicht nur einen hohen Ressourcenverbrauch, sondern auch große Umweltschäden: Sie ist für rund 68 % der Treibhausgasemissionen der deutschen Landwirtschaft verantwortlich, belastet Böden und Gewässer mit Nitrat und Ammoniak und trägt zur Übersäuerung und Überdüngung der Ökosysteme bei. Auch antibiotikaresistente Keime, Tierwohlprobleme und soziale Spannungen im ländlichen Raum sind Teil des Problems – insbesondere dort, wo sie industriell und intensiv betrieben wird: Denn neben den ökologischen Belastungen entstehen wirtschaftliche Ungleichgewichte zwischen großen und kleinen Betrieben oder moralische Konflikte.

Das Umweltbundesamt sieht „die intensive Nutztierhaltung und den hohen Konsum tierischer Lebensmittel (…) mit negativen Auswirkungen auf Umwelt und Klima verbunden“. Änderungen in der Produktion und beim Konsum könnten die Umwelt und das Klima entlasten. Denn die Tierhaltung trage maßgeblich zu den direkten Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft bei, indem sie direkt und indirekt wirke: Im Jahr 2023 verursachte die deutsche Landwirtschaft rund 54,8 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente – das entspricht etwa 8,2 % der gesamten Treibhausgasemissionen in Deutschland. 

Besonders klimaschädlich wirkt das Methan aus der Verdauung von Wiederkäuern und das Lachgas aus Gülle und Düngung. Beide Gase sind deutlich wirksamer als CO₂ – Methan etwa 25-mal, Lachgas sogar 265-mal. 

Zum anderen entstehen indirekte Emissionen durch Futtermittelanbau, energieintensive Mineraldüngerproduktion und Landnutzungsänderungen, wie Waldrodung oder die Entwässerung von Mooren. Insgesamt ist die globale Nutztierhaltung weltweit für etwa 15 % der menschengemachten Treibhausgasemissionen verantwortlich – und wird zum zentralen Hebel für den Klimaschutz. 

Laut dem PETA-Paper komme hinzu, dass die landwirtschaftliche Tierhaltung – neben Flächenverbrauch, Ressourcenverbrauch und Treibhausgasemissionen – für den Biodiversitätsverlust und für die Bedrohung der politischen und gesellschaftlichen Stabilität verantwortlich sei. Der vollständige Verzicht auf tierische Produkte würde nicht nur Millionen Tonnen CO₂ einsparen, sondern auch Flächen freigeben, Artenvielfalt fördern und die öffentliche Gesundheit verbessern.

Was würde sich konkret ändern, wenn Deutschland vegan wäre?

Laut Lisa Kainz ist „dieser Status Quo nicht haltbar. Wir brauchen eine Veränderung – hin zu einer tierfreien Landwirtschaft und weg von der Ausbeutung von Tier und Natur.“ Für diesen „kompletten Ausstieg aus der Tierwirtschaft“ listet das aktuelle Whitepaper der PETA zahlreiche Maßnahmen und positive Chancen auf. 

Auch wenn man bei PETA weiß, dass „in einer Demokratie mit Marktwirtschaft die Eingriffsmöglichkeiten der Politik begrenzt“ sind, wolle man „im wahrsten Sinne des Wortes für die Tiere ackern“. PETA sei eine der ersten Tierschutzorganisationen, die das Thema konkretisieren, so die Fachreferentin der Tierschutzorganisation. Was würde sich konkret ändern, wenn Deutschland vegan würde?

BELIEBT

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    In einem veganen Deutschland würde nur noch Obst und Gemüse angebaut werden.

    Apfelplantagen und frei laufende Hühner: Tiere würden in einer veganen Landwirtschaft nicht völlig verschwinden – sie würden nur nicht mehr gegessen oder tierische Lebensmittel für den Menschen produzieren.

    Foto von unsplash.com/ Skylar Zilka

    Tierhaltung abschaffen, Emissionen halbieren

    Ein veganes Deutschland würde sich in mehreren Bereichen grundlegend verändern: Es gäbe deutlich weniger Nutztiere, die Landwirtschaft wäre anders strukturiert und der Lebensmittelmarkt würde sich auf pflanzliche Alternativen konzentrieren. 

    Als Reaktion auf die damit einhergehende Denaturierung würde sich die Klimabilanz deutlich verbessern. Dann könnte der Ausstieg aus der Nutztierhaltung jährlich mindestens 113 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente einsparen, rechnet das PETA-Paper vor. Das entspreche etwa einem Siebtel der deutschen Gesamtemissionen. 

    Denn durch die Freisetzung von 4,9 Millionen Hektar Grünland in Deutschland und mindestens 2,7 Millionen Hektar Futtermittelflächen im Ausland werden wertvolle Flächen für Renaturierungsprojekte frei. Hinzu kämen zusätzliche 2 Millionen Hektar, weil die Versorgung mit Proteinen aus Pflanzen viel effizienter und nachhaltiger ist als über Fleisch und Milch. 

    Grund ist der sogenannte Energieverlust bei tierischer Ernährung, die einen Umweg über das Tier nimmt: Tierische Lebensmittel verursachen massive Verluste, da Tiere einen Großteil der aufgenommenen pflanzlichen Energie für eigene Körperfunktionen, Wärmeproduktion und Ausscheidungen verbrauchen. So gehen bei der Fleischproduktion rund 80–90 % der ursprünglichen Energie verloren. Besonders ineffizient ist Rindfleisch: Um eine Kilokalorie Fleisch zu erzeugen, sind rechnerisch 25 Kilokalorien an Tierfutter nötig. Selbst bei effizienteren Tieren wie Hühnern oder Schweinen bleiben die Verluste hoch. 

    Was pflanzliche Proteinquellen angeht, liefern Hülsenfrüchte Nährstoffe direkt und deutlich ressourcenschonender. Bei der Versorgung mit anderen Nährstoffe sieht die Deutsche Gesellschaft für Ernährung insbesondere für das Vitamin B12 das „Risiko eines Nährstoffmangels bei veganer Ernäh­rungsweise erhöht.“ Eine ausreichende Vitamin-B12-Versorgung sei nach der­zei­tigem Kenntnisstand bei veganer Ernährung nur durch die Einnahme von Nähr­stoff­präparaten möglich. 

    Freie Flächen nutzen: Gewächshäuser statt Ställe

    Was tun mit den zurückgewonnenen Flächen? Zum einen könnten Moore wiedervernässt werden und zusammen mit einer Aufforstung zusätzliches CO₂ binden. Insgesamt liege das Potenzial zur Emissionsvermeidung und -bindung bei über 200 Millionen Tonnen jährlich und wäre damit ein klimapolitischer Hebel von erheblichem Ausmaß. 

    Neben neuen Naturschutzräumen könnte der Platz für mehr Treibhäuser und heimisches Obst und Gemüse genutzt werden. Die benötigte Energie für Wärme und Strom käme von neu angelegten Solarfeldern und Windkraftanlagen, zudem könnten mehr Energiepflanzen wie Raps für Biogasanlagen angebaut werden.

    Ganz aus dem Landschaftsbild würden Rinder und Schafe trotzdem nicht verschwinden: Laut Umweltbundesamt würden „Rinder ähnlich wie Ziegen, Schafe und Pferde zum Erhalt einer attraktiven und vielfältigen Kulturlandschaft beitragen“. 

    Der ökologische Umbau zu einem veganen Deutschland würde demnach die Biodiversität massiv entlasten und gleichzeitig entfielen düngende Gülleeinträge, Pestizide und emissionsintensive Stoffe wie Ammoniak, die aktuell Böden, Luft und Wasser stark belasten. Denn bei einer rein pflanzenbasierten Ökolandwirtschaft wäre der Einsatz solcher Schadstoffe nahezu null. 

    Auch der Wasserverbrauch der Landwirtschaft könnte drastisch sinken – ein entscheidender Faktor in Zeiten zunehmender Dürre. Die Gründe: Um ein Kilogramm Rindfleisch zu produzieren, werden je nach Methode bis zu 15.000 Liter Wasser benötigt. Pflanzenbasierte Lebensmittel wie Hülsenfrüchte oder Getreide kommen mit einem Bruchteil davon aus (z. B. Linsen: ca. 2.500 Liter/kg). Zudem entfallen heute 60–80 % des landwirtschaftlichen Wasserverbrauchs in Deutschland auf die Futtermittelproduktion.

    Ernährungssicherheit stärken: weniger Abhängigkeit, mehr Resilienz

    Laut dem PETA-Paper wäre ein Deutschland ohne Tierhaltung nicht nur ökologisch, sondern auch strategisch unabhängiger, da die Versorgung mit pflanzlichen Lebensmitteln sich mit deutlich weniger Fläche weitgehend autark sichern ließe. Heute liegt der Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln bei circa 87 %.

    Außerdem könnten durch das Wegfallen von Soja- und Getreideimporten für Futtermittel geopolitische Abhängigkeiten reduziert und Versorgungssicherheit in Krisenzeiten gestärkt werden. Wäre ein vegan ausgerichtetes Agrarsystem also sicherer, effizienter und krisenfester?

    Utopie oder reelle Chance? So gelingt die Umstellung auf vegane Ernährung in Deutschland

    Deutschland bringt aufgrund seiner großen Ackerfläche ungewöhnlich gute Bedingungen zur veganen Selbstversorgung mit, ein Umstieg wäre also durchaus denkbar. Um den Ausstiegsprozess aus der Tierhaltung zu beschleunigen, listet das PETA-Paper nicht-monetäre und monetäre Maßnahmen, welche die Nachfrage nach und das Angebot von tierischen Produkten verringern, sowie den Ausbau von veganer (Öko-)Landwirtschaft und alternativer Nahrungsmittelproduktion beschleunigen sollen. 

    Demnach stünden der Politik zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, einen Ausstieg aus der Tierhaltung zu forcieren und auf einen Umstieg auf ein pflanzenbasiertes Landwirtschafts- und Ernährungssystem hinzuwirken:

    Der Katalog zieht ein Verbot von sprachlichen und bildlichen Beschönigungen auf Verpackungen in Kombination mit verpflichtenden, realen Bilder zu Schlachtungen und den Zuständen der Tierhaltungen auf den Verpackungen als mögliche Maßnahme in Betracht. 

    Neben Aufklärungskampagnen, Reduzierung des Lobbyeinflusses der Tierindustrien in politischen Entscheidungen, schrittweisen Verschärfungen der Tierhaltungsbedingungen und einer Anpassung der agrarwissenschaftlichen Studiengänge, werden Beratungsangebote für Landwirtinnen und Landwirte oder der Ausrichtung der Förderung von Forschung, Beratung, Bildung, Vollzug auf vegane bzw. biozyklisch-vegane Landwirtschaft und alternative Nahrungsmittelerzeugung genannt.

    Hin zum veganen System: Wer soll das bezahlen?

    PETA räumt ein, dass die Umstellung auf eine vegane Landwirtschaft mit hohen Investitionen und Kosten verbunden wäre. Woher soll das Geld kommen? Das Thünen-Institut sieht die Mehrwertsteuer als Hebel für eine nachhaltige Ernährung. Auch laut dem Paper von PETA ließen sich durch eine (Mehrwert-)Steuerreform nach dem Vorbild Dänemarks kurzfristig jährlich mindestens 6,9 Milliarden Euro einsparen, vor allem durch die Anhebung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte von 7 % auf 19 % und die Umwidmung bestimmter EU-Agrarsubventionen (GAP). Um Verbraucher und Verbraucherinnen zu entlasten, solle gleichzeitig die Mehrwertsteuer auf pflanzliche Grundnahrungsmittel auf 0 % und auf pflanzliche Alternativen auf 7 % gesenkt werden. 

    Leben in einem veganen Deutschland alle Kühe in Freiheit?

    Rinder, Ziegen, Schafe und Pferde streifen durch die frei gewordenen Ackerflächen und tragen zum Erhalt der Kulturlandschaft bei. 

    Foto von unsplash.com/ Madita Luisa

    Auch das Umweltbundesamt schlägt vor, „Fleisch und andere tierische Produkte ganz regulär mit 19 Prozent Mehrwertsteuer zu belegen“. Unterm Strich werde es „für den Verbraucher dadurch nicht teurer, denn der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent sollte nach Ansicht des UBA noch weiter sinken. Kartoffeln, Karotten oder Mehl würden also billiger, das Nackensteak oder die Rinderlende dagegen teurer.“ Denn Fleisch sei „auch nur scheinbar billig“, der Verbraucher zahle dreifach: „Erstens an der Supermarktkasse, zweitens mit Steuergeldern für die hohen Agrarsubventionen der Tierhaltung, und ein drittes Mal, wenn etwa die Wasserwerke Geld in die Hand nehmen, um Nitrat aus dem Trinkwasser zu entfernen.“

    Jährlich könnten so 2,9 Milliarden Euro gezielt in Umstiegsprogramme für Nutztierhalterinnen und Nutztierhalterinnen fließen. Diese Mittel sollten – laut PETA – jedoch nicht in Stallumbauten oder sogenannte „Tierwohl“-Maßnahmen fließen, um eine indirekte Subventionierung der Tierhaltung zu vermeiden. Stattdessen sollten zukunftsfähige Alternativen wie pflanzenbasierte Produkte, Präzisionsfermentation, zelluläre Landwirtschaft und biozyklisch-veganer Anbau priorisiert gefördert werden. 

    Das PETA-Paper nennt die Nutztierhaltung „wie keine andere Industrieform mit über 90 Prozent Umwandlungsverlusten enorm ineffizient“. Neben klima- und umweltschädlichen sowie moralischen Rechtfertigungsproblemen habe die landwirtschaftliche Tierhaltung zudem ein Kostenproblem: Lediglich aufgrund der von der Gesellschaft getragenen gewaltigen externalisierten Kosten in Verbindung mit den hohen staatlichen Subventionen könne sie noch wirtschaftlich bestehen. Langfristig könnten die „Tierhaltungssubventionen in Höhe von mindestens 13 Mrd. Euro pro Jahr entfallen bzw. sinnvoller für vegane Ökolandwirtschaft und andere Alternativen eingesetzt werden.“

    Ohne Ernährungswende keine Klimawende?

    Grundsätzlich sind sich die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und zahlreiche Fachpolitikerinnen und -politiker einig: Die Reduktion tierischer Produkte in unserer Ernährung ist unumgänglich, wenn die Klimaziele erreicht, Biodiversität geschützt und Ressourcen effizient genutzt werden sollen. 

    Beim Umweltbundesamt heißt es ganz offen, dass sich die „Umweltprobleme der Fleischproduktion eindämmen“ ließen, „wenn wir Verbraucher einfach weniger Fleisch essen“. Eine Studie des Thinktanks Agora Agrar zeigt, dass für eine klimaneutrale EU 2045 die Tierhaltung deutlich reduziert werden müsste: etwa 70 % weniger Schweine, 52 % weniger Rinder und 28 % weniger Geflügel. Laut foodwatch.org sei eine um etwa 70 % verringerte Produktion von Fleisch und Milch auf gleichbleibender Fläche erforderlich, um die Treibhausgase langfristig um 60–80 % zu reduzieren. 

    Ökolandbau als Klimaretter: Ist Biofleisch die Alternative?

    Eine von Foodwatch beim Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) beauftragte Studie untersuchte den jeweiligen Beitrag der konventionellen und der ökologischen Landwirtschaft in Deutschland zum Treibhauseffekt. Sie kam zu dem Schluss: Pauschale Behauptungen, der Ökolandbau sei grundsätzlich ein Klimaretter oder die konventionelle Landwirtschaft wegen höherer Erträge klimafreundlicher, greifen zu kurz. 

    Denn: Der Ökolandbau verursacht beim Getreideanbau rund 60 Prozent weniger Treibhausgase pro Kilogramm als die konventionelle Landwirtschaft und wirtschaftet insgesamt etwa 15 bis 20  Prozent klimafreundlicher. Trotzdem verursacht die Bio-Produktion von Milch und Rindfleisch teilweise sogar mehr Emissionen. 

    Veganes Deutschland: Utopie oder notwendiges Szenario?

    Wird die Utopie eines veganen Deutschlands also zum notwendigen Szenario? Immerhin birgt die pflanzenbasierte Ernährung ein doppeltes Klimaschutzpotenzial – durch die direkte Verringerung von Emissionen in der Landwirtschaft und die Renaturierung freier Flächen als Kohlenstoffsenken. Liefe der Struktur- und Systemwechsel gesteuert ab, käme es nicht zu Masseninsolvenzen und damit gesellschaftlichen, politischen und sozialen Verwerfungen, so PETA.

    Doch obwohl das Wissen um die ökologischen Schäden tierischer Produkte verfügbar ist, bleibt die politische Umsetzung zögerlich: Während 73 % Prozent der Deutschen bejahen, dass weniger Fleisch essen grundsätzlich einen Einfluss auf das Klima haben kann, gilt die Ernährungsfrage politisch weiterhin als Tabuthema – zu tief sitzt die Vorstellung, Essen sei reine Privatsache. 

    Die Datenlage zeigt klar, dass eine Abkehr von der tierbasierten Landwirtschaft neben erheblichen ökologischen auch gesundheitliche und ökonomische Vorteilen bringt. Auch sozialethische und politische Argumente sprechen für eine grundlegende Transformation. Doch jenseits aller Szenarien und Modellierungen bleibt eine entscheidende Frage offen: Ist eine vollständige Umstellung auf vegane Ernährung und eine rein pflanzenbasierte Landwirtschaft realistisch – oder liegt eine gerechte Zukunft irgendwo in der Mitte? 

    Die Antwort darauf wird nicht nur durch wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auch durch kulturelle, emotionale und politische Faktoren bestimmt. Genau an diesem Punkt beginnt die gesellschaftliche Debatte.

    Cover Heft 05/25

    National Geographic 2025/05

    Foto von National Geographic Bertie Gregory

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